USA: Versichert via Web

Claudia Pieper
Seit 2010 ist die hoch umstrittene US-Gesundheitsreform in Kraft, doch erst jetzt tritt sie in die entscheidende Phase: Am 1. Oktober öffnen die “Health Insurance Exchanges” ihre Internet-Türen.

Die “Health Insurance Exchanges” sind Online-Versicherungsbörsen, auf denen sich Amerikaner, die derzeit nicht versichert sind, in den nächsten sechs Monaten eine Police aussuchen können. Denn “Obamacare”, wie die Reform ursprünglich von Feinden, aber mittlerweile auch von Freunden genannt wird, bringt ab Januar 2014 nicht nur Versicherungszugang, sondern auch -pflicht für (fast) alle.

Eine gute Nachricht ist das vor allem für diejenigen, die bislang wegen Vorerkrankungen vom Versicherungsmarkt ausgeschlossen waren: Sie können von nun an nicht mehr abgelehnt oder nach Gesundheitsrisiko veranlagt werden. Eine Veranlagung nach Alter ist zwar nach wie vor legal, aber begrenzt: Bis zu dreimal mehr dürfen die Versicherungen ältere Klienten im Vergleich zu jüngeren ablehnen.

Regierung subventioniert großzügig

Umstritten ist die kommende Versicherungspflicht: Wer bis Ende März 2014 keine Krankenversicherung unter Dach und Fach hat, muss mit einer Steuerstrafe rechnen. Viele Amerikaner sind sich aber weder dessen bewusst, noch der Tatsache, dass die Regierung die meisten Versicherungspolicen großzügig subventionieren wird: Alle, deren Einkommen bei bis zu 400 Prozent über der Armutsgrenze liegen, erhalten auf den Versicherungsbörsen automatisch Rabatte.

Wie katastrophal der Informationsstand der Amerikaner in Sachen Gesundheitsreform ist, zeigen jüngste Umfragen. Nur ein Viertel der amerikanischen Erwachsenen gab Anfang September in einer von der Tageszeitung "USA Today" und dem Forschungsinstitut Pew Research Center durchgeführten Studie an, sie verständen, wie die Reform sich auf sie und ihre Familien auswirkt. Ein Drittel hatte keine Ahnung.

Das Gros weiß nichts

Von den 19 Prozent der Amerikaner, die nicht versichert sind, wussten fast 40 Prozent nicht, dass sie sich unter dem neuen Gesetz versichern müssen. Besonders problematisch ist der Wissensmangel, was die “Health Insurance Exchanges” angeht: Laut der gemeinnützigen Kaiser Family Foundation wussten im Juni nur 22 Prozent der 18- bis 64-Jährigen “viel” oder “einiges” über die Versicherungsbörsen. 45 Prozent wussten nichts davon.

Bei den jungen Erwachsenen, unter denen die Nichtversicherungsrate besonders hoch ist, herrschte ebenfalls Unwissenheit. In einer Umfrage des Commonwealth Fund im August hatten 73 Prozent der 19- bis 29-Jährigen keine Ahnung, welchen Zweck die Versicherungsbörsen erfüllen sollen.

Das ist alarmierend, weil ihre Teilnahme am neuen Versicherungssystem extrem wichtig ist: Nur wenn sich genug junge, gesunde Amerikaner über die “Exchanges” versichern, ist gewährleistet, dass das Risiko gut verteilt wird. Nehmen dagegen vor allem Ältere und Kranke an den “Exchanges” teil, wird sich das negativ auf die Versicherungsbeiträge auswirken.

Für Vermonter, von Vermontern

Die Befürworter der Reform wissen, wieviel auf dem Spiel steht. Vor allem in den zwei Dutzend Bundesstaaten, die ihre eigenen “Exchanges” aufgebaut haben, laufen derzeit intensive Bemühungen, Informationsstand und Image der Reform zu verbessern.

In New York läuft zum Beispiel eine Multimediakampagne, die nicht nur Fernseh-, Radio- und Printwerbung einsetzt, sondern auch versucht, jüngere Leute über Facebook, Twitter und Google zu erreichen. Vermont wirbt mit dem Videoslogan “Für Vermonter, von Vermontern”, um klarzumachen, dass die Vermonter Versicherungsbörse den Einheimischen nicht von der Bundesregierung übergestülpt wird.

Die Informationskampagnen tragen bereits Früchte: Dort, wo die Bundesstaaten für ihre selbstverwalteten "Exchanges" werben, wussten Anfang September laut Pew Research/"USA Today" bereits fast 60 Prozent der Befragten über sie Bescheid. Eine größere Herausforderung ergibt sich in den Bundesstaaten, deren politische Führung gegen die Reform ist. Dort hat die Bundesregierung zwar Aufbau und Verwaltung der Versicherungsbörsen übernommen, tut sich aber schwer, ihre potenzielle Klientel zu erreichen. Laut derselben Umfrage waren dort nur 44 Prozent der Leute über die “Exchanges” informiert.

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