Medizin

Weniger Verstöße bei Organtransplantationen

ck/dpa
Nachrichten
Schwarzer Tag für das Deutsche Herzzentrum Berlin. Prüfer der Bundesärztekammer bestätigen am Dienstag in Berlin: Mehr als ein Dutzend Mal wurden Daten mit Blick auf die Warteliste für ein Spenderherz manipuliert.

Der Verdacht auf Verstöße bei Organtransplantationen hat sich nun auch in Berlin, Regensburg und Hamburg bestätigt. Bis auf das Deutsche Herzzentrum Berlin hätten sich jedoch in keinem Fall Hinweise für bewusste Manipulationen gefunden, betonten die Prüfer. Unregelmäßigkeiten gab es indes auch an anderen deutschen Kliniken.

Die Prüfer hatten zwischen 2010 und 2012 bundesweit 60 Transplantationsprogramme in 33 Fachzentren untersucht. Das Kontrollsystem war nach dem ersten großen Organspende-Skandal 2012 verschärft worden. Damals kochte an der Uniklinik im niedersächsischen Göttingen der erste Skandal hoch. Die Bereitschaft zur Organspende war in der Folge deutlich zurückgegangen. 

Das Gesetz macht auch verdachtsunabhängige Prüfungen möglich

Die Kommissionsvorsitzenden erläuterten, dass die Prüfungen in der Regel von jeweils zwei Mitgliedern der Prüfungskommission oder der Überwachungskommission sowie zwei für das jeweilige Transplantationsprogramm sachverständigen unabhängigen Ärzten durchgeführt werden. Weiterhin hätten Vertreter der zuständigen Landesministerien an den Prüfungen teilgenommen.

„Den Kommissionen wurde mit der TPG-Novelle eine gesetzliche Überwachungskompetenz zugewiesen“, erinnerte Hans Lippert, Vorsitzender der Überwachungskommission. „Wir können seither nicht nur anlassbezogene, sondern jetzt auch verdachtsunabhängige Prüfungen in den Entnahmekrankenhäusern und Transplantationszentren durchführen“, so Lippert. Er betonte, dass in diese neue Kontrollstruktur auch die Landesministerien in ihrer Funktion als Aufsicht der Transplantationszentren verbindlich einbezogen sind.

Zahlendreher in den Akten

Nach der jüngsten Kontrollrunde in deutschen Transplantationszentren gehen die Prüfer bisher nur beim Herzzentrum Berlin von neuen systematischen Manipulationen aus. Bei allen anderen geprüften Kliniken fanden sie zwar einzelne Verstöße, bei denen sich aber keine Hinweise auf eine geplante Täuschung für die Organvergabe ergaben, erklärte die Bundesärztekammer.

Es habe sich dabei etwa um Zahlendreher in Akten gehandelt, sagte Anne-Gret Rinder, Vorsitzende der Prüfungskommission. "Insgesamt ist das ein ganz positives Fazit." Vor einem Jahr war ein Vielfaches an Manipulationen gefunden worden. 

"Ganz positives Fazit"

Lippert hofft, mit diesem Ergebnis das drastisch gesunkene Vertrauen der Menschen in die Organspende wiederzugewinnen. Seit dem Skandal in Göttingen hat die Prüfungs- und Überwachungskommission zum zweiten Mal deutsche Kliniken unter die Lupe genommen. Dabei ging es neben wenigen Lebern auch um Herzen, Nieren und Bauchspeicheldrüsen. 

Insgesamt sichteten die Kontrolleure für die Jahre 2010 bis 2012 dabei 1.090 Krankenakten von Menschen, denen ein Spenderorgan verpflanzt wurde. Damit ergibt sich ein Bild aus Stichproben von insgesamt 7.596 Herzen, Nieren und Pankreas, die in diesem Zeitraum transplantiert wurden. 

Ohne Indikation mehr Medikamente verabreicht

Das Urteil über das Deutsche Herzzentrum, das sich nach zwei Kontrollen im August selbst bei der Staatsanwaltschaft angezeigt hatte, fällt dabei eindeutig aus. "Es gab 14 Verstöße, die den Schluss auf ein systematisches Vorgehen nahelegen", sagte Rinder. In sechs Fällen seien Patienten zum Beispiel wenige Tage, bevor ein Antrag für die Dringlichkeitsliste gestellt wurde, ohne Indikation eine höhere Medikamentendosierung verabreicht worden. Nach dem Antrag wurden die Mittel wieder abgesetzt. 

Nachteile für Kranke auf der Warteliste?

Ob andere schwer Herzkranke dadurch einen Nachteil auf der Warteliste erlitten, konnte Rinder als Vorsitzende der Prüfungskommission nicht sagen. Der Bericht sei an die Berliner Staatsanwaltschaft geschickt worden. Sie ermittelt gegen das Herzzentrum wegen versuchten Totschlags. 

In allen anderen Kliniken werteten die Prüfer Unregelmäßigkeiten nicht als Manipulationen. Bei 799 geprüften Nieren-Transplantationen gab es vier Verstöße, unter anderem war das Datum des Dialyse-Beginns falsch - einer der Fälle war in Hamburg. Bei 66 transplantierten Herzen in anderen Kliniken fanden sich keine Verstöße, auch nicht bei 111 Pankreas. Bei 117 Lebern gab es acht Unregelmäßigkeiten, sechs in Regensburg (2007 bis 2009) und zwei an der Berliner Charité (2010 bis 2013). Eine Systematik lag nach Einschätzung der Prüfer auch hier nicht vor. 

Lungen werden noch geprüft

Mit dieser Bilanz sind aber immer noch nicht alle 48 deutsche Transplantationszentren mit ihren 141 Programmen gecheckt. Für Lungen beginnen die Prüfungen erst noch. Der abschließende Bericht soll in einem Jahr vorliegen. Die Uniklinik in Göttingen hatten die Prüfer bereits 2013 untersucht und 79 manipulative Verstöße moniert. Ein Prozess gegen die Verantwortlichen läuft. Auch in Leipzig, München (Rechts der Isar) und Münster hatten die Prüfer bereits 2013 systematische Manipulationen gefunden.

Die Ergebnisse der einzelnen Prüfungen werden nach Abschluss des Verfahrens jeweils in einem Bericht zusammengestellt, der von der Prüfungskommission und der Überwachungskommission beraten und als Kommissionsbericht verabschiedet wird, führten Rinder und Lippert aus.

Ein solcher Bericht werde dann den entsprechenden Institutionen - in jedem Fall dem Ärztlichen Direktor des Klinikums, der zuständigen Landesbehörde sowie der Landesärztekammer – zugeleitet sowie auch öffentlich gemacht. Rinder und Lippertwiesen darauf hin, dass Auskünfte und Informationen in einem laufenden Verfahren aus Rechtsgründen nicht möglich seien. Darüber hinaus fließen den Experten zufolge die Ergebnisse der laufenden Prüfungen in die Richtlinienarbeit der Ständigen Kommission Organtransplantation ein.

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