Schmerz lass nach

Wolfgang Straßmeir
In weiten Teilen Deutschlands ist die Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen mangelhaft. Darauf machten Experten aufmerksam.

Vorschläge für eine Verbesserung der Versorgungssituation diskutierten Vertreter der gemeinsamen Selbstverwaltung von Krankenkassen und Ärzten auf einer Tagung des Berufsverbandes der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e.V. (BVSD) in Berlin.

Zwischen den ersten Symptomen einer chronischen Schmerzerkrankung und dem Beginn von qualifizierten schmerztherapeutischen Maßnahmen liegen bundesdurchschnittlich vier Jahre, stellte der BVSD in seinem „Weißbuch Schmerzmedizin“ (2012) fest. Einer der Gründe sei eine allgemein zu geringe ärztliche Kenntnis über das Chronifizierungspotenzial von Schmerzen, die dann ihre Warnfunktion zu verlieren drohen.

Patienten finden zu spät zum Spezialisten

"Trotz vorhandener Präventionsmöglichkeiten und Therapiealternativen finden Patienten zu spät den Weg zur Schmerzmedizin. Ärztliche Aus- und Weiterbildung müssen deshalb verbessert werden. Zudem haben wir definitiv zu wenige qualifizierte Schmerztherapeuten, die auch noch vielerorts eklatanten Verwerfungen in der Versorgungssteuerung ausgesetzt sind“, kritisierte Prof. Dr. Dr. Joachim Nadstawek, BVSD-Vorsitzender. Nach Angaben des BVSD stehen rund acht Millionen Menschen mit behandlungsbedürftigen chronischen Schmerzen 1.027 Schmerzmedizinern mit Kassenzulassung im ambulanten Bereich gegenüber.

Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen in die Praxis

Dass Veränderungen in der schmerztherapeutischen Versorgung notwendig sind, erkennt auch die Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). „Wir haben hier eine hochspezialisierte Leistung, die wegen ihrer Interdisziplinarität und Multiprofessionalität, eines besonderen Schutzes und einer speziellen Förderung bedarf. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen in die Praxis und Vergütungsanreize neu gesetzt werden“, erklärte Dr. Bernhard Gibis, Leiter Bereich Verträge und Verordnungsmanagement bei der KBV.

Er versprach Initiativen der KBV, um die Planungssicherheit für spezielle Schmerztherapeuten und damit die in vielen KV-Bereichen ungenügende Vergütung spezieller schmerztherapeutischer Leistungen zu verbessern. Gibis plädierte außerdem für eine "strukturierte Koordinierung von Hausärzten und Schmerzmedizinern“.

Berücksichtigung der Besonderheiten

Auch für die Krankenkassen sei ein “erhöhter Veränderungsbedarf in diesem Versorgungsbereich“ evident, erklärte Christian Peters, AOK-Bundesverband. Die Besonderheiten, unter denen ambulante Schmerztherapie erbracht werde, müssten zukünftig stärker berücksichtigt werden. Ein ungebremster Anstieg bestimmter Leistungsausgaben für einzelne Leistungsbereiche der GKV müsse jedoch verhindert werden, warnte Peters.

Dass es zu einem "unkontrollierten Ausgabenanstieg“ bei einer besonderen Förderung schmerztherapeutischer Leistungen komme, befürchtete der BVSD-Vorsitzende nicht: "Aufgrund der in der Schmerztherapie-Vereinbarung der KBV vorgegebenen Fallzahllimitierung und der Begrenzung der Fallzahlen können nur maximal 300 Fälle je Arzt im Quartal versorgt werden. Dies dient der Therapiequalität, ist dem hohen zeitlichen Aufwand geschuldet und soll auch nicht verändert werden“, bemerkte Nadstawek.

"Doch wenn wir nicht einen Schutzraum für die Schmerztherapie schaffen, wird sich die Versorgungslage von chronischen Schmerzpatienten auch durch den fehlenden Nachwuchs von ausgebildeten Schmerztherapeuten weiter verschlechtern.“

Einheitlich honorieren

Der BVSD fordert daher eine bundeseinheitliche Honorierung für die Teilnehmer an der Qualitätssicherungsvereinbarung zur schmerztherapeutischen Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten gemäß § 135 Absatz 2 SGB V (Schmerztherapie-Vereinbarung der KBV). Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Einhaltung der Schmerztherapie-Vereinbarung nicht zur existenziellen Gefährdung der Speziellen Schmerztherapeuten führen dürfe. 

Weitere Forderungen: die Herauslösung der EBM-Kapitel 30.7.1 und 30.7.2 aus der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung, Beendigung von überdurchschnittlich häufigen Regressprüfungen und die Förderung der Ausbildung zur Schmerztherapie für Ärzte und Psychologische Schmerzpsychotherapeuten.

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