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Psychiater fordern Gesetzesregelung zu Zwangsbehandlung

eb/dpa
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Dürfen psychisch Kranke in einer akuten Krise gegen ihren Willen behandelt werden? Nein, sagen Betroffene. Unter bestimmten Umständen ja, sagen Ärzte.

Ärzte fordern für die Behandlung von Menschen mit akuten psychischen Erkrankungen dringend neue gesetzliche Regelungen. Nachdem UN-Behindertenkonvention und Gerichtsurteile die Selbstbestimmungsrechte der Betroffenen gestärkt hätten, gebe es eine erhebliche Rechtsunsicherheit bei der Klinik-Unterbringung und Zwangsbehandlung akut Erkrankter.

"Bei ärztlichen Entscheidungen sind wir im Dilemma zwischen einer als Körperverletzung gewerteten Zwangsbehandlung und unterlassener Hilfeleistung", beklagte Prof. Peter Falkai, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), am Donnerstag in Berlin. 

Zehn Prozent bekommen gegen ihren Willen Medikamente

Bei etwa zehn Prozent der rund 1,2 Millionen Menschen, die 2009 in der Psychiatrie insgesamt stationär behandelt wurden, handelte es sich um sogenannte Unterbringungen - also Einweisungen in einer akuten Krisensituation. Das Gros dieser Menschen willigte in eine medizinische Behandlung ein, aber etwa zehn Prozent bekamen gegen ihren Willen Medikamente.

Das ist seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Sommer nicht mehr möglich. Betroffene müssten akute Psychosen oder Wahnphasen seitdem unter Umständen allein durch Isolation und Fixierung durchstehen, berichtete der Facharzt. "Wir begrüßen ausdrücklich die Stärkung der Selbstbestimmungsrechte psychisch kranker Menschen", betonte Falkai.

Rate der Zwangseinweisungen in Schleswig-Holstein fünfmal so hoch wie in Brandenburg

Doch für Krisenfälle, in denen der Patient nicht einwilligungsfähig sei, solle via Gesetz eine mehrstufige Behandlungsstrategie möglich sein, die als letzte Option auch eine Zwangsbehandlung erlaube. Derzeit sei die rechtliche Situation aber so unklar, dass sie zudem in allen Bundesländern unterschiedlich ausgelegt werde. So ist die Rate der Zwangseinweisungen in Schleswig-Holstein mehr als fünfmal so hoch wie in Brandenburg. 

Patientenvertreter votieren ebenfalls für eine gesetzliche Regelung, aber mit anderer Zielrichtung: "Die körperliche Unversehrtheit ist ein höheres Gut als die Freiheit der Person. Zwangsunterbringung kann in wenigen, gut geprüften Fällen notwendig sein. Aber Zwangsbehandlung ist für uns immer inakzeptabel", betonte Jurand Daszkoswki, Vorstandsmitglied des Betroffenenverbandes Psychiatrie Erfahrener. Allein eine Patientenverfügung, die vorab schon die Einwilligung zu einer medikamentösen Behandlung in einer psychischen Krise gebe, dürfe eine solche Therapie erlauben. 

Hubert Hüppe, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, stellte eine baldige Antwort des Bundesjustizministeriums auf die Problematik in Aussicht. "Wir brauchen eine gesetzliche Regelung", sagte er. Diese Forderung wurde auch aus Bayern laut: "Jetzt ist der Bundesgesetzgeber gefordert, möglichst kurzfristig ein Gesetz zu schaffen, das einerseits die Grundrechte der Betroffenen wahrt und andererseits dringend erforderliche medizinische Behandlungen ermöglicht", so die bayerische Justizministerin Beate Merk.

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