Schiedsspruch zu pharmazeutischen Dienstleistungen bei Apotheken

Kritik der Ärzte: „Apotheken sind keine Arztpraxen-to-go”

pr
Apotheken dürfen jetzt einige pharmazeutische Dienstleistungen anbieten, die von den Kassen bezahlt werden, hat ein Schiedsspruch entschieden. Ärzteverbände üben heftige Kritik: Die Beratung in der Apotheke könne die ärztliche Diagnose und Therapieempfehlung nicht ersetzen, heißt es.

Der kürzlich erlassene Schiedsspruch zwischen dem GKV-Spitzenverband und dem Deutschen Apothekerverband der Gemeinsamen Schiedsstelle zu sogenannten pharmazeutischen Dienstleistungen in Apotheken wird von Ärzteseite heftig kritisiert. „Patienten sind keine Kunden und Apotheken keine Arztpraxen-to-go”, sagte Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. „Die vorgesehenen Dienstleistungen in den Apotheken werden ohne echten Mehrwert für die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten bleiben und eher zu Reibungsverlusten und Abstimmungsstörungen führen”, warnte er.

Gemäß Schiedsentscheid können die Apotheken ab sofort fünf pharmazeutische Dienstleistungen anbieten. Rechtliche Grundlage der pharmazeutischen Dienstleistungen ist das 2020 in Kraft getretene Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG). Patienten haben Anspruch auf zusätzliche Betreuungsangebote, wenn sie:

  • fünf oder mehr verordnete Arzneimittel einnehmen

  • gegen eine Krebserkrankung neue Tabletten oder Kapseln erhalten (orale Antitumortherapie)

  • nach einer Organtransplantation neue Medikamente verordnet bekommen, um die körpereigene Abstoßungsreaktion zu hemmen (Immunsuppressiva)

  • einen ärztlich diagnostizierten Bluthochdruck haben und Blutdrucksenker einnehmen

  • gegen eine Atemwegserkrankung Medikamente zum Inhalieren erhalten

Pharmazeutische Fragestellungen müssten in ein therapeutisches Gesamtbild eingeordnet werden, um so die richtigen medizinischen Schlüsse zu ziehen, führte Reinhardt weiter an. Das könnten nur Ärztinnen und Ärzte, die entsprechende Leistungen zudem in einem dafür adäquaten Setting unter Wahrung des Patientengeheimnisses anbieten könnten. Die mit dem Gesetz geschaffenen Möglichkeiten für pharmazeutische Dienstleistungen in der Apotheke führten zur Doppelerbringung und Doppelhonorierung von Leistungen und dadurch zu Nachteilen für das solidarisch finanzierte Gesundheitssystem in Deutschland, moniert er.

Ein weiterer Stein des Anstoßes für die Ärzte: die Honorierung. Reinhardt wies darauf hin, dass die Höhe der Vergütung in einem krassen Missverhältnis zur Vergütung vergleichbarer ärztlicher Leistungen stünde. Das müsse bei den kommenden Honorarverhandlungen ausgeglichen werden, sagte der Ärztepräsident, der gleichzeitig auch den Gesetzgeber dazu aufforderte, das Vor-Ort-Apothekengesetz auf den Prüfstand zu stellen und nachzubessern.

KBV-Chef Gassen:Katalog pharmazeutischer Dienstleistungen istfragwürdig und teuer

Auf schärfste kritisierte auch der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e. V. (SpiFa) das Vorhaben, Arzneimittelberatungen und weitere ärztliche Aufgaben von Apothekern und pharmazeutischem Fachpersonal durchführen zu lassen. Tangiert seien urärztliche Aufgaben. Und: „Es ist bemerkenswert, dass ein Schiedsgericht den Betrag für eine Medikations-Erstberatung auf 90 Euro veranschlagt”, sagte der SpiFa-Vorstandsvorsitzende Dr. Dirk Heinrich. „Damit bekommen Apothekerinnen und Apotheker nun einen Betrag für eine Beratungsleistung, für welche Ärztinnen und Ärzte in der medizinischen Grundversorgung sonst vierteljährlich mit einem Bruchteil davon pauschal pro Patientin oder Patient entlohnt werden.”

Als inhaltlich fragwürdig und teuer bezeichnete Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), den Katalog pharmazeutischer Dienstleistungen. Gassen: „Offenbar scheinen die Krankenkassen über genügend finanzielle Mittel zu verfügen. Da wäre es nur folgerichtig, die letztlich fundiertere ärztlich-medizinische Betreuung mindestens auf das den Apotheken zugestandene finanzielle Niveau anzuheben.”

Die Apothekervertretung begrüßten hingegen das Schiedsergebnis: „Das ist ein Meilenstein für die Patientenversorgung. Mit den neuen Leistungen können wir Versorgungsdefizite beheben und die Effizienz der individuellen Arzneimitteltherapie verbessern”, erklärte Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Und Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer betonte: „Alle pharmazeutischen Dienstleistungen werden qualitätsgesichert erbracht. Die Bundesapothekerkammer hat für Apothekenteams passende Hilfestellungen erarbeitet. Für einige Dienstleistungen sind spezielle Fortbildungen nach Vorgaben der Bundesapothekerkammer zu absolvieren. Deswegen kann es sein, dass nicht alle Apotheken sofort alle Dienstleistungen anbieten können.”

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