Medizin

Ärzte sollen reden lernen

sg/dpa
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Selbstkritische Töne auf dem Deutschen Ärztetag: Wie Mediziner mit und über Patienten sprechen, muss besser werden. Zeitmangel ist keine Entschuldigung: Schlecht kommunizieren geht nicht schneller.

"Solche wie Sie haben wir hier alle fünf Jahre und ich kann Ihnen sagen: Keiner von denen hat überlebt." Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist bisweilen durchaus verbesserungsfähig. Beim Deutschen Ärztetag in Frankfurt sind sich die Mediziner dessen durchaus bewusst: "In der ärztlichen Kommunikation bestehen Defizite", sagt Prof. Ulrich Schwantes, der den oben zitierten Satz selbst von Kollegen gehört hat.  

11 Sekunden Redezeitfür den Patienten

Der Brandenburger Allgemeinmediziner hat ein paar Zahlen mit nach Frankfurt gebracht: Ärzte unterbrechen Studien zufolge ihre Patienten im Durchschnitt nach 11 bis 24 Sekunden. Sonst hört der ja nie auf, denke sich mancher Kollege. Ließe er der Patienten stattdessen ausreden, brauche dieser durchschnittlich 60 bis 100 Sekunden, um alles zu sagen, was ihm wichtig erscheint.

Nur gut jeder dritte Deutsche fühlt sich von seinem Arzt angemessen über Chancen, Risiken oder Behandlungsalternativen aufgeklärt, hatte erst kürzlich eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse (TK) ergeben. Lediglich 36 Prozent der 2001 Befragten gaben an, dass sie sich voll und ganz informiert fühlten, als sie sich das letzte Mal einer ernsteren medizinischen Behandlung unterziehen mussten. 

Keine Zeit ist kein Argument

Ein Faktor: Zeitmangel. "Wenn Sie gezwungen sind, schneller zu werden, können Sie die Behandlung nicht abkürzen, aber Sie können kürzer mit dem Patienten reden", argumentiert der Vizepräsident der Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB), Andreas Botzlar.

 "Da steht viel auf dem Spiel", sagt MB-Chef Rudolf Henke. "Zentral ist, dass wir Ärzte uns als Menschen nicht ersetzen lassen dürfen durch eine immer technisiertere und spezialisiertere Medizin." Seine Erfahrung: Schlecht kommunizieren geht auch nicht schneller.  

Nicht nur mit dem Patienten hapert es, auch die Kommunikation zwischen Medizinern "ist ein echtes Problem", findet Andreas Hellmann von der Landesärztekammer Bayern: "Die arbeitsteilige Behandlung von Patienten führt zu Kommunikationsbrüchen mit unabsehbaren Folgen für die Patientenversorgung."  

Toxische Mischung: Fachchinesisch und schlechte Deutschkenntnisse

Für den Präsidenten der Bundesärztekammer, Ulrich Montgomery, hat das Thema - neben der Kommunikation unter Kollegen und mit den Patienten - noch eine dritte Seite: die oft mangelhaften Deutschkenntnisse ausländischer Mediziner. Immer mehr Ärzte kommen aus dem Ausland, Ende vergangenen Jahres waren es fast 40.000. Allein im vergangenen Jahr wurden es zehn Prozent mehr. 

"Fachchinesisch und mangelnde Deutschkenntnisse. Daraus besteht die toxische Mischung, die viele Patienten Tag für Tag von der Ärzteschaft in Deutschland gereicht bekommen", schimpft Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. "Mittlerweile werden bundesweit Patientenseminare angeboten, damit die Betroffenen ihren Arzt verstehen. Das ist verkehrte Welt." 

"Was ist das für ein Schrott?"

Andersrum geht es auch: Auf dem Ärztetag, der heute endet, präsentierte sich eine Initiative, die medizinische Befunde kostenlos in laienverständliche Sprache übersetzt.www.washabich.de wurde 2011 an der Uni Dresden gegründet. Inzwischen haben die dort mitarbeitenden Studenten höherer Semester schon 20.000 Mal Ärztelatein in normales Deutsch übersetzt.

Gut zu kommunizieren könne man genauso lernen wie gut zu operieren, findet Schwantes. Kommunikation müsse endlich "zentraler Bestandteil in Aus-, Weiter- und Fortbildung werden". Aber das sei erst die Hälfte des Weges. Es gehe auch "um eine bestimmte Haltung: Respekt, Akzeptanz, Empathie".  

Dann kommt in Zukunft hoffentlich nicht mehr vor, was ein Berliner Notarzt dem Plenum berichtete: Als Rettungssanitäter einen schwer verletzten Patienten in die Klinik brachten, habe ein Arzt gesagt: "Was für einen Schrott bringt ihr uns schon wieder?" 

von Sandra Trauner, dpa

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