In der aktuellen Phase der Pandemiebekämpfung gehe es vor allem um das Vertrauen der Bevölkerung, so der Bundesgesundheitsminister. In die Impfstoffe, in die Grundlagen der Impf-Priorisierung und in die Arbeit der Verantwortlichen. „Und entscheidend für Vertrauen ist Transparenz, Transparenz, Transparenz”, betonte Spahn und legte nach: Diese Transparenz erreiche man nur durch "Information, Information, Information”.
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Bereits zum vierten Mal führte das Bundesgesundheitsministerium ein Livestream-Gespräch aus dem Auditorium des Ministeriums durch. Moderatorin Dr. Julia Kropf führte durch die gut zweistündige Veranstaltung, bei der die Themenkomplexe der verschiedenen Impfstoff-Wirksamkeiten, Impfpriorisierung, -Fortschritt und -Durchführung sowie das Terminmanagement besprochen wurden. Im Vorfeld der Veranstaltung waren online mehr als 3.500 Bürgerfragen eingegangen.
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Zu den Experten gehörte Thomas Mertens, Chef der Ständigen Impfkommission (STIKO). Ihm war es wichtig, mit Blick auf die Diskussion um die mögliche Höherpriorisierung einzelner Berufsgruppen mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufzuräumen: Häufig werde fälschlicherweise angenommen, dass die Entscheidungsgrundlage für die STIKO das Infektionsrisiko sei, sagte Mertens. „Das ist aber nicht richtig”, erklärte der Virologe. Vielmehr gehe es darum, eben jene höher zu priorisieren als andere, die ein besonders hohes Risiko für schwere bis tödliche Krankheitsverläufe haben.
In den vielen Zuschriften, die er zu diesem Thema täglich erhalte, vermisse er ein ausgewogenes Solidaritätsverständnis. „Viele Menschen verlangen Solidarität, aber ihnen geht es dann nur darum, dass eine Gruppe etwas bekommt”, sagte er. Dabei komme der Gedanke zu kurz, dass Solidarität auch bedeute, dass jemand verzichten muss.
Natürlich dürften die Länder in begründeten Fällen von den Empfehlungen der STIKO abweichen, erklärte Mertens, warnte aber: Wenn dies zu häufig geschehe, komme man schnell in eine Situation, die nur noch schwer zu vermitteln sei.
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Prof. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) – der wie Mertens per Video zugeschaltet war – zeigte sich angesichts der ersten etablierten Therapieansätze mit dem Medikament Remdesivir, Antikörperbehandlungen und der perspektivischen Zulassung weiterer Impfstoffe verhalten optimistisch. Alle bisher gemeldeten Nebenwirkungen, etwa auch über die eigens dazu programmierte App „SafeVac” des Paul-Ehrlich-Instituts, seien ausschließlich „übliche Impfreaktionen”.
Er hob positiv hervor, dass die genetischen Impfstoffe perspektivisch schnell anpassbar seien und „alle Impfstoffe gut vor COVID schützen.” Den zuletzt stark in die Kritik geratenen Impfstoff von AstraZeneca sprach Cichutek direkt an. Es handele sich, allen Meinungsäußerungen zum Trotz, um einen „hochwirksamen Impfstoff. Damit haben wir eine sehr gute Möglichkeit, die Pandemie zu bekämpfen aber auch, einen guten Schutz zu erreichen.”
Außerdem erklärte er, dass eine nachgewiesene Wirksamkeit von 70 Prozent zwar bedeute, dass bei 30 von 100 Geimpften eine Infektion möglich, symptomatische oder schwere Verläufe aber deutlich seltener seien als bei Ungeimpften.
Zum Spekulationen um eine baldige europäische Zulassung des russischen Corona-Impfstoff „Sputnik V” führte Cichutek aus, man ebne aktuell den Weg zu einem sukzessiven Zulassungsverfahren („rolling review”) bei der Europäischen Arzneimittelagentur EMA. Technisch handele es sich um „einen guten Impfstoff”, die Russen hätten bisher lediglich „keine besondere Transparenz” an den Tag gelegt.
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Prof. Lothar Wieler zeigte großes Unverständnis angesichts von Medienberichten, wonach Impfberechtigte die Schutzimpfung mit dem Vakzin von AstraZeneca mit Verweis auf dessen geringere Wirksamkeit abgelehnt haben. „Das kann ich einfach nicht nachvollziehen”, sagte der Chef des Robert Koch-Instituts (RKI). Es sei „ein Riesenprivileg, sich jetzt schon impfen lassen zu dürfen.” Zu dieser Bewertung gelange er nicht nur, betonte Wieler, weil er in regelmäßigem Kontakt mit Verantwortlichen aus Ländern stehe, in denen ein Impfstart noch lange nicht abzusehen ist.
Spahn nahm diesen Punkt später noch einmal auf und erklärte, von den weltweit 194 Staaten hätte überhaupt erst ein Viertel mit dem Impfen begonnen. „Viele haben bisher nicht einen Tropfen Impfstoff bekommen”, sagte Spahn und betonte, „die Pandemie ist erst zu Ende, wenn alle geimpft sind”.
Und auch Wieler platzierte im Laufe des Gesprächs immer wieder die Botschaft, dass das Virus „nicht verschwinden” werde. Es könne erst von einer Grundimmunität ausgegangen werden, wenn 70 bis 80 Prozent der Deutschen die Impfung oder eine Infektion hinter sich hätten. „Und diese Immunität erreiche ich lieber durch eine Impfung als durch eine Infektion.”
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Franzi von Kempis, studierte Historikerin, Journalistin und aktuell Leiterin des Impfzentrums Messe Berlin, entkräftete Darstellungen, am Ende des Tages würden ständig ungenutzte Impfdosen an nicht priorisierte Personen verabreicht. „Es bleibt nur wenig übrig und wird nichts weggeworfen”, erklärte sie. Überhaupt seien die Dimensionen der nicht verimpften Dosen aufgrund der BioNTech-Abfüllungsgröße von sechs Dosen pro Flasche „überschaubar”.
Und Spahn hakte sofort ein: Zur Vermeidung von Verwurf seien Abweichungen ja auch erlaubt und eine gesunde Portion Pragmatismus – sowie das Vertrauen der Bevölkerung in die vor Ort zuständigen Entscheider notwendig.
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