"Früher war ich auch mal Flüchtling"

dg
Für den Leipziger Zahnarzt Udo J. Wybories ist es eine Selbstverständlichkeit, Flüchtlingen zu helfen, weil er früher selbst aus der DDR in den Westen geflohen ist. Momentan lernen bei ihm ein Syrer und ein Afghane, wie es in einer deutschen Zahnarztpraxis zugeht.

Im Frühjahr 2014 rief die Leipziger Volkszeitung dazu auf, Patenschaften für Flüchtlinge zu übernehmen. So erhielt Udo J. Wybories Kontakt zum Leipziger Flüchtlingsrat. Wybories übernahm eine solche Patenschaft, über den er Mousa Hasan kennenlernte. In einem Leipziger Flüchtlingsheim gab Wybories später improvisierte Deutschkurse. Auch der syrische Zahnarzt Mousa Hasan nahm daran teil. Beide Zahnmediziner kamen ins Gespräch. "Es ergab sich, dass er in meine Praxis gekommen ist, um zu sehen, wie es in einer deutschen Zahnarztpraxis zugeht", sagt der Leipziger Wybories.

Seit Dezember 2014 hospitierte Hasan dann in der Praxis. Am 1. März erhielt er einen Arbeitsvertrag von Wybories. Der 31-jährige Syrer arbeitet nun stundenweise als Zahnarzt. Wybories berichtet, dass er bislang sehr gute Erfahrungen mit seinem syrischen Kollegen gemacht hat: "Er hat eine sehr gute Ausbildung in Kiew gehabt, wo er auch seinen Abschluss machte. Danach arbeitete er zwei Jahre in einer eigenen Praxis in Syrien, bis die Bomben seine Praxis zerstörten."

"Ich bin unter sehr gefährlichen Umständen in den Westen geflüchtet"

Wybories kann die Situation der Flüchtlinge sehr gut nachempfinden. Das motiviert ihn, sich zu engagieren: "Ich selbst bin aus der ehemaligen DDR unter sehr gefährlichen Umständen in den Westen geflüchtet. Genau wie Mousa habe auch ich bei Null angefangen. Für mich war auch alles fremd, ich kannte niemanden, wurde aber sehr nett in Freiburg aufgenommen. Mir wurde damals auch die Chance gegeben, zu hospitieren." 

In der Rolle des Mentors erklärt Wybories seinem Kollegen, wie die zahnmedizinische Betreuung in Deutschland funktioniert: "Angefangen bei der Patientendokumentation bis hin zum Abrechnungswesen. Aber auch in privaten Fragen stehe ich ihm zur Seite, wie zum Beispiel bei bürokratischen Angelegenheiten."

"Wir sprechen sieben Sprachen" 

Nicht nur die Flüchtlinge profitieren von der Patenschaft, sondern auch der Praxisinhaber. Auf einen Dolmetscher kann Wyboreis nämlich verzichten, weil Mousa Hasan Kurdisch, Arabisch und Russisch spricht. Der Hospitant Habibullah Ahmade spricht Afghanisch. Demnach werden syrische Flüchtlinge von Mousa Hasan behandelt, Habibullah Ahmade dolmetscht vom Afghanischen ins Deutsche und Wybories spricht Deutsch, Spanisch und Englisch. 

Hasan möchte sich in Deutschland niederlassen. Die Chancen dafür schätzt sein Mentor als sehr gut ein: "Er ist ein engagierter junger Zahnarzt. Mousa möchte noch ein Studium der Oralchirurgie mit Schwerpunkt Implantologie machen." Wybories rät, dass der Syrer dafür seine Kompetenzen in Verwaltungsangelegenheiten ausbaut. "Spätestens, wenn er sich mit einer eigenen Praxis niederlässt, sollte er sich einen guten Überblick erarbeitet haben."

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"Ich möchte mich in Deutschland als Implantologe niederlassen"

Mousa Hasan war in seiner Heimatstadt Al Hasaka Inhaber von zwei Praxen. Sie wurden im Krieg zerstört. Hasan blieb nur die Flucht nach Deutschland. Mittlerweile arbeitet er stundenweise in der Zahnarztpraxis von Udo J. Wybories. Dort behandelt er vor allem syrische Flüchtlinge. Aber auch deutsche Patienten versorgt er: "So kann ich meine Deutschkenntnisse verbessern", meint Hasan.

Der 31-jährige erklärt, dass Wurzelbehandlungen zu seinen Lieblingstätigkeiten in der Zahnmedizin gehören. In Deutschland möchte er eine Weiterbildung zum Oralchirurgen machen. Er interessiert sich besonders für die Implantologie. 

Unterschiede

"In Syrien gibt es keinen Versicherungsschutz für Patienten. Für sämtliche Leistungen müssen Patienten selbst aufkommen", berichtet Hasan. Auch eine Patientendokumentationspflicht soll es in seinem Heimatland nicht geben: "Patienten kommen in die Praxis, werden zahnmedizinisch versorgt und zahlen anschließend die Behandlungskosten."

Zudem sei es in Syrien weit verbreitet, dass es in einer Zahnarztpraxis meist nur einen Zahnarzt, einen Behandlungsstuhl und eine Zahnmedizinische Fachangestellte gibt. Das sei aber nicht der Grund, weshalb er nicht zurück in seine Heimat möchte. Wenn er sich in Deutschland niederlässt, sei dies mit finanziellen Belastungen verbunden. "Das möchte ich in Syrien nicht ein weiteres Mal auf mich nehmen. Außerdem wäre ich dann auch schon zu alt", so Hasan.

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"In Afghanistan habe ich noch nie eine Zahnarztpraxis besucht"

Habibullah Ahmadi ist allein aus seiner Heimatstadt Maidan Wardak in Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Udo J. Wybories und Ahmadi lernten sich ebenfalls über das Patenschaftsprojekt des Flüchtlingsrates in Leipzig kennen. Durch seine Hospitation in der Leipziger Praxis seit Oktober 2015 habe er Gefallen am Beruf des Zahnarzthelfers gefunden. Und das, obwohl er in Afghanistan noch nie selbst Patient einer Zahnarztpraxis gewesen sei. "Zum Glück habe ich gesunde Zähne", sagt Ahmadi.

In Afghanistan hat er keinen Schulabschluss machen können. Deshalb wird diese Ausbildung für ihn schwer erreichbar bleiben. Aber trotzdem lerne Ahmadi viel in der Praxis: "Mir wird vom gesamten Praxisteam geholfen. Und das Beste ist: Meine Deutschkenntnisse verbessern sich zunehmend durch diesen Kontakt", erklärt der 22-Jährige.

In der Praxis von Zahnarzt Wybories ist Ahmadi als Dolmetscher eine große Hilfe, weil viele Patienten aus Afghanistan zur Behandlung kommen. Seit dem 6. April hat Ahmadi eine Aufenthaltserstattung für Deutschland und eine Arbeitserlaubnis für 2016. Ab 1. Mai wird er dann offiziell als Hilfskraft bei Udo J. Wybories angestellt.

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