Urteil des Bundesgerichtshofs

Gewerbliche Ernährungsberatung in Praxisräumen ist rechtens

mg
Praxis
Wird in der Praxis eine gewerbliche Ernährungsberatung durchgeführt, handelt der Arzt weder berufsrechts- noch wettbewerbswidrig, wenn er diese zeitlich, organisatorisch, wirtschaftlich und rechtlich trennt.

Nachdem die

Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.

(Wettbewerbszentrale)

zunächst vor dem Landgericht Darmstadtunterlag, entschied am Ende der Bundesgerichtshof

am 23. August 2017zu ihren Gunsten.

Wegen ihres "Diät- und Ernährungsprogramms" zur Gewichtsreduktion, das über Ernährungsberater angeboten wurde, sowie einer Werbung auf der Homepage, in der die Vorteile eines "nachfrageorientiert agierenden Dienstleistungsunternehmens Arztpraxis" beworben wurden, mahnte die Wettbewerbszentrale die betreffende Firma ab.

Begründung: Die Werbung veranlasse Ärzte zu einem berufs- und zugleich wettbewerbswidrigen Verhalten, denn ein Arzt, der gewerbliche Ernährungsberatung in den Räumen seiner Praxis betreibt, verstoße gegen § 3 Abs. 2 und § 34 Abs. 5 der Berufsordnung für Ärzte in Hessen.

Die in erster Instanz unterlegene Wettbewerbszentrale hatte im Berufungsverfahren daraufhin beantragt, es der Firma zu untersagen, bei Ärzten ein Konzept zu bewerben, denzufolge Ärzte ein Diät- und Ernährungsprogramm empfehlen oder vertreiben, und hierbei den Eindruck zu vermitteln, der Arzt dürfe die Empfehlung, Anwendung oder den Vertrieb des Programms ohne eine (auch) räumliche Trennung von der Arztpraxis vornehmen. Das Berufungsgericht hatte der Klage stattgegeben (OLG Frankfurt GRUR-RR 2005, 230).

Das Unternehmen beantragt Klageabweisung - mit Erfolg: Der Bundesgerichtshof entschied, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte die mit der Werbung angesprochenen Ärzte zu einem berufs- und wettbewerbswidrigen Verhalten veranlasst hat. Denn die angesprochenen Ärzte verstießen, wenn sie sich wie in der Werbung als zulässig dargestellt verhalten, weder gegen § 3 Abs. 2 BOÄ noch gegen § 34 Abs. 5 BOÄ, urteilten die Richter.

So argumentierten die Bundesrichter

Die Firma weist in der beanstandeten Werbung darauf hin, dass die gewerbliche Ernährungsberatung und die freiberufliche ärztliche Tätigkeit organisatorisch, wirtschaftlich und rechtlich voneinander getrennt durchgeführt werden müssen. Die Wettbewerbszentrale wendet sich lediglich dagegen, dass die Werbung nicht darüber hinaus auch eine räumliche Trennung der gewerblichen Ernährungsberatung von der Arztpraxis fordert. Da die berufsrechtlichen Bestimmungen eine solche Trennung jedoch nicht erfordern, sei dies jedoch nicht begründet.

Zwar sei dem Arzt nach § 3 Abs. 2 BOÄ unter anderem untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit diese nicht wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind, da damit jedoch nur der gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vorgebeugt werde, sei es nur insoweit gerechtfertigt, "als vernünftige Zwecke des Gemeinwohls dies erfordern und den seinen Beruf ausübenden Arzt nicht übermäßig oder unzumutbar treffen". Es sei daher grundsätzlich eine enge Auslegung geboten.

"Ethisch vertretbar und nicht unlauter"

Bei der Frage, ob die von der Firma vorgeschlagene Verwendung der eigenen Praxisräume notwendigerweise berufsrechtswidrig ist, sei außerdem in Rechnung zu stellen, dass Ärzten eine gewerblich-unternehmerische Tätigkeit auf dem Gebiet des Heilwesens grundsätzlich nicht untersagt ist - dies gelte nur dann, wenn die Tätigkeit mit den ethischen Grundsätzen des ärztlichen Berufs nicht vereinbar ist. Ebenso sei dem Arzt die Hergabe seines Namens in Verbindung mit einer ärztlichen Berufsbezeichnung für gewerbliche Zwecke nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BOÄ nur dann verboten, wenn dies in unlauterer Weise geschieht.

Da von der Durchführung solcher Informationsveranstaltungen in den Praxisräumen des Arztes keine erhebliche Wirkung auf eine gesundheitspolitisch unerwünschte Kommerzialisierung des Arztberufs ausgehe, sei diese auch nicht zu beanstanden. Dabei spielt der besondere Gegenstand der Informationsveranstaltung - ein Diät- und Ernährungsprogramm - aus Sicht der Richter eine nicht unerhebliche Rolle. Denn Menschen mit Übergewicht wüssten, dass eine Ernährungsberatung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion sinnvollerweise auch medizinische Erkenntnisse berücksichtigen sollte.

Die Teilnehmer werden die Mitwirkung von Ärzten an dem Diät- und Ernährungsprogramm daher nicht als Anzeichen dafür ansehen, dass sich die Ärzte inzwischen zunehmend als Gewerbetreibende verstehen, die ihr Verhalten nicht mehr in erster Hinsicht an den gesundheitlichen Interessen ihrer Patienten orientieren. Dies gelte auch dann, wenn die Beratung durch den Arzt in dessen Praxisräumen erfolgt.

BundesgerichtshofAz.: I ZR 75/05Urteil vom 23.8.2017 (Link)

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