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Betreuungsgeld: Desinteresse sorgt erneut für Streit

sg/dpa
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Kritiker verspotten das Betreuungsgeld als "Herdprämie", Befürworter betonen die Wahlfreiheit für Familien. Doch die haben bislang wenig Interesse an der neuen Leistung.

Das bislang geringe Interesse am Betreuungsgeld hat den politischen Streit über die Familienleistung neu angefacht. Die Grünen kritisierten, das von der CSU durchgesetzte Instrument gehe an der Lebenswirklichkeit vorbei. Statt einer Prämie für die Erziehung daheim bräuchten Familien eine gute Infrastruktur, ausreichend Kitaplätze sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt der "Frankfurter Rundschau" (Montag). Die SPD hat bereits angekündigt, dass sie die Leistung im Falles eines Wahlsiegs wieder abschaffen will. 

Das Betreuungsgeld soll ab 1. August an Eltern gezahlt werden, die für ihre Kleinkinder weder einen Kita-Platz noch eine staatlich bezahlte Tagesmutter in Anspruch nehmen. Sie sollen monatlich zunächst 100 Euro, später 150 Euro erhalten. Das Interesse hält sich bisher aber vielerorts in Grenzen. Der "Spiegel" berichtet, in vielen Bundesländern seien erst wenige Anträge gestellt worden. 

"Boykott aus politischen Gründen"

Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) vermutet, dass einige Länder das Projekt aus politischen Gründen torpedieren. "Ich finde, es ist ein Skandal, dass manche Bundesländer aus Feindseligkeit gegen diese Familienleistung junge Eltern um das Betreuungsgeld bringen", sagte sie. Im übrigen hätten die Antragszahlen von August keinerlei Bedeutung, weil die meisten Familien erst ab Oktober leistungsberechtigt seien. 

Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär wies darauf hin, dass die gesetzlichen Voraussetzungen erst kurzfristig geschaffen worden seien und zudem noch nicht alle Kinder zwischen dem 15. und dem 36. Lebensmonat anspruchsberechtigt seien. "Wenn die ersten paar Monate herum sind, pendelt sich das ein und es wird mehr Anträge geben", sagte sie der "Frankfurter Rundschau". 

Betreuungsgeld ist "Ladenhüter"

Göring-Eckardt sprach dagegen von einem "Ladenhüter". Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte der "Passauer Neuen Presse", es sei offensichtlich, dass das Gesellschaftsbild und die Familienpolitik der CDU an der Wirklichkeit der Familien vorbeigehe. 

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) nannte das Betreuungsgeld ein integrationspolitisch falsches Signal, weil es den Anreiz setze, Kinder zu Hause zu betreuen. "Das gilt insbesondere für Menschen, deren Kinder eine außerhäusliche Betreuung besonders benötigen würden, etwa um gute Deutschkenntnisse zu erwerben", sagte die Vorsitzende Christine Langenfeld der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montag). 

Forderung nach mehr Teilzeitarbeit

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) kritisierte, dass der Wunsch nach Teilzeitbeschäftigung in der Arbeitswelt viel zu wenig berücksichtigt werde. "Dass man Frauen dahin drängen will, permanent Vollzeit berufstätig zu sein, haben wir vor allem bei den linken Parteien, also bei Rot-Rot-Grün", sagte sie der "Passauer Neuen Presse" (Montag). Aber auch die Tarifpartner seien voll auf die Vollzeiterwerbsbiographie ausgerichtet. Schröder bekräftigte ihre Forderung nach einem Rechtsanspruch auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit.

Gesetz tritt trotz Verfassungsklage in Kraft

Das Bundesverfassungsgericht wird vor Inkrafttreten des Gesetzes zum Betreuungsgeld am 1. August nicht mehr über eine Klage Hamburgs entscheiden. Das sei ausgeschlossen, sagte ein Gerichtssprecher in Karlsruhe am Donnerstag. "Wann darüber entschieden wird und auf welche Weise ist völlig offen."

Der Hamburger SPD-Senat hatte im Februar wegen juristischer und politischer Bedenken Klage eingereicht. Dem Bund fehle es an der notwendigen Gesetzgebungskompetenz, hatte Justizsenatorin Jana Schiedek damals erklärt. Zudem halte das Vorhaben Frauen davon ab, nach der Geburt eines Kindes wieder ins Berufsleben einzusteigen. 

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