KBV und KVen plädieren für sicheren Umgang mit Behandlungsdaten

Kein Zugriff der Kassen auf vertrauliche Patientendaten!

pr/pm
Die Vertragsärzte befürchten bei der künftigen Ausgestaltung der elektronischen Patientenakte einen direkten Zugriff der Krankenkassen auf vertrauliche Behandlungsdaten. In einer Erklärung an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erteilen sie solchen Plänen eine klare Absage.

Kassen dürfen auf vertrauliche Behandlungsdaten keinen Zugriff haben, fordern die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die KVen in einer gemeinsamen Erklärung an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn.

Sie befürchten, dass sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bei der Ausgestaltung der elektronischen Patientenakte einem Modell der AOK nähern könnte, bei dem dezentral der Zugriff auf Patientendaten über die Praxisverwaltungssysteme erfolgen soll.

AOK Gesundheitsnetzwerk in zwei Regionen gestartet

Mit zwei Pilotprojekten in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin hatte die AOK im letzten Herbst ihr digitales Gesundheitsnetzwerk zum Datenaustausch zwischen Patienten, niedergelassenen Ärzten und Kliniken vorgestellt. Geboten wird – in einem sektorenübergreifenden Austausch ­ eine digitale Akte, mit der sich medizinische Informationen und Dokumente jederzeit bereitstellen und abrufen lassen.

Die AOK hatte bei der Vorstellung des Gesundheitsnetzwerks vor der Presse betont, dass sie keinen zentralen Ansatz wie bei der gematik verfolgt. Je nach regionaler Situation sollen künftig auch unterschiedliche Anwendungen mit verschiedenen Partnern umgesetzt werden, die aber unter dem Dach des Gesundheitsnetzwerkes vernetzt und auch an die Telematik-Infrastruktur angedockt werden können. Man wolle keine Insellösung entwickeln, sondern man wollen Teil der gesamten digitalen Vernetzung sein.

Quelle: AOK

Die Organisationen zeigen sich alarmiert: „Einem direkten Zugriff in die Praxisverwaltungssysteme von uns Vertragsärzten und Vertragspsychotherapeuten von außen und dem Auslesen von Behandlungsdaten erteilen wir jedoch eine klare Absage. Wir werden keine Systeme akzeptieren, die in unsere Praxissysteme eingreifen, wie sie von einer Kassenart derzeit propagiert werden. Auch der Zugriff von einem beauftragten Dritten ist für uns nicht hinnehmbar.“

Datenhoheit muss bei den Patienten liegen

Die Datenhoheit für die elektronische Patientenakte muss bei den Patienten liegen, fordern KBV und die KVen weiter. Die in der elektronischen Arztakte dafür erforderlichen Datenstandards und damit verbundenen Schnittstellen der Praxisverwaltungssysteme müssten von der KBV definiert werden. Ausdrücklich weisen sie auf das sensible Arzt-/Patienten-Verhältnis hin: „Wir werden im Sinne unserer Mitglieder nicht zulassen, dass diese besondere Beziehung zu unseren Patienten durch technische Lösungen aufgebrochen wird, die einen direkten Zugriff in die vertrauliche Arztdokumentation beinhalten.“

KBV-Konzept für eine elektronische Arztakte (eAA)

Auf dem Diskussionsforum Digitalisierung „E-Health II“ am 20, Juni in Berlin stellte KBV-Vize Dr. Stephan Hofmeister Pläne der KBV für eine elektronische Arztakte (eAA) vor. Die KBV sieht die eAA als Grundvoraussetzung für eine vernünftige elektronische Patientenakte (ePA). Bisher sind die verschiedenen Praxisverwaltungssysteme untereinander nur eingeschränkt sprachfähig. Gefordert ist laut KBV eine eAA, die eine Standardisierung aller medizinischen Befunde, die erhoben werden, ermöglichen soll. Das setzt voraus, dass die KBV die Hoheit über die Spezifikationen der Ablage solcher Daten hat, damit diese einheitlich, standardisiert abgelegt werden können.

Der Arzt soll nach diesem Konzept zum einen die Möglichkeit bekommen, die vorliegenden Daten zu exportieren und zum anderen Arztdaten in sein Praxisverwaltungssystem zu importieren. Auf Wunsch des Patienten ist ein Datenaustausch mit der vom Gesetzgeber vorgesehenen ePA möglich. Hierbei würde es sich jedoch lediglich um Befundkopien handeln. „Wichtig ist, dass diese jeweils unveränderbar sind, sodass sie, wenn sie andernorts ausgelesen werden, immer klar als Befunde des einen Arztes identifizierbar sind“, erläuterte Hofmeister dazu.

Für diese Form der ePA sieht Hofmeister einheitliche technische Vorgaben als notwendig an. Der Patient könne dann den Anbieter frei wählen und die Akte eigenständig führen. Dafür sei jedoch eine Überarbeitung des Gesetzes erforderlich. Aktuell sei noch vorgesehen, dass der Patient nur gemeinsam mit dem Arzt in der Praxis Einsicht in die ePA nehmen kann.

Quelle: KBV

Dennoch sprechen sich die Organisationen klar für die elektronische Patientenakte aus: „Der strukturierte und sichere Austausch von medizinischen Behandlungsdaten unter uns Vertragsärzten und Vertragspsychotherapeuten und deren Weitergabe an unsere Patienten ist ein elementares Ziel im digitalen Zeitalter, das wir alle gemeinsam verfolgen.“

Der AOK-Bundesverband reagiert mit Unverständnis

Der AOK-Bundesverband reagierte unterdessen mit Unverständnis auf die Vorwürfe aus der KBV: „Die AOK möchte für ihre Versicherten mit dem Digitalen Gesundheitsnetzwerk den Austausch medizinischer Behandlungsdaten und Dokumente zwischen niedergelassenen Ärzten und Klinikärzten verbessern.“ erklärte der Vorstandsvorsitzende Martin Litsch dazu.

„Die Hoheit über ihre Daten liegt zu jeder Zeit bei den Patientinnen und Patienten. Das Digitale Gesundheitsnetzwerk greift zum Austausch der Daten nicht in die Praxisverwaltungssysteme der Ärzte ein. Vielmehr versenden niedergelassene Ärzte über eine Schnittstelle aus ihrer Praxisverwaltungs-Software heraus Daten. Die dafür freigegebenen Daten werden dann auf einem Server einer Kassenärztlichen Vereinigung, eines Ärzteverbandes oder eines Arztnetzes gespeichert; dieser Dienst kann auch von Dritten angeboten werden (sogenannte Affinity Domain).“

Auch die für den Austausch vorgesehenen Daten von Krankenhäusern oder anderen Behandlern im Gesundheitswesen wie beispielsweise Entlassbriefe werden auf deren Affinity Domains gespeichert, sagte Litsch weiter.

Sicherer und verantwortungsvoller Umgang mit Behandlungsdaten

Sicherer und verantwortungsvoller Umgang mit Behandlungsdaten

Dr. Andreas GassenVorstandsvorsitzender der KBV

Das von der AOK geplante Procedere erklärt er so: Patienten können die dort gespeicherten Daten über ein Portal lesen und entscheiden, welche Ärzte welche Dokumente einsehen können. Ärzte können wiederum aus ihrem System heraus die für sie freigegebenen Daten und Dokumente über eine Verlinkung aus diesen Affinity Domains abrufen.

Litsch: "So kann zum Beispiel ein Facharzt einen Arztbrief vom Hausarzt abrufen oder der Hausarzt den Entlassbericht aus dem Krankenhaus. Auf die medizinischen Daten der Versicherten haben zu jedem Zeitpunkt nur sie selbst oder die von ihnen ermächtigte Ärzte Zugriff, niemals die Krankenkasse oder ein von ihr beauftragter Betreiber."

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