Medizin

Zu viel ist ungesund

sp/pm
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Auch für Vitamine und Selen gilt: Die Dosis muss stimmen. Eine Überversorgung ist schädlich und kann das Risiko erhöhen, an Krebs zu erkranken, wie eine neue Studie zeigt.

Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ist nur bei Mangelzuständen sinnvoll und soll nur auf medizinischen Rat hin erfolgen, rät die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) anlässlich einer neu erschienenen Studie zu Selen und Vitamin E.

Zellschutz oder Krebserzeuger

Vitamin E ist ein Zellschutzvitamin und spielt eine Rolle beim Verhindern von Ablagerungen in den Gefäßen. Es kommt gehäuft in pflanzlichen Ölen wie Weizenkeim- oder Olivenöl vor. Von Selen ist bekannt, dass es im Körper verschiedene wichtige Aufgaben erfüllt. Beispielsweise ist es am Stoffwechsel der Schilddrüsenhormone beteiligt. Viel Selen findet sich in Fisch, Meeresfrüchten, Milch und Gemüse.

Beiden Substanzen sagt man eine schützende Wirkung in Bezug auf Krebserkrankungen nach. Das vom US-National Cancer Institute finanzierte „Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial“ (Select) ging dieser Vermutung nach. Es war die größte jemals zur Vorbeugung von Prostatakrebs durchgeführte Studie. Prof. Axel Heidenreich, Direktor der Urologischen Klinik am Universitätsklinikum Aachen, erläutert: „Vor sechs Jahren wurde sie abgebrochen, als eine Zwischenauswertung ergab, dass Vitamin E nicht vor Krebs schützt, sondern das Krebsrisiko sogar erhöht.“

Kürzlich zeigte sich in einer weiteren Auswertung, dass auch Selen das Krebsrisiko steigert. Es kam zu einem Anstieg von „high grade“-Prostatakarzinomen. „Diese aggressive Krebsvariante kann bereits nach wenigen Jahren zu Metastasen und zum Tod führen“, erläutert Prof. Herbert Rübben, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Essen. Betroffen waren nur Männer, die zu Beginn der Studie ausreichend mit dem Spurenelement versorgt waren, wie die Bestimmung der Selenkonzentration in Zehennagel-Proben ergab.

Der Effekt dreht sich um

„Dies bedeutet, dass das Spurenelement Selen, das der Körper in geringen Mengen benötigt, in höheren Dosierungen schadet“, bilanziert Rübben. „Vitamine und Spurenelemente kann man analog zu Arzneimitteln betrachten, die nur in der richtigen Dosis von Nutzen sein können, in zu großer Menge aber auch zum Gift werden können.“

Wie bei anderen Arzneimitteln kann es zu überraschenden Wechselwirkungen zwischen zwei Substanzen kommen. In der neuen Auswertung der Selcet-Studie kam beispielsweise heraus, dass die Vitamin-E-Kapseln das Krebsrisiko von Männern nur dann erhöhen, wenn sie auch einen Selenmangel hatten. „Eine ausreichende Versorgung mit Selen scheint vor einer schädlichen Wirkung von Vitamin E zu schützen“, ergänzt Heidenreich. Bei einer Überversorgung habe sie nach den Ergebnissen jedoch den gegenteiligen Effekt.

Vorsicht vor Supplementen

Den Verbrauchern, die im Supermarktregal nach Multivitaminen und Spurenelementen greifen, sind diese Zusammenhänge wohl kaum bewusst. Packungsbeilagen, die wie bei Arzneimitteln auf Risiken und Nebenwirkungen hinweisen, gibt es nicht. „Wir raten aufgrund der Ergebnisse allen Männern davon ab, Präparate mit Selen oder Vitamin E einzunehmen, solange kein Mangel nachgewiesen ist“, sagt DGE-Mediensprecher Prof. Helmut Schatz und ergänzt: „Eine ausgewogene Ernährung versorgt den Körper ausreichend mit Vitamin E und Selen. Wer das Gefühl hat, unterversorgt zu sein, sollte, bevor er zu Supplementen greift, mit seinem Arzt besprechen, ob er diese wirklich benötigt oder nicht.“

A. R. Kristal et al.: Baseline Selenium Status and Effects of Selenium and Vitamin E Supplementation on Prostate Cancer Risk. Journal of the National Cancer Institute 2014; doi: 10.1093/jnci/djt456.

V. A. Moyer et al. Vitamin, Mineral, and Multivitamin Supplements for the Primary Prevention of Cardiovascular Disease and Cancer: U.S. Preventive Services Task Force Recommendation Statement. Annals of Internal Medicine 2014; doi: 10.7326/M14-0198. 

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