Mundhygiene von Pflegebedürftigen

"Die Schulung des Pflegepersonals ist extrem wichtig!"

mg
Praxis
Extra Zahnbürsten für Pflegebedürftige sucht man in der Drogerie vergebens. „Mundhygiene spielt in der Pflege noch eine viel zu kleine Rolle“, bestätigt Prof. Stefan Zimmer von der Universität Witten/Herdecke. Die wichtigste Stellschraube aus seiner Sicht ist die Schulung des Pflegepersonals.

Stimmt es, dass es zu wenig Hilfsmittel für AuB-Patienten gibt? Pflegekräfte berichten, dass sie und die Betroffenen sich oft mit selbst gebastelten Utensilien behelfen müssen. 

Prof. Stefan Zimmer

: Das stimmt sicher zumindest teilweise. Aber andererseits gibt es ein bereits 2007 erschienenes tolles evidenzbasiertes Lehrbuch über Mundhygienehilfsmittel und -techniken für Pflegende und DHs von dem Pflegewissenschaftler Dr. Thomas Gottschalck. Er war mein Doktorand. Nur scheint mir das Interesse an dem Buch gering.

Offenbar hat die Industrie nur wenig Interesse, derartige Produkte zu entwickeln. Woran liegt das Ihrer Meinung? Immerhin handelt es sich um einen stark wachsenden Absatzmarkt.

Ich denke, dass der Adressatenkreis groß sein könnte, aber die reale Nachfrage nach diesen Hilfsmitteln aktuell noch gering ist. Sowohl in der häuslichen als auch der ambulanten Pflege spielt Mundhygiene leider noch eine viel zu kleine Rolle. Das liegt daran, dass das sie einerseits in den Lehrplänen für Pflegeberufe noch nicht angemessen integriert ist und dass die Pflegenden auch gar keine Zeitkontingente haben, um das Thema angemessen zu bearbeiten. Auch glaube ich, dass noch die Meinung vorherrscht, dass Pflegebedürftige überwiegend Totalprothesenträger sind und deshalb Mundhygiene kein so wichtiges Thema darstellt.

Bis sich das ändert, bleiben also durchbohrte Tennisbälle und Fahrradgriffe als Griffverstärkung für normale Zahnbürsten weiter die Regel. Wie müssten denn die perfekten Zahnbürsten für unterschiedlich stark pflegebedürftige Patienten  aussehen?

Das kommt natürlich darauf an, ob der Pflegebedürftige selbst putzen kann oder ob die Pflegekraft das übernimmt. Falls er selbst putzt, können bei Greifschwierigkeiten individualisierte Griffe, die vom Zahnarzt aus knetbarem Silikon gefertigt werden, hilfreich sein.

"Bei Greifschwierigkeiten könnten Griffe aus knetbarem Silikon hilfreich sein!"

Was wäre denn die wichtigste Stellschraube, um die Mundgesundheit dieser Patientengruppe weiter zu verbessern?

Auf jeden Fall ist die Schulung und Motivierung des Pflegepersonals zur Mundhygiene extrem wichtig. Diese erfolgt am besten durch den betreuenden Zahnarzt in den Einrichtungen. Darüber hinaus sollten auch Fortbildungsveranstaltungen für ambulante Pflegedienste angeboten werden.

"Es müssen dringend mehr Kooperationsverträge mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden!"

Aber man muss den Pflegekräften auch die Zeit einräumen, sich angemessen um die Mundhygiene der Pflegebedürftigen kümmern zu können. Das bedeutet, dass dafür bezahlt werden muss. Neben diesen Maßnahmen, die ja die häusliche Mundhygiene ersetzen müssen, muss die zahnärztliche aufsuchende Betreuung treten. Es müssen dringend mehr Kooperationsverträge mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen und auch für die zahnärztliche Betreuung der Patienten in häuslicher Pflege Konzepte entwickelt werden.

Prof. Dr.med.dent. Stefan Zimmer ist Lehrstuhlinhaber für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin an der UniversitätWitten/Herdecke.

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