Zurück aus Nigeria

sf/Klaus Winter
Gesellschaft
Gerade noch hielten sich Dr. Klaus Winter und Dr. Paul Festl von der Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte im Rahmen einer Projektreise in Afrika auf. Nun sind sie zurück in Deutschland. Eindrücke aus Nigeria, wo eine Schule mit Schulspeisung für 400 Kinder gebaut wurde.

Der nigerianische Priester Dr. Boniface Amu hatte während seines Theologie- und Promotionsstudiums in Bonn die Vision, nach seiner Rückkehr in seine Heimat Nigeria ein Bildungszentrum für sozialschwache Familien zu gründen. Er wollte damit den Menschen Perspektiven eröffnen, eigene Schritte aus Resignation und Armut zu gehen und ein selbstverantwortetes Leben zu führen.

Bildung ist Befreiung

Im Laufe der Jahre wurde ein Konzept unter dem Leitgedanken "Bildung ist Befreiung“ entwickelt - die Basis zur Gründung des Vereins, der unter dem Namen "Enyiduru- Projekt Nigeria e.V.“ im Jahre 1996 in Bonn ins Leben gerufen wurde.

Father Amus Träume

So schrieb Father Dr. Boniface Amu vor Jahren an das HDZ: "Meine Träume und Ziele: Zehn Jahre (Kindergarten-und Schulzeit) sollen Kinder in  einem Umfeld ohne Korruption, ohne Lüge und Gewalt, ohne Stehlen und Betrug - in der Erfahrung der eigenen Menschenwürde und Selbstachtung - lernen. Das ist eine Erziehung, die sonst hier im Land nicht bekannt und möglich ist. Wenn jedes Jahr 40 Kinder mit dieser neuen Lebensfähigkeit und Lebensqualität in die Welt geschickt werden, Kinder die Familien gründen und in den verschiedensten Orten Nigerias leben und arbeiten werden, wird das eine Veränderung bewirken. Das Gleiche gilt für alle Lehrer, Mitarbeiter und Eltern.“

Zielgruppe des Projekts sind Kinder und Jugendliche aus der Region Nsukka, die anders keinen Zugang zu einer schulischen Bildung haben.

Ganztagsschulbetrieb und ausreichend Nahrung im Fokus

Das vorgesehene Zentrum soll den Ganztagsschulbetrieb sowie eine ausreichende und angemessene Ernährung der Schüler ermöglichen. Die Maßnahme soll insbesondere 

  • die Förderung des sozialen Miteinanders bewirken

  • die Schulspeisung für etwa 400 Kinder und Jugendliche gewährleisten 

  • durch den Bau eines Schulgartens das Bewusstsein und die Fähigkeit zur Selbstversorgung fördern

  • weitere Bildungsangebote für Erwachsene begünstigen

  • Bildungsarbeit und Workshops für Eltern und Lehrer ermöglichen

  • Grundstückskauf und -übergabe beinhalten, sowie die Rodung, Befriedung und anschließend die Errichtung einer Küche, eines Speisesaals, einer angrenzenden Grundschule und eines Schulgartens. Grundschule und Speisesaal befinden sich unter einem Dach.

Wenn zwei Stämme sich streiten...

Vor vielen hundert Jahren gab es einen Krieg zwischen zwei benachbarten Stämmen. Als sich herausstellte, dass dieser Krieg wohl noch Jahre dauern würde, siedelte sich ein dritter Stamm zwischen diesen beiden kriegerischen Gruppen an und so entstand Frieden.

Aus Dank stellte jede der beiden versöhnten Gruppen ein Stück des eigenen Landes zur Verfügung, damit der dritte Stamm dort sesshaft werden konnte. Dieses Stück Land, im Ort bekannt als "Friedensland“, soll nun verkauft werden, damit die heutige Generation wieder zurück in ihr ursprüngliches Wohngebiet ziehen kann, um sich mit dem Erlös bessere Häuser zu bauen.

Die Besonderheit dieses Baus ist die hohe Dachkonstruktion. Selbst im heißen, tropischen Klima bleibt der Raum schattig, kühl und hell, da eine ausreichende Luftzirkulation durch den hohen Raum und die vielen Fenster gegeben ist. So ist er neben der Nutzung als Speisesaal ideal geeignet für die notwendige Bildungsarbeit für Lehrer und Eltern. 

Ganz in Handarbeit gebaut

Zu erwähnen ist auch, dass während der gesamten Bauphase weder für  Baumaterialien noch für die Inneneinrichtung keine Angebote von großen Firmen eingeholt wurden. Dies hätte die Kosten enorm in die Höhe getrieben. Die günstigere Variante ist mit immensem Zeitaufwand verbunden, da in unterschiedlichen, kleinen Geschäften niedrige Preise erhandelt werden können. Damit werden gleichzeitig kleinere Unternehmen in der Region gefördert.

Auf dieser Basis ist das gesamte Zentrum entstanden und - in Handarbeit ohne den Einsatz von Baummaschinen (in Ausnahme eines Generators) und größeren Firmen. Dadurch ist die Bauzeit von insgesamt drei Jahren erklärbar. Selbst Dachstuhl und Aluminiumdach wurden von "Privatfachleuten“ fertiggestellt. Chibuzo, einer der Bauarbeiter, konnte jetzt endlich durch das verdiente Geld heiraten.

Die große Mrs. Enyiduru

Eine regelmäßige, warme Mahlzeit für jeden und einen sicheren Arbeitsplatz für die Köchin. Die Mahlzeiten werden zubereitet, in Wärmebehälter gefüllt und in den Speisesaal gebracht. Die Kindergartenkinder, die in einem anderen Gebäude untergebracht sind, bekommen das Essen von den größeren Schülern gebracht.

"Diese besondere Küche braucht einen besonderen Topf“, so dachte wohl der Verkäufer auf dem Markt. Da in Nigeria das Kochen Frauensache ist, wurde dem Topf kurzerhand der Name  "Mrs. Enyiduru“ gegeben. 

Folgende Geldmittel wurden von der Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte zur Verfügung gestellt:

  • August 2007, Grundstückskauf 40.000 Euro

  • Dezember 2007, Mauer und Security 23.500 Euro

  • Juli 2008, Küche, Speisesaal, Schule 31.500 Euro

  • Mai 2010, Fertigstellung des Zentrums

  • Mai 2010, Bau einer Toilettenanlage 28.696 Euro

Bei dem Besuch in Nsukka wurde die im Dezember 2010 fertiggestellte Grundschule offiziell übergeben. Die Schule liegt in einem sehr armen Gebiet, wo die meisten Menschen in Hütten leben und es weder Strom noch Wasser gibt. Anwesend waren neben den HDZ-Vertretern Dr. Boniface Amu als Vertreter des Enyiduru Vereins vor Ort, Birgitta Schneider als Vorstandsmitglied des Enyiduru Vereins in Bonn, und der Chief (“Igwe“ genannt, in der Funktion des Bürgermeisters), ohne den keine entscheidenden Veränderungen und Feiern am Ort stattfinden dürfen. Außerdem dabei: viele Schüler und Eltern.

Schon die ganz Kleinen sind dabei

In Nigeria, der ehemals britische Kolonie, gilt das angelsächsische Schulsystem. Das heißt: Die Grundschule (Primary School) besteht aus sechs Schuljahren und ein bis zwei Vorschuljahren (Kindergarten).  Zur Konzeption der vom HDZ geförderten Schule gehört, dass schon die ganz Kleinen neben Spiel und Wissenswertem, Hygiene und Körperpflege erlernen und einüben und mit diesem "Vorwissen“ dann das 1. Schuljahr beginnen.

Ein guter Start, denn dieses Wissen tragen die Kinder natürlich auch in ihre Familien und geben es dort weiter. Zahnpflege wurde gemeinsam mit Winter und Festl vor Ort geübt, hierfür hatte der Zahnhygieneverein die HDZ-Vertreter freundlicherweise mit einer großzügigen Sachspende ausgestattet. Die Durchführung eines künftigen professionellen HDZ-Zahnprophylaxeprogramms mit der Ausbildung und Schulung von Hilfspersonal wurde mit den Projektträgern besprochen. 

Vom Glück des Schulbesuchs

Das Glück, eine Schule besuchen zu dürfen, ist riesengroß. Man muss persönlich die Freude und den Lerneifer der Kinder erleben, um ein wenig zu erahnen, was es bedeutet, zu den Auserwählten zu zählen. Ein besonderes Merkmal dieser Schule ist, dass es hier einen Container mit sauberem Trinkwasser gibt und dass Schüler und Lehrer die Möglichkeit haben, kostenlos während der Schulzeit genügend zu trinken.

Der rege Austausch mit den Eltern der Kinder auf den Schulveranstaltungen zeigt schon erste Erfolge. Mit qualifizierter Hilfe haben die Familien die Chance, langsam in ein neues Schul- und Lebensprogramm hineinzuwachsen.

Wenngleich das Land reich an Bodenschätzen ist, ist die Armut in Nigeria allgegenwärtig. Kaum vorstellbar, unter welch primitiven und menschenunwürdigen Verhältnissen die Menschen in dem zentralafrikanischen Land leben müssen. Aus diesem Grunde können die Eltern nur ein sehr geringes Schulgeld bezahlen. Zurzeit sind das 500 Naira für eine Periode von drei Monaten. Das sind etwa vier Euro.

Sand essen

"Bei einer Elternbesprechung zum Thema Schulgeld“ hörte ich mit Erstaunen folgendes", berichtete Brigitta Schneider: "Wenn Familien dieses Geld regelmäßig aufbringen - und das wollen sie -, heißt das für die restliche Familie, dass sie an manchen Tagen einfach nur Sand essen können, weil es zu nichts anderem mehr reicht.“ Die Schulkinder kommen nach oft langem Fußmarsch morgens mit leerem Magen in die Schule. Die erste und häufig die einzige Mahlzeit am Tag bekommen sie durch eine Schulspeisung.

Der Schulgarten wurde angelegt und die erste Ernte stand vor der Tür: Erdnüsse, Tomaten, Cassava, Cashewnüsse, Ananas und Papaya. Die Ernte wird auch für die Schulspeise genutzt. Im Unterricht lernen die Kinder anzupflanzen und zu säen. Ziel dieses praktischen, landwirtschaftlichen Unterrichts ist, die Kinder zu befähigen, später selbst in ihren Familien für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen.

Zitate von nigerischen Eltern

Regina Omega: "Ich finde die Schule großartig und weil dies so ist, habe ich zwei Kinder hierher geschickt. Ich habe selbst an allen Eltern-Veranstaltungen  teilgenommen. Dabei habe ich gelernt, wie wichtig es für die Kinder ist, in die Schule zu gehen. Glücklich bin ich auch, dass die Kinder hier zu essen bekommen.“

Fidelis Eze: "Alles was hier entstanden ist toll, nicht zu vergleichen mit den staatlichen Schulen. Die Kinder benehmen sich wie Kinder und nicht wie Tiere wie in den anderen Schulen. Ich nehme an den Elternveranstaltungen teil, weil ich gemerkt habe, wie viele positiven Veränderungen diese für die ganze Familie mit sich bringen.“

Viktoria Eze: "Ich bin heute schon seit 10 Uhr hier, weil die Einweihungsfeier ein so super Programm hat! Mein Sohn hat bereits seinen Schulabschluss. Ich habe noch ein Kind hier. Ich besuche hier selbst nachmittags verschiedene Seminare für Eltern und habe schon viel aus den Schulbüchern gelernt. Auch die Pünktlichkeit. Vielen Dank.“ Informa Ugnuoke: "Ich habe drei Kinder hier in der Schule. Ich finde diese Einrichtung toll , da die Kinder viel lernen. Besonders fällt mir auf, dass sich ihr Benehmen verbessert hat. Sie sind vor allem treu und ehrlich geworden. Ihre Dankbarkeit und Sauberkeit haben zugenommen. Ich bedanke mich bei Ihnen, dass sie alles dies ermöglicht haben.“

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