So vermeiden Sie den Zahnarzt-Burn-out!

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Praxis
Mediziner, Chef, Unternehmer: Zahnärzte sind aufgrund ihrer Dauerbelastung stark Burn-out-gefährdet. Wie sie sich am besten fit halten, verrät Dr. Hansruedi Steiner. Der Schweizer coacht Führungskräfte zu den Themen "Auszeit" und "Führungsaufgaben".

zm-online:  Herr Dr. Steiner, Sie kommen gerade von einer Fortbildung mit Zahnärzten, wie stand es um die Teilnehmer?

Dr.Hansruedi SteinerIch bin geneigt zu sagen: Typisch. Natürlich kennt jeder Mensch Phasen, in denen seine Tat- und Spannkraft niedriger ist. Aber trotzdem sind es immer noch oft diejenigen, die nicht unmittelbar von einer persönlichen Krise betroffen sind, die öffentliche Workshops und Vorträge zum Thema Burn-out-Prophylaxe besuchen. So dürfte es auch bei der Zahnärzte-Fortbildung gewesen sein.

Wo liegt denn die größte Gefahr, als Zahnarzt in die Burn-out-Falle zu tappen?

Das lässt sich nicht absolut beantworten. Zum einen spielt wie bei anderen Berufsgattungen die persönliche Gesamtsituation mit: Wichtige Beziehungen, die Situation im Praxisteam oder die eigene Gesundheit.

Zum anderen hat jede Zahnärztin, jeder Zahnarzt eine individuelle Anfälligkeit, sei es hinsichtlich der Abgrenzung von Patienten- oder Teamproblemen, bezüglich der Tendenz zum „Überall-Leister“, in Bezug auf allzu perfektionistische Ansprüche oder aber auch mit der Unausweichlichkeit weiterer 20 Jahre mit mehr oder weniger gleichen Aussichten, sozusagen als Gefangener in der Box.

Sie haben in der Schweiz ein "Auszeitdomizil" mit Burn-out-Präventions-Coaching aufgebaut. Wie muss man sich den Aufenhalt dort vorstellen?

Es ist mehr der Ansatz, den wir pflegen, der für uns nebst der persönlich vereinbarten Tagesstruktur und der Konzentration auf sich selbst besonders wichtig ist. Meiner Meinung nach sind es zwei Ausgangslagen, die prioritär sind: Zum Ersten geht es um das Individuum als eigener „Baumeister“, bei uns hinsichtlich Burn-out-Prophylaxe als Gast und nicht als Patient.

Zum Zweiten geht es darum, die individuelle Situation zu verstehen. Eine Lösung ist nicht wirklich hilfreich, wenn sie nicht zum Problem passt. Unser Ansatz ist geprägt von positiver Psychologie, mit der mir wichtigen Schlüsselfrage: Wie müsste es sein, dass es für dich wirklich gut wäre? Unsere Gäste, die ein paar Tage oder auch Wochen bleiben, gehen mit einem individuellen Plan nach Hause, wie sie ihre Weichen stellen und künftige Prioritäten setzen wollen. 

"Digital Detox" liegt im Trend. Was halten Sie denn davon?

Jedes Hilfsmittel will mit Maß verwendet werden. Die ständige Erreichbarkeit, die gerade im Gesundheitswesen üblich ist, verleitet zu einer Multitasking-Gewohnheit, welche auf Dauer die eigene Initiative und Achtsamkeit eindämmt und oft als Burn-out-Faktor Nummer eins genannt wird. Immer im fremdbestimmten Reaktionsmodus zu ticken, sich ständig mit einer nicht selbst gewählten Freundschafts- und Informationswelt konfrontiert zu sehen, überhitzt die eigene Kapazität und reduziert die persönliche Widerstandsfähigkeit, beziehungsweise Resilienz.

Ich kenne eine Firma, die den Handy- und Maileinsatz für einen Tag pro Woche verbietet. Gäste unseres Hauses reduzieren den digitalen „Konsum“ in jeder Hinsicht auf ein Minimum, nicht weil wir es ihnen vorschreiben, sondern weil sie selbst erkennen, dass dies ihrem Aufenthalt hilft.

Wie wichtig sind Naturerlebnisse für das menschliche Wohlbefinden?

Ihre Frage ist sehr gut gestellt. Das Naturerlebnis hat die persönliche Regeneration, nach der Anspannung die Entspannung, nach der Hektik die Ruhe, im Fokus. Zu lernen, mit der Natur und sich selbst allein zu sein, statt dem Outdoor-Hochleistungstrip oder der allgegenwärtigen „Action“ vermehrt auf sich selbst zu achten, ist eine Kunst, die von manchen neu entdeckt werden muss, aber zur nachhaltigen Ressource werden kann. Für viele Menschen besteht die Tendenz, dass sie immer am „Gehen“ und nie am „Bleiben“ sind. Die Natur lädt zum Innehalten und Beobachten ein, ein einzigartiges Geschenk!

Welchen Rat geben Sie Praxisinhabern mit auf den Weg?

Ein paar hilfreiche Tipps: 1. Achten sie auf einen Ausgleich von An- und Entspannung. 2. Pflegen Sie vielfältige Interessen in Ihrem Leben. 3. Nehmen Sie sich Zeit für das, was Ihnen wirklich wichtig ist. 4. Lassen Sie Ungereimtheiten nicht anstehen. 5. Suchen Sie aufbauende, positive Gedanken, Bilder, Menschen und Erfahrungen. 6. Vermeiden Sie das ständige Delta zwischen Soll und Ist, in dem etwas nie gut genug ist. 7. Hören Sie auf nahestehende Menschen, die bei Ihnen eine Veränderung wahrnehmen, und gehen Sie ihren Hinweisen nach. 

Es ist immer wieder zu lesen, dass Ärztinnen und Ärzte generell die höchste Burn-out- und Selbstmordrate haben. Die Dauerbelastung von fachlicher, führungsbezogener, wirtschaftlicher und administrativer Herausforderung zehrt an der Substanz. Im eigenen Praxisbereich empfiehlt es sich, so viel wie möglich zu delegieren und sich für die Zukunft fit zu halten.

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