Entwurf zur Reform der Notfallversorgung

Leitstellen sollen rund um die Uhr erreichbar sein

pr/pm
Nachrichten
Er ist zwar noch nicht mit dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn abgestimmt, wird aber bereits öffentlich heiß diskutiert: Ein Entwurf zur Reform der Notfallversorgung. Geplant sind Leitstellen, die 24 Stunden erreichbar sind.

Die Fachebene des Bundesgesundheitsministeriums für Gesundheit hat einen Gesetzesentwurf zur Reform der Notfallversorgung erarbeitet. Er sieht vor, dass die bisher getrennten sektoralen Bereiche der ambulanten, stationären und rettungsdienstlichen Notfallversorgung ausgebaut werden. Es sollen gemeinsame Notfallleitstellen geschaffen werden. Der Rettungsdienst 112 und der KV-Bereitschaftsdienst 116 117 arbeiten dabei zusammen und sind jeden Tag rund um die Uhr erreichbar. Patienten sollen so besser durch die Notfallversorgungsstrukturen gesteuert werden. Der Entwurf ist noch nicht mit Spahn abgestimmt.

Geplant sind vier Kernpunkte:

  • Gemeinsame Notfallleitstellen (GNL):

Sie sollen die zentrale Lotsenfunktion übernehmen und jederzeit erreichbare telefonischer Ansprechpartner sein. GNL werden von den Ländern unter Beteiligung der KVen durch verbindliche Zusammenarbeit der 112 und 116 117 geschaffen. Im Vordergrund steht ein gemeinsames Verständnis zur Einschätzung der Dringlichkeit des Versorgungsbedarfs.

  • Integrierte Notfallzentren (INZ):

INZ werden eingerichtet, um eine qualifizierte Ersteinschätzung vorzunehmen. Nach Eintreffen des Hilfesuchenden sollen sie eine qualifizierte Ersteinschätzung des Versorgungsbedarfs leisten, vor Ort eine Notfallversorgung erbringen oder eine stationäre Versorgung veranlassen. INZ sollen von den KVen (Kassenärztlichen Vereinigungen) und den Krankenhäusern gemeinsam betrieben werden. Die Festlegung der Standorte für die INZ erfolgt durch die Länder im Rahmen der Krankenhausplanung, Portalpraxen und Notfallambulanzen der Krankenhäuser sollen sukzessive in die INZ überführt werden.

  • Rettungsdienst als Leistungsbereich der GKV (gesetzliche Krankenversicherung):

Der Rettungsdienst soll – neben der ambulanten und stationären Versorgung ein eigenständiger Leistungsbereich im SGB V werden. Versicherte haben Anspruch auf diese Leistungen.

  • Ausweitung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes:

Es soll bundesweite Rahmenvorgaben geben; die Finanzierung zwischen Bund und Ländern soll neu geregelt werden.

Orientierung am Sachverständigenrat Gesundheit von 2018

Der Diskussionsentwurf orientiert sich weitgehend an Vorschlägen, die das Gutachten des Sachverständigenrats Gesundheit 2018 zur Weiterentwicklung der Notfallversorgung in Deutschland vorgelegt hatte. Auch aus der KBV und dem Marburger Bund gab es bereits ähnliche Vorschläge.

Nach Bekanntwerden der Pläne aus dem Ministerium schalteten sich die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und die Deutsche Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) in die Diskussion ein. Sie verlangten höhere Mindeststandards für Vertragsärzte als von KBV und Marburger Bund empfohlen. Außerdem forderten sie klare Qualitätsstandards für die dort tätigen Fachkräfte. Fachärzte müssten Erfahrung in der Notaufnahme eines Krankenhauses erwerben.

Mit einer sehr hohen Messlatte für die Auswahl des medizinischen Personals schießen die Fachgesellschaften aber über das Ziel hinaus, zeigte sich Dr. Andreas Gassen überzeugt, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

Gassen: "Die beiden Fachgesellschaften verkennen, worum es bei den INZ vor allem geht: Um eine Ersteinschätzung der dort auflaufenden Patienten, welcher Art von medizinischer Hilfe sie bedürfen. Aller Erfahrung nach handelt es sich dabei vor allem um Menschen, die zwar einen akuten Versorgungsbedarf haben, aber keiner lebensrettenden oder intensivmedizinischen Sofortmaßnahmen bedürfen. Wir reden hier deshalb ausdrücklich nicht von Patienten, die mit Blaulicht eintreffen und etwa in einem Schockraum oder einer Stroke Unit behandelt werden müssen."

Weiter kommentierte Gassen: „Die Kassenärztlichen Vereinigungen bauen mit großen Anstrengungen die derzeitige Bereitschaftsdienstnummer 116117 zu einer umfassenden Nummer aus, unter der spätestens ab Beginn des nächsten Jahres sowohl Terminvermittlungen als auch Ersteinschätzungsverfahren stattfinden können – alles mit dem Ziel, die Notaufnahmen in den Krankenhäusern zu entlasten. Bereits heute betreiben die KVen an Krankenhäusern über 600 Bereitschaftsdienst- oder Portalpraxen. Diese Strukturen gilt es sinnvoll zu integrieren. Ein dritter neuer Sektor wäre dafür der falsche Ansatz. Vielmehr gilt es, vorhandene und bewährte Strukturen zu bündeln. Eins ist natürlich auch klar: Neue Ärzte gibt es dadurch nicht.“

Auch die Bundesärztekammer meldete sich zu Wort und begrüßte, dass mit dem Diskussionsentwurf konkrete Schritte zur längst überfälligen Reform der Notfallversorgung aufgezeigt werden. Die INZ unterstützen den dringend notwendigen Ausbau der Kooperation aller Beteiligten, betonte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt dazu. Reinhardt: „Insbesondere die geplante, strukturierte Zuordnung des Patienten zu der jeweilig erforderlichen Behandlungsebene bietet eine Chance, die patientenindividuelle Behandlung zu optimieren, Notfallambulanzen zu entlasten und Wartezeiten zu reduzieren.“ Hierbei gelte es allerdings, ausreichend Spielraum zur Integration gewachsener Strukturen wie den bereits bundesweit etablierten 771 Notfall- und Portalpraxen und weiterer regionaler Besonderheiten zu gewährleisten.

Über den Diskussionsentwurf soll am 14.8.2019 eine Abstimmung mit den Ländern erfolgen, denen der Text bereits übersandt wurde.

Quelle: BMG, KBV

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