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"Der Zahnarzt kann aufklären"

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Prof. Dr. Andrea Maria Schmidt-Westhausen vom Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Charité erklärt, wie Zahnärzte am besten mit alkoholkranken Patienten umgehen und was sie beachten müssen.

zm-online: Welche Auswirkungen hat Alkoholmissbrauch auf die Mundgesundheit?

Schmidt-Westhausen:Wer regelmäßig mehr als 50 Gramm Alkohol pro Tag konsumiert (das entspricht einem halben Liter Wein oder einem Liter Bier), erhöht sein Risiko für die Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms um das 5,3-Fache. Werden sowohl Alkohol als auch Tabak konsumiert, verstärken beide Produkte gegenseitig ihr karzinogenes Potenzial. Dieser Synergieeffekt kann auch dadurch entstehen, dass sowohl Alkohol- als auch Tabakkonsum die Bildung von Acetaldehyd durch Bakterien aus dem Alkohol im Speichel fördern.

Was muss ein Zahnarzt bei der Behandlung alkoholkranker Patienten beachten?

Bei Patienten mit fortgeschrittener Leberschädigung muss bei der Lokalanästhesie auf ein Präparat zurückgegriffen werden, das nicht oder nur zum Teil über die Leber metabolisiert wird, um Lokalanästhesie-Intoxikationen zu vermeiden. Hier stehen Esterverbindungen (zum Beispiel Procain, cave: Paragruppenallergie) beziehungsweise Articain-Präparate zur Verfügung.

Vorsicht ist bei der Gabe von weiteren Medikamenten, die vorwiegend in der Leber abgebaut werden, geboten (Analgetika wie ASS, Paracetamol, Kodein; Sedativa: Diazepam; Antibiotika: Ampicillin, Tetrazykline). Diese sollten in reduzierter Dosis verordnet werden, gegebenenfalls sollte ganz auf ihre Anwendung verzichtet werden.

Weiterhin muss daran gedacht werden, dass bei einer fortgeschrittenen Lebererkrankung Blutgerinnungsstörungen Bedeutung erlangen. Ursache einer hämorrhagischen Diathese ist zu einem gewissen Teil ein Mangel an Gerinnungsfaktoren, besonders des Prothrombinkomplexes (Faktor II, VII, IX, X). Die Synthese dieser Faktoren ist Vitamin-K-abhängig. Außerdem können infolge des durch die portale Hypertension auftretenden Hypersplenismus eine Thrombozytopenie und eine beschleunigte Fibrinolyse entstehen.

Gibt es in der Zahnmedizin spezielle Interventionsansätze für diese Patienten?

Zurzeit existieren noch keine speziellen Programme für alkoholabhängige Patienten, doch sollten Zahnärzte die Chance ergreifen, nicht nur bei Tabakmissbrauch sondern auch bei Alkoholmissbrauch präventiv einzugreifen. Wie kann der Zahnarzt seinen Patienten auf das Alkoholproblem ansprechen?

Zahnärzte sind in einer guten Position, um Patienten auf ihre Trinkgewohnheiten anzusprechen, da die Mundhöhle der Diagnostik leicht zugänglich ist. So kann der Zahnarzt den Patienten darüber aufklären, was für Folgen der Alkoholmissbrauch auf die Mukosa hat und das Risiko einer Transformation in ein Mundhöhlen-, Larynx- und Ösophaguskarzinom ansprechen. Dem Patienten sollte geraten werden, das Problem darüber hinaus mit seinem Hausarzt zu besprechen, der Kontakte zu einem professionellen Suchtberater herstellen kann. In jedem Fall muss der Patient professionell betreut werden. Der Zahnarzt kann hierzu jedoch einen Anstoß geben.

Literatur: Ritchie L (2012). Dentists can help detect alcohol misuse, say surgeons. BMJ (Clinical research ed 344: e2609.

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