Zwangsrabatt statt Nutzenprüfung?

ck/dpa
Wegen eines befürchteten Kostenschubs bei den Arzneimitteln erwägt die Politik, die Hersteller weiter zu großen Rabatten zu zwingen. Aufwendige Nutzenbewertungen könnten dagegen eingestellt werden.

 "Wir werden uns alles anschauen, was Sinn macht", sagte der CSU-Gesundheitsexperte Johannes Singhammer am Rande der Koalitionsverhandlungen zu Gesundheit am Donnerstag in Berlin. 

Nicht mehr die Apotheke der Welt

Die solide Finanzierung der Krankenversicherung sei wichtig, auch Einsparmöglichkeiten würden bewertet, so Singhammer. Doch zu bedenken sei auch, dass der Standort Deutschland seine Rolle als Apotheke der Welt bereits heute verloren habe. 

Seit vielen Jahren müssen Pharmafirmen den Kassen einen gesetzlich vorgeschriebenen Nachlass auf Medikamente gewähren. 2010 hatte Schwarz-Gelb den Zwangsrabatt wegen der damals schlechten Finanzlage der Krankenversicherung von 6 auf 16 Prozent erhöht - zum Leidwesen der Pharmabranche. 

Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte: "Der Rabatt läuft Ende des Jahres aus." Das weitere Vorgehen werde zu entscheiden sein. In Branchenkreisen hieß es, die scheidende FDP-Führung des Ministeriums werde den Rabatt nicht mehr verlängern. Ob eine schwarz-rote Koalition rechtzeitig handlungsfähig ist, gilt als fraglich. Schätzungen der Kassen zufolge drohen Mehrkosten von 1,5 Milliarden Euro. 

Prüfungen versus Rabatte

Hoffnungen, die Arzneimittelüberprüfungen gemäß der schwarz-gelben Medikamentenreform Amnog könnten den Rabatt rasch ersetzen, erfüllten sich nicht: Milliardeneinsparungen blieben bisher aus. Zwar wurden bereits viele neue Medikamente auf ihren Zusatznutzen geprüft - und in der Folge niedrigere Erstattungspreise zwischen Hersteller und Kassen ausgehandelt. Doch auf dem Milliardenmarkt der älteren Mittel, die noch Patentschutz haben, tat sich bisher wenig. 

Der zuständige Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) aus Kassen, Ärzten und Kliniken will noch in diesem Jahr die nächste Stufe zünden und weitere bereits breit angewendete Mittel auf den Prüfstand stellen, wie es aus dem Gremium hieß. Doch müssen dazu eine Vielzahl Studien ausgewertet werden. Zudem drohen Klagen der betroffenen Pharmakonzerne, wenn ein Mittel schlecht abschneidet. 

Wegen der Schwierigkeiten meinen die Kassen, statt diesem komplizierten Verfahren könne einfach der Zwangsrabatt fortgesetzt werden. Dies sei als pragmatischer und unbürokratischer Weg denkbar, sagte ihr Verbandssprecher Florian Lanz. 

Kein Tauschgeschäft

Dagegen wandte sich die Industrie. Wenn die Bewertung des Marktes etablierter Mittel Probleme mache, sei dazu kein Tausch gegen andere Maßnahmen möglich, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Pharmaverbands vfa, Birgit Fischer. Dem "Handelsblatt" sagte sie: "Es gibt keinen Deal und Pharma lässt sich auf keinen Kuhhandel ein." 

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