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Nein zur Entmündigung der Selbstverwaltung!

sg/pm
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Die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) wehrt sich gegen Pläne der Bundesregierung für ein sogenanntes GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz.

Das oberste Entscheidungsgremium der Vertragszahnärzteschaft erarbeitete am Freitag eine Resolution, mit der der Gesetzgeber aufgefordert wird, auf die bislang bekannt gewordenen Maßnahmen im parlamentarischen Verfahren zu verzichten.

Rechtsaufsicht mutiert zur Fachaufsicht

„Die Umsetzung müsste als Frontalangriff auf die gemeinsame Selbstverwaltung verstanden werden! Das Gesundheitssystem wie wir es kennen, würde völlig ausgehöhlt und in seiner Grundsubstanz geändert. Gestaltungsmöglichkeiten der Selbstverwaltung würden massiv eingeschränkt und durch sinnfreie Bürokratie behindert“, sagte Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstandes der KZBV.

Ein solches „System des Misstrauens und überbordender Kontrolle“ lehne er ab. „Eine Folge wäre ansonsten die Lähmung der betroffenen Körperschaften. Und das geht letztlich zu Lasten der Versorgung. Dass wir heute von einem der besten Gesundheitssysteme der Welt sprechen, ist auf die staatsferne Entscheidungsfindung in der Selbstverwaltung und ein freiberuflich geprägtes Versorgungssystem zurückzuführen. Staatsnahe Gesundheitssysteme – dies zeigt ein Blick in unsere Nachbarländer – schneiden in der Patientenversorgung schlechter ab.“

Größerer staatlicher Einfluss

Den Plänen zufolge sollen Körperschaften deutlich enger an Weisungen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) gebunden werden. „Damit mutiert die Rechts- zur Fachaufsicht! In Grundsatzfragen müssen wir aber weiter autonom entscheiden können – ohne permanente Bevormundung. Andernfalls bleibt von der Selbstverwaltung bestenfalls noch eine Verwaltung übrig“, sagte Eßer. „Deren Aufgabe könnte der Staat dann mit einer Bundesbehörde auch gleich selbst übernehmen.“

Eßer forderte die Politik mit Nachdruck auf, der Selbstverwaltungsautonomie Vorrang einzuräumen. „Anders können wir unsere gesetzlichen Aufgaben nicht sachgerecht und praktikabel erfüllen.“

Hecken: Kind nicht mit dem Bade ausschütten!

Auch der unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Prof. Josef Hecken, positionierte sich als Gastredner eindeutig: „Die Möglichkeiten der Kontrolle von Angelegenheiten der Selbstverwaltung sind bereits heute sehr weitgehend – wenn sie denn konsequent umgesetzt werden. Selbstbereicherung, Misswirtschaft oder Veruntreuung können so effektiv aufgedeckt und bestraft werden, wenn die Aufsicht die vorhandenen Möglichkeiten konsequent nutzt."

Hecken appellierte an alle Verantwortlichen in der Politik, wegen möglicher Verfehlungen Einzelner die Selbstverwaltung nicht insgesamt zu diskreditieren und so das Kind mit dem Bade auszuschütten. "Das wäre ein fataler Irrweg, denn seit 1913 haben sich Selbstverwaltung und gemeinsame Selbstverwaltung bei der Regelung von Versorgungsinhalten und vielen anderen wichtigen Aufgabenstellungen immer wieder bewährt."

Kernbereich der Selbstverwaltung berührt

Selbstverwaltung garantiere evidenzbasierte und patientenorientierte Sachentscheidungen. Selbstverwaltung lebe von Staatsferne und eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung. Dieser Rubikon dürfe nicht überschritten werden. Deshalb sei es wichtig, dass das Haushaltsrecht unangetastet bleibt, "denn dieses Recht gehört zum Kernbereich der Selbstverwaltung", so Hecken

Genauso wichtig sei es, dass es keine Einzelfallweisungen in fachlichen Selbstverwaltungsangelegenheiten geben könne und dürfe, denn hierdurch werde die Grenze einer maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht eindeutig überschritten, dies sei Fachaufsicht. Hecken: "Schließlich ist es ganz wichtig, dass Funktion und Stellung des Vorsitzenden der Vertreterversammlungen nicht durch die Einführung niedrigschwelliger Abwahlmöglichkeiten destabilisiert wird, weil eine sachgerechte Ausübung dieser zentralen Aufgabe sonst nicht mehr möglich wäre.“

Hintergrund: Die Pläne des BMG

Das BMG beabsichtigt mit einem GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz, die Rechtsaufsicht über die Spitzenorganisationen der Gesetzlichen Krankenversicherung – die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die KZBV, den GKV-Spitzenverband, den G-BA sowie den Medizinischen Dienst – erheblich zu erweitern. In der Diskussion sind unter anderem engere Vorgaben zu Vermögensanlagen und Betriebsmitteln, erweiterte Prüf- und Mitteilungspflichten sowie verschärfte Kontrollrechte.

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