Landgericht Frankenthal

Arztbewertungsportal: Kieferorthopäde erwirkt Löschung eines Negativ-Posts

ck/pm
Praxis
Wer trägt die Beweislast bei negativen Bewertungen auf Ärzteportalen? Grundsätzlich muss der klagende Arzt belegen, dass die Beiträge falsch sind. Allerdings muss auch das Portal Fakten zur Aufklärung im Rahmen der sekundären Darlegungslast beisteuern.

Hintergrund:

Der Kläger ist Gesellschafter in einer Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis) und dort als Kieferorthopäde tätig. Die Beklagte betreibt als Hostprovider unter der Internetadresse www.Beklagte.de ein Bewertungsportal.

Das Portal ist so aufgebaut, dass sich ein Nutzer ohne Klarnamen allein mit einer E-Mail-Adresse und einem Passwort registrieren und Bewertungen einstellen kann. Für die Bewertungen sind freiwillige und Pflichtangaben erforderlich. Als Pflichtangabe muss eine Überschrift vergeben werden, in einem Freifeld kann ein Bewertungstext verfasst werden. Für einzelne Punkte vergibt man Schulnoten, aus denen am Ende die Gesamtnote berechnet wird. Abschließend können weitere freiwillige Angaben unter anderem zur Person des Bewertenden und zum Grund der Behandlung gemacht werden.

Der Fall:

Am 26. August 2016 wurde auf dem Portal eine anonyme Bewertung über den Kieferorthopäden veröffentlicht, mit folgender Überschrift: "überaus unhöflich und unprofessionell". Daneben erscheint die Gesamtnote von 5,2.

Die Bewertung des Patienten (Freitext)

Die Bewertung des Patienten (Freitext)

LG Frankenthal

Folgende Einzelnoten wurden in nachfolgend benannten Einzelkategorien vergeben: Behandlung 6,0, Aufklärung 5,0, Vertrauensverhältnis 5,0, genommene Zeit 5,0, Freundlichkeit 5,0, Angst-Patienten 5,0, Wartezeit Praxis 3,0, Betreuung 4,0, Entertainment 2,0, Kinderfreundlichkeit 6,0, Praxisausstattung 4,0.

Am 7. September 2016 forderte der Zahnarzt den Provider auf, die Bewertung zu löschen. Die Betreiber leiteten daraufhin ein Prüfverfahren ein und baten den Patienten um Behandlungsbelege. Am 21. September teilten die Betreiber mit, dass sie das Prüfverfahren eingeleitet hätten und der Verfasser Stellung nehme. Die Bewertung nahmen sie zunächst vollständig von der Plattform.

Der Verfasser gab am 8. Oktober eine Stellungnahme* ab und benannte als Behandlungszeitraum 6/12-6/16, woraufhin die Betreiber dem Zahnarzt eine fast vollständig geschwärzte Abschlussbescheinigung über eine kieferorthopädische Behandlung sowie die Stellungnahme vom 8. Oktober 2016 schickten mit der Gelegenheit zur Stellungnahme bis 25. Dezember 2016. Danach entfernten sie den letzten Satz der Bewertung: "Meiner Meinung nach ein ganz furchtbarer Mensch " - und stellten die übrige Bewertung wieder online.

Stellungnahme des Patienten*

Stellungnahme des Patienten*

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2017 verlangte der Anwalt des Kieferorthopäden nochmals Löschung mit der Begründung, ein Arzt-Patienten-Kontakt sei nicht nachgewiesen und die Bewertung ziele darauf ab, die persönliche und berufliche Integrität mit größtmöglichem Schaden anzugreifen.

Die Forderung des Zahnarztes

Die Forderung des Zahnarztes

LG Frankenthal

Entscheidung:

Das Landgericht Frankenthal verpflichtete das Portal, die Bewertung zu löschen und die vorgerichtlichen Anwaltskosten des Arztes zu begleichen.

Zwar seien Meinungen und Bewertungen grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die geäußerte Meinung müsse jedoch zumindest ein Tatsachenkern enthalten. Dies sei bei der Bewertung einer ärztlichen Leistung die (Minimal-)Tatsache, dass überhaupt ein Arzt-Patienten-Kontakt im Sinne einer Behandlung stattgefunden hat.

Die sekundäre Darlegungspflicht des Bewertungsportals

Genau das sei in diesem Fall aber strittig, so dass der klagende Mediziner belegen müsse, dass kein Behandlungskontakt vorlag. Nichtsdestotrotz bestehe darüber hinaus auch eine sekundäre Darlegungspflicht des Bewertungsportals. Dies folge aus dem Umstand, dass der Beweis negativer Tatsachen für den Arzt besonders schwierig zu erbringen sei.

Der Provider werde erst dann verantwortlich, wenn ein Arzt oder Zahnarzt ihn auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Angebots hinweist. Dabei müsse der Betroffene die Beanstandung so konkret fassen, dass der Rechtsverstoß leicht nachvollzogen werden kann. 

Dies habe der Kläger getan. Er hat am 7. September aufgelistet, warum die Bewertung ihn in seinem Persönlichkeitsrecht und seiner beruflichen Integrität trifft. Dies ist für die Kammer auch völlig plausibel, da er mit einer Gesamtnote von 5,2 bewertet wurde und die Textbewertung inhaltlich ebenfalls nur negative Meinungen enthält. Die Bewertung könne sich auch objektiv beruflich nachteilig auf den Kläger im Wettbewerb gegenüber anderen Ärzten  auswirken, gerade weil er als extrem schlechter Arzt bezeichnet wurde. Die negative Bewertung sei dazu geeignet, potenzielle Patienten abzuschrecken.

Dass der Bewertende im Rahmen des obligatorsichen Prüfverfahrens antwortete "... Im Einwand von Herrn Kläger werde ich dazu aufgefordert, Anknüpfungstatsachen zu nennen. Dies habe ich bewusst nicht gemacht, da Tatsachen im Zweifel für einen Patient nicht beweisbar sind", reicht laut Gericht nicht aus.

Indem der Host die beigefügte - geschwärzte - Abschlussbezeichnung an den Kläger weiterleitete, hat er aus Sicht des Gerichts seiner sekundären Darlegungslast nicht entsprochen, da der Bewertende weder in der angegriffenen Bewertung, noch in seiner Stellungnahme im Prüfverfahren irgendeine Anknüpfungstatsache für eine erfolgte Behandlung geschildert hat.

Es wäre aus Sicht der Richter aber gerade angesichts der angegebenen Behandlungsdauer von vier Jahren von dem Bewertenden zu fordern gewesen, dass er nicht nur eine geschwärzte Abschlussbescheinigung vorlegt, sondern auch andere Unterlagen, wie (geschwärzte) Terminzettel, Rezepte, Rechnungen oder Ähnliches. Da dies nicht geschah, habe das Portal seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt, und es müsse davon ausgegangen werden, dass eine Behandlung des Verfassers tatsächlich nie stattgefunden hat.

LG FrankenthalAz.: 6 O 39/18

Urteil vom 18. September 2018

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