KZBV-Vertreterversammlung

KZBV will weiter gegen Industrialisierung kämpfen

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Zum Auftakt der ersten Vertreterversammlung (VV) per Videokonferenz machte der Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Dr. Wolfgang Eßer, deutlich, dass es notwendig sei, sich gegen eine weitere Vergewerblichung und Industrialisierung des Gesundheitswesens zu stellen. Gleichzeitig zog er eine gemischte Zwischenbilanz der Corona-Krise.

„Auf der Basis der Erfahrungen der letzten Monate müssen wir unmissverständlich klarmachen, dass es ein tragischer Irrweg ist, die Ausrichtung des Gesundheitswesens den Ökonomen zu überlassen“, betonte Eßer. Ein „Weiter so“ auf dem Weg zunehmender Vergewerblichung und Industrialisierung dürfe es nicht geben. Es gelte, die Stärke eines freiberuflichen und selbstverwalteten Gesundheitssystems noch stärker herauszustellen.

Eine besondere Rolle kommt aus Sicht des KZBV-Vorsitzenden dabei dem Abbau alter Vorurteile über die Zahnärzteschaft zu. „Das vorherrschende Zerrbild des Zahnkosmetikers, Bleaching-Experten und Wellness-Zahnarztes, das sich in den letzten Jahren nicht zuletzt wegen falscher Öffentlichkeitsarbeit etabliert hat, gilt es grundlegend zu revidieren“, forderte er. Es müsse immer wieder hervorgehoben werden, was die Zahnärztinnen und Zahnärzte in diesem Land jeden Tag für ihre Patientinnen und Patienten leisteten. „Wir sind Ärzte, Freiberufler, Helfer und Heiler. So wollen wir auch verstanden und wertgeschätzt werden“, rief Eßer den aus den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) per Videokonferenz zugeschalteten Delegierten zu.

Bittere Zwischenbilanz

Eßers Bilanz der Corona-Krise fiel erwartungsgemäß gemischt aus. „Unter Einhaltung höchster Hygienestandards hat es die Zahnärzteschaft geschafft, die vertragszahnärztliche Versorgung zu jedem Zeitpunkt, sowohl in der Regelversorgung als auch in der Versorgung der Infizierten und der Verdachtsfälle, aufrechtzuerhalten“, fasste er nicht ohne Stolz die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in den vergangenen Monaten zusammen.

Er dankte den Zahnärztinnen und Zahnärzten und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland herzlich. „Bis heute ist kein einziger Fall bekannt geworden, bei dem es zu einer COVID-19-Infektion von Patienten aus einer zahnärztlichen Behandlung heraus gekommen ist“, fügte er hinzu.  Aus dem Stand sei ein Netz von Behandlungszentren in 30 Kliniken und 170 Schwerpunktpraxen für die Akut- und Notfallversorgung aufgebaut worden.

Von Beginn der Pandemie an hätten die KZBV und die KZVen auf Bundes- und Landesebene auf ihren Websites und über die sozialen Medien umfassende und ständig aktualisierte Informationen bereitgestellt, außerdem in den Ländern Hotlines für die Patienten und die Kollegenschaft. Eßer dankte in diesem Zusammenhang dem Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) für die Erarbeitung eines vielbeachteten wissenschaftlichen Handouts für die Patientenbehandlung während der Pandemie.

„Wir haben gezeigt, dass sich Politik und Gesellschaft auch in Krisenzeiten auf die Zahnärzteschaft verlassen können“, fasste Eßer zusammen.

Umso unverständlicher und bitterer sei es, dass die Politik diese Leistung nicht anerkannt habe. Hart ins Gericht ging er mit den Landesregierungen, von deren Seite die notwendige Unterstützung ausgeblieben sei. Gleiches gelte für den GKV-Spitzenverband und die Krankenkassen, die eine paritätische Lastenverteilung verweigert hätten.

„Das ist die ernüchternde Bilanz und zeigt knallhart auf, was wir der Politik nach den vielen wohlfeilen Worten auf unseren Versammlungen tatsächlich wert sind und bedeuten“, erklärte Eßer. Dies sei nur schwer in Einklang zu bringen mit dem Vertrauen und der großen Wertschätzung, die die Patienten den Zahnärztinnen und Zahnärzten entgegenbringen.

Eßer ergänzte, dass die KZBV von Beginn an bei all ihren Aktivitäten in engem Schulterschluss mit der Bundesärztekammer (BZÄK) agiert habe. „Es war daher äußerst unglücklich und völlig kontraproduktiv, dass nicht alle Verantwortungsträger diesen gemeinsamen Weg bis zum Schluss durchgehalten haben“, kritisierte er. Dies habe das Außenbild der Zahnärzteschaft stark beeinträchtigt und die politische Schlagkraft gemindert.

In diesem Herbst werde sich zeigen, wie es um die wirtschaftliche Lage der Praxen bestellt ist. Mit Blick auf die Evaluationsklausel in der COVID-19-Versorgungsstrukturen-Schutzverordnung, nach der das Bundesgesundheitsministerium bis zum 15. Oktober 2020 die Auswirkung der Verordnung auf die wirtschaftliche Situation der Praxen überprüfen muss, sagte Eßer, das man das Leistungsgeschehen in den Praxen akribisch beobachten und analysieren werde.

Zahl der MVZ knackt 1.000er-Marke

Weiter im Fokus der KZBV steht das kontroverse Thema MVZ. Zwei aktuelle Entwicklungen sind laut Eßer besonders beachtenswert: Zum Ende des ersten Quartals 2020 habe die Anzahl der zugelassenen MVZ erstmals die 1.000er-Marke geknackt. Zudem liege der Anteil der MVZ mit Fremdinvestorenbeteiligung an allen MVZ inzwischen bei knapp über 20 Prozent. Dies zeige deutlich, dass der Wachstumstrend im Bereich der zahnärztlichen MVZ ungebrochen sei.

Eßer geht davon aus, dass die bekannten Finanzinvestoren weiter in den deutschen Dentalmarkt investieren werden und auch andere Finanzinvestoren ihre Investitionspläne weiterhin verfolgen. „Das sollte uns alle höchst nachdenklich machen und alarmieren“, warnte der KZBV-Vorsitzende. Es sei daher geplant, die vorhandenen Daten in den kommenden Wochen noch breiter und tiefgreifender zu analysieren und zu publizieren.

Nicht im Frust verharren!

Eßer appellierte an die Vertreterversammlung, trotz der ernüchternden Erfahrungen der vergangenen Monate nicht in Frust zu verharren. „Das wäre genau das Falsche. Wir müssen uns nach vorne in die Zukunft orientieren“, ermutigte der KZBV-Vorsitzende seine Kolleginnen und Kollegen.

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