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Das Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem (afgis) feierte sein zehnjähriges Bestehen in den Räumen der Bundeszahnärztekammer in Berlin. Ein Interview mit dem afgis-Vorsitzenden Raimund Dehmlow..

DasAktionsforum afgisist ein bundesweiter Zusammenschluss von Verbänden, Unternehmen und einzelnen Menschen, der sich als Qualitäts- und Qualifizierungsnetzwerk versteht. Ursprünglich vom Bundesgesundheitsministerium initiiert, entwickelt und fördert afgis qualitätsgesicherte und nutzergerechte Standards in allen Bereichen der Vermittlung von Gesundheitsinformationen im Internet. Es beschreibt sich als Qualitäts- und Qualifizierungsnetzwerk mit fest umrissenen Aufgaben.

Das von afgis vergebene Qualitätslogo kennzeichnet darüber hinaus Internetangebote, die qualitativ hochwertige Gesundheitsinformationen bereithalten. Auch die Website der BZÄK besitzt das Prüfsiegel. zm-online befragte anlässlich des zehnjährigen Bestehens den afgis-Vorsitzenden Raimund Dehmlow. Dehmlow ist auch Leiter der Online-Redaktion der Ärztekammer Niedersachsen.

zm-online: Welche Schwachstellen gibt es aus Sicht von afgis im Bereich der Gesundheitsinformationssysteme?

Dehmlow: Entscheidende Schwachstelle dürfte sein, dass es keine verbindlichen Standards für Gesundheitsinformationen im Internet gibt. Gerade durch die Initiative von afgis gibt es eine Reihe von Kriterien, die als allgemein anerkannt gelten können. Dies heißt allerdings nicht automatisch, dass sie auch umfassend von Anbietern umgesetzt werden. Sie können dies sinnfällig nachvollziehen, wenn Sie die afgis-Transparenzkriterien recherchieren: Sie werden eine Unmenge von Anbietern finden, die sich positiv gegenüber diesen Kriterien positionieren.

Wenn Sie dann auf die aktuelle Liste der Logoträger schauen, werden Sie feststellen, dass nur ein Bruchteil dieser Anbieter dort vertreten ist. Betrachten Sie diese Frage einmal aus der Sicht der Anwender, so werden Sie finden, dass viele die Kriterien intuitiv bei Ihrer Recherche im Internet beherzigen: Sie schauen ins Impressum der Seiten, darauf, wann die betreffende Information bereitgestellt wurde und welche Quellen verwendet wurden. Das ist eine sehr positive Entwicklung, die uns sehr entgegen kommt.

Was hat afgis in den vergangenen zehn Jahren erreicht?

Wir sind mit der aktuellen Entwicklung sehr zufrieden: Uns ging es ja vor allem darum, einen "Goldstandard" für Webangebote mit großer Reichweite, also solchen, die von jedem aufgesucht werden, zu etablieren. Und damit sind wir in der zurückliegenden Zeit gut vorangekommen. Besonders in der letzten Zeit werden wir stärker angefragt im Bereich der Anbieter von Websites mit sehr speziellen Angeboten, zum Beispiel aus der Selbsthilfe wie auch aus dem deutschsprachigen Ausland.

Eine Referentin hat in ihrem Redebeitrag bei der afgis-Festveranstaltung folgendes gesagt: "Eine große Gefahr bei der Diskussion um 'gute' Gesundheitsinformation ist es, in Zensur abzugleiten: Mit den besten Absichten werden Gütekriterien entwickelt, die auf einen hohen wissenschaftlichen Evidenzgrad setzen. Doch diese lassen sich dann auf viele Beispiele gar nicht anwenden, etwa auf Informationen der Selbsthilfe. Gerade die persönliche Erfahrung anderer hat aber einen hohen Stellenwert und eine andere Funktion als evidenzbasiertes Faktenwissen. Diese Gefahr hat afgis vermieden: Durch die Einbeziehung vieler verschiedener Interessenvertreter bei der Entwicklung des Qualitätsprüfungsverfahrens und die Konzentration auf Transparenz als wichtigstes Gütemerkmal."' Dem kann ich mich nur anschließen.

Warum hat das Jubiläum in den Räumen der BZÄK stattgefunden?

"'Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?", fragt Bertolt Brecht im 'Lob der Dialektik' und an der Erkenntnis, die uns als afgis e.V. umtreibt, war die Bundeszahnärztekammer maßgeblich beteiligt. Ich erinnere mich noch gut an das Statement von Prof. Oesterreich, der beim 1. afgis-Kongress 1999 davon sprach, dass der Ausgangspunkt für die Bemühungen um Transparenz im Web "der mündige Bürger ist". Wohlgemerkt nicht das Ziel, sondern der Ausgangspunkt.

Das war eine sehr klare, programmatische Aussage, von der man meinen könnte, sie hätte uns bei der Gestaltung unseres Qualitätsprüfungsverfahrens geleitet. Die Bundeszahnärztekammer ist als einzige ärztliche Körperschaft von Beginn an afgis-Mitglied aus Überzeugung und hat getreu dem oben beschriebenen Grundsatz ihr Webangebot nicht nur beharrlich optimiert, sondern auch kontinuierlich und erfolgreich unserem Prüfverfahren unterworfen."

Wie viele Internetangebote tragen bisher das afgis-Qualitätslogo?

Wir vergeben unser Logo für einen bestimmten Zeitraum, nämlich für ein Jahr. Danach muss es neu beantragt und der Prüfprozess - den wir kontinuierlich aktuellen Entwicklungen anpassen und optimieren - durchlaufen werden, auch Prüfgebühren fallen erneut an.

Aktuell gibt es30 Anbieter, die das Logo tragen mit einer zum Teil eminent großen Reichweite. Sie müssen sich vorstellen, dass mit dem Aufruf einer Seite des Angebots einer dieser Logoträger jeweils das afgis-Logo aufgerufen wird. Das sind Millionen Aufrufe pro Monat und auf jeder dieser Seiten gelange ich per Klick auf das Logo in unsere Datenbank und habe als Besucher Zugriff auf die dort über den Anbieter hinterlegten Hintergrundinformationen.

Um auch gleich an dieser Stelle noch etwas zu den Hemmnissen auf dem Weg zu einer Erhöhung der Seiten, die von uns zertifiziert worden sind, zu sagen: Womöglich liegt es daran, dass nicht wirklich klar ist, dass Qualität im Internet - und folglich auch eine Qualitätsprüfung - ihren Preis hat und dass bei öffentlich-rechtlichen Einrichtungen die Auffassung verbreitet ist, dass die eigenen Webangebote per se transparent, barrierefrei, benutzerfreundlich seien. Was dazu führt, dass die Qualitätsprüfung von Gesundheitsinformationen im Web noch nicht den Stellenwert hat, der wünschenswert wäre.

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