Studie zu Patientenlotsen im Gesundheitswesen

Hilfe im Wirrwarr des Versorgungsalltags

pr
Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung schlägt den Einsatz von Patientenlotsen vor. Sie sollen besonders chronisch Kranken helfen, sich im komplexen Versorgungsalltag zurechtzufinden. Einen eigenen Leistungsbereich soll es aber nicht geben.

Wie die Rolle von Patientenlotsen genau aussehen könnte, erläutert eine Studie des IGES-Instituts in Zusammenarbeit mit der Universität Bochum. Die Patientenbeauftragte Prof. Dr. Claudia Schmidtke, die die Studie in Auftrag gegeben hatte, folgert aus dem Ergebnis: „Das Angebot an medizinischen Versorgungs- und Unterstützungsdienstleistungen in Deutschland ist komplex und teilweise unübersichtlich. Insbesondere älteren oder mehrfach und chronisch erkrankten Menschen kann es deshalb schwerfallen, sich allein in der Versorgungslandschaft zurechtzufinden. Eine individuelle Betreuung durch sogenannte Patientenlotsen könnte hier sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch die Leistungserbringer vorteilhaft sein.“

Immer komplexer werdende Versorgungsbedarfe treffen in der Praxis auf immer stärker ausdifferenzierte Leistungsangebote, führt die IGES-Studie an. Hinzu kommen vielfältige Beratungsleistungen für spezifische Erkrankungen und ergänzende Ansprüche zur Unterstützung bei schwerer Krankheit – all dies ist jedoch für Patienten immer schwerer zu überblicken. Als Folgen führt die Studie unter anderem Versorgungsbrüche und unterlassene oder verspätet einsetzende Behandlungen an, die sich wiederum negativ auf das Behandlungsergebnis und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung auswirken.

Zur Methodik der Studie:

Zur Methodik der Studie:

Deshalb, so die Studie weiter, wurden in den letzten Jahren Patientenlotsen etabliert. Sie sollen dafür sorgen, dass die Patienten ihrer Situation entsprechend informiert und versorgt werden. Die Studie führt an, dass das Gesundheitssystem generelle Mängel aufweist und dass in erster Linie die Trennung der Sektoren überwunden werden muss, um langfristig eine effektive Versorgung zu ermöglichen. Den Autoren zufolge bedarf es aber einer grundlegenden Reform des gesamten Versorgungssystems – ein Einsatz von Patientenlotsen allein würde nicht ausreichen.

Einen Teil der Studie machten Interviews mit Vertretern von bereits existierenden Modellprojekten aus, in denen Patientenlotsen jetzt schon zum Tragen kommen. Auf Basis der Interviews hat die IGES-Studie folgende Erkenntnisse zusammengetragen:

  • Patientenlotsen sind prinzipiell eine geeignete Maßnahme zur Unterstützung von Patienten.

  • Zielgruppe für die Lotsen sind Patienten mit hohem Unterstützungs- und Steuerungsbedarf in allen Altersgruppen (etwa: alleinstehend, kein tragfähiges soziales Umfeld, Chroniker, körperliche, kognitive oder psychische Einschränkungen. Aber auch: Akutereignisse wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder Unfall).

  • Der Zugang zu den Leistungen eines Patientenlotsen sollte nach klaren Verfahrensregeln erfolgen.

  • Ein Patientenlotse sollte sowohl von niedergelassenen Ärzten, Krankenhäusern oder Kurzzeitpflegeeinrichtungen eingeschaltet werden können als auch von Krankenkassen.

  • Wenn es im Rahmen eines Versorgungs-/Ärztenetzwerks eine gemeinsame Patientenakte gäbe, ließen sich konkrete Hinweise auf Defizite bei den Patienten schneller erkennen.

Das Aufgabenspektrum von Patientenlotsen ist sehr breit und kann sich folgende Bereiche umfassen:

  • Über Leistungsansprüche und Zugangswege informieren

  • Hilfsangebote (einschließlich Beratungsstellen) und Akteure kennen und koordinieren (insbesondere an Schnittstellen und Übergängen)

  • Sorge tragen, dass vorhandene und benötigte Hilfen auch zum Einsatz kommen, sowie deren Erfolgskontrolle

  • allgemein beraten und begleiten (nicht „nur“ beraten, auch die Umsetzung begleiten) sowie anleiten

  • sich ein Bild von der häuslichen Situation machen

  • Rückkopplung zum behandelnden Arzt vornehmen

  • Ganz wichtig: die Vernetzung mit Leistungserbringern und weiteren Akteuren.

Zu den Leistungen der Patientenlotsen zählen die Bedarfserfassung, die Erarbeitung eines Versorgungsplans in Abstimmung mit dem Arzt und weiteren Leistungserbringern und die Organisation und Abstimmung der Versorgung.

Patientenlotsen sollten laut Studie eine gesundheitsbezogene Fachausbildung und mehrjährige Berufserfahrung haben. Infrage kommen etwa medizinische Fachangestellte, Pflegefachkräfte oder auch Sozialarbeiter. Weiterhin sollten Weiterbildungen zum Case-Management und zu Kommunikationstechniken Voraussetzung für die Tätigkeit als Lotse sein.

Modellprojekte: Das Regionale Versorgungskonzept Geriatrie: Prospektive randomisierte Implementierung des Modellprojekts Augsburg (PRIMA-Studie):

Modellprojekte:

Das Regionale Versorgungskonzept Geriatrie:

Prospektive randomisierte Implementierung des Modellprojekts Augsburg (PRIMA-Studie):

Die Finanzierung von Patientenlotsen sieht die IGES-Studie als Aufgabe der Krankenversicherung an, gegebenenfalls als Mischfinanzierung mit Mitteln der Pflegeversicherung. Zum Datenschutz wird auf die Notwenigkeit der Einwilligung der Patienten verwiesen, verbunden mit der entsprechenden Schweigepflichtentbindung. Die IGES-Studie schlägt vor, dass die Leistungen von Patientenlotsen im SGB V verankert werden sollen. Dabei sollte ein Arzt den Bedarf feststellen und die Leistungen in Anlehnung an ergänzende Leistungen zur Rehabilitation verordnen.

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Keinesfalls sollten Patientenlotsen Angestellte von Krankenkassen sei, da sonst deren Unabhängigkeit gefährdet wäre. Plädiert wird für eine Andockung bei Ärzten, Ärztenetzwerken oder Kliniken. Krankenkassen sollen den Einsatz der Lotsen initiieren können. Ferner wurden auch Dienstleister wie Case-Management-Gesellschaften genannt. Einen eigenen Leistungsbereich soll es jedoch nicht geben. Studie des IGES-Instituts

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