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3-D-Gesichtsrekonstruktion eines Mittelalter-Mönchs

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In einem großen Projekt haben Forscher auf Basis des ausgegrabenen Schädels das Gesicht eines verstorbenen Mönchs aus der Karolinger Zeit rekonstruiert - und anhand seiner Zähne herausgefunden, wie er gelebt hat.

Der 1999 von der Universität Bamberg  auf dem sogenannten Mönchfriedhofs des Klosters freigelegte Schädel stammt von einem ungefähr 35 bis 40 Jahre alten Mann. Das zugehörige Körperskelett konnte bei den Ausgrabungen nicht geborgen werden. Der Schädel ist bis auf den Verlust einiger Schneidezähne und eines Eckzahns sowie des rechten Jochbogens vollständig und sehr gut erhalten.

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Anhand von Proben aus dem Bereich der Zähne und der Schädelbasis wurde mithilfe der Strontium-Isotopen aus den Proben die geografische Herkunft des Mönchs bestimmt. Eine aDNA-Analyse zur Rekonstruktion des Aussehens bestimmt. Die 14C-Datierung ergab ein Alter von 1133 ±24 Jahren BP. Das heißt, der Mann hat im Zeitraum zwischen 888 und 966 n. Chr. gelebt.

Erkrankungen lassen sich ausschließlich im Kieferbereich feststellen. Neben einer Parodontitis, die als leichter Randwulst am Kieferknochen im Bereich der Backen- und Schneidezähnen des Unterkiefers sichtbar ist, bildete sich zusätzlich eine  an den Schneidezähnen Zahnstein. Im Oberkiefer waren jeweils der zweite Backenzahn rechts und der zweite Vorbackenzahn links von Karies befallen.

Während die Kariesläsion am Backenzahn relativ klein ist und nicht tief in den Zahn hineinreicht, ist die Krone des zweiten Vorbackenzahnes vollständig zerstört. An den vorhandenen Eckzähnen lassen sich zudem horizontal verlaufende Rillen im Zahnschmelz erkennen.

Diese Unregelmäßigkeiten sind bei der Bildung des Zahnschmelzes entstanden und lassen sich auf Wachstumsunregelmäßigkeiten - bedingt durch Nahrungsmangel, Fieber, Infektionskrankheiten und andere Krisensituationen - zurückführen. In diesem Fall geht man wegen ihrer Position davon aus, dass die Rillen im Alter zwischen eineinhalb und vier Jahren entstanden sind.

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Die Rekonstruktion

Als Grundlage für die Gesichtsrekonstruktion dient ein 3-D-Scan des Schädels. Anhand von forensischen Durchschnittswerten wurde die Stärke der Weichteilauflage (Muskeln, Bindegewebe und Haut) bestimmt. Diese Durchschnittswerte wurden dann an einigen anatomisch bestimmbaren Positionen - sogenannten Landmarks - als Abstandshalter in das Modell eingefügt. Anschließend wurde mit einer 3-D-Modelliertechnik die Oberfläche des Gesichtes erschlossen.

Markante Merkmale des Schädels, wie ausgeprägter Stirnwulst und Wangenknochen, zeichnen sich deutlich in der Rekonstruktion ab. Danach kommt eine weitere Modelliertechnik, das Skulpturieren, zum Einsatz. Hierbei wird das digitale Modell mit verschiedenen plastischen Werkzeugen bearbeitet. Im Grunde funktioniert dieser Prozess wie bei der Verwendung von Modelliermasse: Die Oberfläche wird dabei immer weiter verfeinert und mit den anthropologischen Erkenntnissen über Alter und Gesundheitszustand in Übereinstimmung gebracht.

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Erstellung eines möglichst lebensechten Abbildes eines Menschen ist das Einstellen der 3-D-Materialien. Die Oberfläche wird mit physikalischen Eigenschaften wie Reflektion oder Lichtdurchlässigkeit versehen. Neben den anatomischen Merkmalen prägen auch Kleidung und Haare das Erscheinungsbild des Menschen. Da es sich bei dem Toten wohl um einen benediktinischen Mönch handelt, ließ sich die Kleidung nach der Klosterregel des Heiligen Benedikt rekonstruieren.

Vom digitalen Modell zum Ausstellungsobjekt

Bei der angewendeten 3-D-Drucktechnik handelt es sich um ein Schichtaufbauverfahren mit speziellem Gipspulver. Im Bauraum wird die Trägerschicht nach und nach in dünnen Lagen zu einem 3-D-Objekt zusammengesetzt. Das überstehende Gipspulver wird mittels einer Walze über den gesamten Bauraum aufgetragen. An den Stellen, die später Bestandteil des Modells sind, wird ein Bindemittel injiziert und die Gipspartikel werden innerhalb einer Schicht und mit der darunterliegenden verklebt. Die Einspritzvorrichtung ähnelt der eines Tintenstrahldruckers. Das nicht verklebte Gipspulver dient als Stützstruktur für weitere Schichten.

Mit farbigem Binder lassen sich farbechte Objekte erstellen. Die Farbigkeit wird über einen Scan-Datensatz beziehungsweise ein digitales Modell vorgegeben. Am Ende des Druckvorgangs wird eine Trocknung durchgeführt und das lose Pulver abgesaugt. Durch eine Infiltrationslösung wird die Oberfläche versiegelt und die Farbintensität verstärkt.

Vom 19. März bis 14. Mai 2017 zeigt das Unesco-Weltkulturerbe Kloster Lorsch die Sonderausstellung „Begraben und Vergessen? Knochen erzählen Geschichte“, die auf der Grundlage neuer archäologisch-anthropologischer Untersuchungen erstmals die Menschen ni den Blick nimmt, die im Mittelalter in der bedeutenden Reichsabtei Karls des Großen lebten, arbeiteten und dort begraben wurden. Höhepunkt ist die 3-D-Gesichtsrekonstruktion eines Lorscher Mönchs aus der Hochphase des Klosters um 900.

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