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Prophylaxe in der Kita

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Ab August haben Eltern kleiner Kinder einen Anspruch auf einen Kita-Platz. Wie wirkt sich das auf die Gruppenprophylaxe aus? Ein Interview mit der Geschäftsführerin der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ), Bettina Berg.

zm-online: Frau Berg,in welchem Ausmaß beeinflusst der gesetzliche Kita-Anspruch für Kinder ab dem ersten Lebensjahr die Arbeit der Gruppenprophylaxe?

Bettina Berg:Zunächst einmal ist dazu zu sagen, dass der mit dem gesetzlichen Anspruch bundesweit verbundene massive Ausbau der Betreuungskapazitäten für Kleinkinder eine großartige Chance für die Anliegen der Gruppenprophylaxe ist: Aus Studien der letzten Jahre wissen wir, dass ein größerer Teil der kariösen Defekte, die zum Zeitpunkt der Einschulung vorhanden sind, bereits in den ersten drei Lebensjahren entsteht. Die Gruppenprophylaxe im traditionellen Kindergarten für Drei- bis Sechsjährige setzte für diese Gruppe also zu spät ein.

Wenn nun im Bundesdurchschnitt knapp 40 Prozent der ein- und zweijährigen Kinder in Gruppen betreut werden und diese Zahl in den nächsten Jahren weiter steigen wird, können wir sie - beziehungsweise ihre Eltern und Bezugspersonen - in der Kita auch prinzipiell erreichen.

Die DAJ hat mit ihren im Sommer 2012 veröffentlichten Empfehlung "Frühkindliche Karies: Zentrale Inhalte der Gruppenprophylaxe für unter Dreijährige“ eine Grundlage für den Ausbau der gruppenprophylaktischen Maßnahmen für diese Altersgruppe geschaffen, die sich bei den beteiligten Akteuren bundesweit breiter Akzeptanz erfreut. 

Wesentliche Inhalte sind Kernbotschaften für die Elternarbeit und die Gestaltung eines mundgesundheitsförderlichen Kita-Alltags. Viele Landesarbeitsgemeinschaften für Jugendzahnpflege hatten bereits vorher Konzepte für die Gruppe der Kleinsten entwickelt, vielerorts hat aber auch die gemeinsame Grundlage nun Impulse verstärkt und weitere Maßnahmen angeregt.

Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass Mundgesundheitsförderung im Setting "Kita" nur dort einen sicheren und guten Platz hat, wo die Betreuungsqualität stimmt. Diese wiederum hängt - nicht nur, aber auch - an vorhandenen Ressourcen: gut ausgebildetes pädagogisches Personal, akzeptable Gruppengrößen, gut ausgestattete Räume.

Die öffentliche Diskussion derzeit zeigt, dass in den nächsten Jahren die Betreuungsqualität ein Thema bleiben wird. Also im Kern die Frage, wie die Betreuung gestaltet sein muss, damit die Kinder sich von Anfang an gut und gesund entwickeln. Wir müssen auf allen Ebenen immer wieder deutlich machen, dass die Mundgesundheit hier ein wichtiger Baustein ist. Und auch, dass die Gruppenprophylaxe in ihrer Vielfalt einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsbildung in die Kita einbringt und zur Betreuungsqualität beiträgt.

Wie ist die Situation in den einzelnen Ländern? 

In der Tat bestehen große Unterschiede: In den neuen Bundesländern werden bereits heute zwischen 70 Prozent (Sachsen) und 87 Prozent (Sachsen-Anhalt) der Kleinkinder in Kitas betreut, die Flächenländer im Westen liegen zwischen 30 und 43 Prozent. Hinzu kommt hier das enorme Stadt-Land-Gefälle: In vielen westdeutschen Großstädten liegt die Betreuungsquote zwar bereits weit über Landesdurchschnitt, dennoch ist der Platzbedarf noch nicht gedeckt. Die Chancen und Möglichkeiten für Kleinkinder, von den Angebote der Gruppenprophylaxe zu profitieren, sind also noch sehr ungleich verteilt.

Der Erfahrungsaustausch in der DAJ hat deutlich gemacht, dass die Umsetzung der Gruppenprophylaxe für die Kleinsten prinzipiell dort leichter zu verwirklichen ist, wo die Einrichtungen nicht so sehr unter Druck stehen durch die Schaffung neuer Betreuungsplätze. Sehr wesentlich ist aber immer wieder von Neuem die Überzeugungsarbeit vor Ort: Die Mitarbeiter der regionalen Arbeitskreise für Jugendzahnpflege müssen die Kita-Leiterinnen vor Ort für die Sache der Gruppenprophylaxe gewinnen.  

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen?

Großartig ist, dass der Ausbau der Betreuung für die Kleinsten uns die Möglichkeit eröffnet, mehr (mund)gesundheitliche Chancengleichheit zu verwirklichen. Das wird aber nicht quasi automatisch geschehen, denn Kleinkinder können ja noch nicht in dem Maße selbst kognitiv angesprochen werden wie Vorschulkinder.  

Wir müssen noch mehr Wissen aus der Pädagogik der frühen Kindheit generieren und in gruppenprophylaktische Konzepte umsetzen. Vor allem aber müssen wir früh die Eltern erreichen und unterstützen; insbesondere diejenigen, die nicht leicht erreichbar sind, weil sie vielfältige Probleme zu bewältigen haben. Hier gibt es zahlreiche positive Erfahrungen vor Ort, die wir auch für andere weitergeben wollen.

Die DAJ bietet auf ihrer Homepage übrigens einen„Markt der Möglichkeiten“, der speziell zur Verbreitung von Modellen guter Praxis für die jüngste Altersgruppe eingerichtet ist. Hier kann man sich Anregungen holen, aber auch eigene Erfahrungen teilen und weitergeben.

Und schließlich besteht eine wesentliche Herausforderung darin, die Betreuungseinrichtungen für die mundgesundheitsförderliche Gestaltung des Kita-Alltags zu gewinnen, insbesondere für das selbstverständliche tägliche Zähneputzen. Davon profitieren alle Kinder gleichermaßen, unabhängig vom Elternhaus.

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