Interview

"Frauen haben mehr Angst vor der Endo"

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Muss man als Zahnarzt die Therapie individuell auf den Mann oder die Frau abstimmen? Unbedingt, sagt Dr. Theresia Janke. Die Zahnärztin wurde gerade vom Verband Gender Dentistry International für ihre Arbeit über "Endodontie und Geschlecht" ausgezeichnet.

Frau Dr. Janke, hat das Thema Sie gefunden oder haben Sie das Thema gefunden - wie ist es richtig?

Dr. Theresia Janke:Eigentlich haben wir uns gegenseitig gefunden. Ich habe eine Möglichkeit zur Promotion gesucht, Prof. Hülsmann hatte die Idee für diese Studie und hat eine Doktorandin gesucht, die sich mit dieser Thematik beschäftigen möchte und daran Interesse hat.

Wie sinnvoll ist aus Ihrer Sicht Gender Dentistry?

Gender Dentistry ist durchaus ein interessanter Aspekt, denn jeder Mensch ist einzigartig und hat im Vergleich zu anderen viele Unterschiede, wobei das Geschlecht nur ein Punkt ist. Wenn es also diesbezüglich Differenzen im Erfolg bestimmter Therapien gibt, und/oder ein geschlechterspezifisches Vorgehen sinnvoll ist, finde ich es wichtig, diese als Zahnärztin zu kennen.

Viele vorhandene Studien untersuchten diese Unterschiede bislang nicht gezielt, oft nur als Nebenbefund und ohne die klinische Bedeutung oder Erklärung zu erkennen oder zu finden. Ich würde mir für die Zukunft genauere Erkenntnisse in der Forschung wünschen, um als behandelnde Zahnärztin individuell meine Therapie auf den Mann oder die Frau abstimmen zu können.

Sie haben sich mit den "Besonderheiten der endodontischen Behandlung von Frauen" befasst - mit welchen konkreten Ergebnissen?

Ich habe eine Analyse der bereits vorhandenen Literatur durchgeführt, welche zeigt, dass die meisten Aspekte der Endodontie bislang nicht ausreichend auf geschlechterspezifische Differenzen durchleuchtet wurden. Es liegen Hinweise vor, dass es solche Unterschiede gibt, aber die jeweilige klinische Relevanz bedarf künftig noch genauerer Abklärung.

Ein Punkt ist allerdings genau nachgewiesen: Frauen geben öfter als Männer an, Angst vor der zahnärztlichen und auch endodontischen Behandlung zu haben. Auch Unterschiede im Knochenstoffwechsel, Stichwort Bisphosphonate, spielen eine Rolle, ebenso natürlich der Aspekt der endodontischen Behandlung während der Schwangerschaft.

Wie viele Studien gibt es denn zu dieser Thematik?

Das kann ich Ihnen nicht mit einer genauen Zahl beantworten. Ich habe mich mit den Studien von Januar 2002 bis Dezember 2014 des Journal of Endodontics und des International Endodontic Journals beschäftigt, welche in dieser Zeit eine Gesamtzahl von 913 klinischen Studien publiziert haben, wovon 114 Studien die Ergebnisse nach Geschlecht aufschlüsselten. Das Geschlecht der Probanden wurde fast ausschließlich „nebenbei“ registriert und selten gezielt untersucht, da Geschlechterunterschieden in der Endodontie bislang kaum Bedeutung beigemessen wurde. Studien, die gezielt nach geschlechterspezifischen Differenzen in der Endodontie suchen, können Sie an einer Hand abzählen.

Welche Hinweise würden Sie für eine geschlechtersensible endodontische Therapie geben?

Der Geschlechteraspekt in der Endodontie ist noch lange nicht vollständig erforscht, dies gilt unter anderem für genetische und biologische (hormonelle) Gesichtspunkte, und es wird sicher noch viele Jahre und viele Studien in die unterschiedlichsten Richtungen benötigen. Meine Arbeit hat vor allem aufgedeckt, wo es überall mögliche Unterschiede geben kann und dass sich bislang kaum damit befasst wurde.

Für eine erfolgreiche Therapie, vor allem im Hinblick auf Schmerzverhalten oder Anatomie, Physiologie, Diagnostik, Anästhesie und Prognose wäre es für jeden Zahnarzt sinnvoll, den Patienten oder die Patientin genau zu kennen, um sie oder ihn entsprechend individuell therapieren zu können.

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 Hintergrund

Auf der Mitgliederversammlung 2016 des Gender Dentistry International e.V. am Rande des Zahnärztetags in Frankfurt wurden am 11. November erstmals die beiden neu geschaffenen Wissenschaftspreise des GDI e.V. verliehen.

Die Fachgesellschaft verleiht bewusst zwei Auszeichnungen: den mit 2.000 Euro dotierten „Nolting Award for Studies in Gender Dentistry“, der sich an die jungen Kollegen richtet, und den „GDI Award for Excellence in Gender Dentistry“ als Ehrung erfahrener Wissenschaftler und Hochschullehrer für Forschung im Bereich der geschlechterspezifischen Zahnheilkunde.

Für Ihre Promotionsarbeit „Endodontie und Geschlecht –-Besonderheiten der endodontischen Behandlung von Frauen“ wurde Dr. Theresia Janke mit dem „Nolting Award for Studies in Gender Dentistry“ ausgezeichnet - "eine Pionierarbeit hinsichtlich des möglichen Bedarfs nach differenzierender Betrachtungsweise im Bereich der Wurzelkanalbehandlung", wie Laudator Noltung betonte.

Mit dem „GDI Award for Excellence in Gender Dentistry“ für wegweisende Beachtung von Gender Dentistry-Aspekten in Forschung, Lehre und Publikation wurde Prof. Dr. Michael Hülsmann (Universität Göttingen), der Doktorvater von Dr. Theresia Janke, geehrt.

„Jeder junge Forscher braucht eine führende Hand, einen Mentor, der ihn durch die Wirren und Schwierigkeiten der ersten Forschungsschritte leitet“, sagte Nolting, GDI-Vizepräsident und Preisstifter, in seiner Laudatio. Ein Mentor müsse auch Visionär sein, der die Bedeutung eines Themas erkennt. „Wir zeichnen mit dem Preis nicht zuletzt auch den Mut aus, sich einem Forschungsaspekt zu stellen, der mit dem Begriff ‚Gender’ - trotz aller Relevanz für Prävention und Therapie - in manchen Kreisen noch Vorbehalte weckt.“

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