Der Fall: Eine Batterie im Mund

Michael Dau, Boris Mark Niederquell, Peer Wolfgang Kämmerer
Zahnmedizin

Ein kleines Mädchen hat Batterieteile im Mund, Stücke davon kleben am Gaumen. Liegt eine Vergiftung oder Verätzung vor? Die Zahnärzte im Notdienst müssen schnell handeln.

Ein neunjähriges Mädchen wurde in der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Rostock im Rahmen des Notdienstes zusammen mit den Eltern vorstellig. Nach Angaben des Vaters hatte die junge Patientin beim Spielen mit einer AA-Batterie diese auseinander gebaut und dann Batterieteile in den Mund genommen.

Ein Teil der Batterie befand sich nun fest im Munde der Patientin. Sie und die Eltern hatten zwar probiert, das Stück zu entfernen, der Versuch war aber aufgrund der Schmerzhaftigkeit und der mangelnden Compliance abgebrochen worden.

Diagnose

Die klinische Untersuchung zeigte, dass der Boden der Batterie fest mit der Schleimhaut des Gaumens (Abbildung 1) verbunden war. Es erfolgte das vorsichtige Ablösen des Batteriebodens mit einer feinen chirurgischen Pinzette. Die anschließende Kontrolle - entfernter Batterieboden und restliche Bestandteile (vom Vater mitgebracht) - zeigte, dass die Batterie vollständig war, so dass sich kein Anhalt auf eine akzidentelle Aspiration von Batteriebestandteilen ergab.

Im Bereich der oralen Schleimhaut war lediglich eine lokale, sich auf die direkte Kontaktfläche der Batterie beschränkte Schleimhautreizung mit Rötung bei intakter Schleimhautoberfläche erkennbar.

Es erfolgte die telefonische Rücksprache mit der Giftnotrufzentrale in Berlin (siehe Liste der Kontaktadressen der Giftnotrufzentralen in Deutschland) bezüglich möglicher toxischer Bestandteile der Batterie, wobei Entwarnung gegeben werden konnte. Daraufhin wurde die Schleimhaut mit isotonischer Kochsalzlösung gründlich abgespült und es erfolgte die Besprechung des weiteren Verhaltens: Beobachtung der Schleimhaut durch die Eltern sowie Kontrollen auf mögliche Schleimhautnekrosen im Verlauf in der MKG-Sprechstunde.

Diskussion

Die hier geschilderte Situation stellt sicherlich einen seltenen und vergleichsweise simplen Fall dar, zeigt jedoch einige Fallstricke, die es zu bedenken gilt.

Jedes Jahr verunfallen in Deutschland 1,67 Millionen Kinder (Abbildung 3). Ein Drittel dieser Unfälle treten im Heim- und Freizeitbereich auf. Insgesamt gehören Unfälle zu den höchsten Gesundheitsrisiken für Kinder (www.Kindersicherheit.de:Bundesarbeitsgemeinschaft „Mehr Sicherheit für Kinder e.V.“ Bonn).

Einen Unfallschwerpunkt stellen Intoxikationen dar [Infobroschüre „Risiko Vergiftungsunfälle bei Kindern“, Bundesinstitut für Risikobewertung, 2009]. Hauptsächlich sind Kinder im Alter von sieben Monaten bis zu etwa vier Jahren vom Verschlucken diverser Gegenstände/Vergiftungen/Verätzungen (Reinigungsmittel, ätherische und Lampenöle, Medikamente und Giftpflanzen) betroffen. Bei älteren Kindern stehen Sport-, Freizeit- und Verkehrsunfälle im Vordergrund.

Vorsicht: Ätzgefahr!

Die Aspiration von Batterien war bei den verschluckten Fremdkörpern mit unter zwei Prozent der Fälle eher die Ausnahme [Yardeni et al., 2004]. Nach Daten aus den USA ereigneten sich allein 2014 über 3.272 kindliche Knopf-Batterie-Ingestitionen. Davon waren 2.129 Kinder unter sechs Jahren betroffen, bei denen zu weniger als acht Prozent ernsthafte gesundheitliche Folgen auftraten [Litovitz et al., 2010; National Capital Poison Center, 2015].

Im Unterschied zu Autobatterien beinhalten Haushaltsbatterien (Knopfzellen/ Knopfbatterien) keine Schwefelsäure. Meistens enthalten sie jedoch geringe Mengen an Quecksilberoxid/Silberoxid und Zink. Ebenso kann die enthaltene Elektrolytlösung beim Austritt aus der Batterie ätzend wirken. Bleibt die Batterie intakt - das ist vor allem bei Knopfbatterien der Fall - kommt es im Regelfall zu keinem Kontakt mit den Inhaltsstoffen.

Röntgen nicht vergessen

Eine Gefahr von Batteriebestandteilen ist die Aspiration mit Verlegung der Luftröhre oder die Verlegung der Speiseröhre. Gefürchtet sind dabei zwei schwere Verletzungsmuster: die elektrochemische Verbrennung bei Kontakt mit der Schleimhaut und die Freisetzung ätzender Stoffe [Litovitz et al., 1992; Banerjee et al., 2005].

Verletzungen des Ösophagus sind deshalb gefährlich, weil Perforationen, Fisteln oder sekundäre Stenosen auftreten können. Beim Verschlucken einer Batterie ist zwingend eine Röntgenaufnahme erforderlich. Sollte die Batterie im Ösophagus festsitzen, ist eine zügige endoskopische/chirurgische Entfernung angezeigt. In diesen Fällen sollten keine Getränke oder Speisen zugeführt werden, um eine zusätzliche elektrochemische Reaktion zu vermeiden [Madsen, 1989; Kay et al., 2005; Committee et al., 2011].

Beim Verschlucken und dem Nachweis der Magenpassage braucht kein Entfernungsversuch unternommen zu werden [Litovitz et al., 1992]. Nichtsdestotrotz ist eine Nachsorge inklusive Kontrolle bis zur Ausscheidung der Batterie nötig [Laugel et al., 1999]. Bei längerer Einwirkzeit im Magen (24 Stunden) können Batterieinhaltsstoffe zu einer Schädigung der Magenschleimhaut führen. Aufgrund der geringen Menge von enthaltenem Quecksilber sind meist keine Vergiftungen zu befürchten.

Die Symptomatik bei Freigabe von Chemikalien im Mund umfasst Rötungen, Schwellungen der Lippe/Zunge/Schleimhaut und ein brennendes Gefühl.

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich anhand dieses Fallbeispiels zeigen, dass auch scheinbar einfache Fälle unter Umständen Unwägbarkeiten bieten können. Bei Verdacht auf Verschlucken von Batterien/oder Teilen davon oder Inhaltsstoffen ist eine Rücksprache mit derGiftinformationszentraleund eine Vorstellung beim Kinderarzt empfehlenswert.

Fazit für die Praxis bei Ingestition von Batterien:

  •     Mund, Nase und Ohren untersuchen und den Fremdkörper vollständig entfernen,

  •     intraoral gründliche lokale Spülung bei sichtbaren Schleimhautverletzungen durch    Batterieinhaltsstoffe mit NaCl (Alternative: Tee, Wasser oder Saft zu trinken geben)

  •      Anruf der Giftinformationszentrale (siehe Link oben) oder Rücksprache mit einem Kinderarzt/ Kinderklinik. Für Rückfragen möglichst immer Produkt, Etikett und Beschreibung (sofern vorhanden) bereithalten.

Dr. med. Dr. med. dent. Michael Dau,
Dr. med. Boris Mark Niederquell,
Dr. Dr. Peer Wolfgang Kämmerer
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- u. Plastische Gesichtschirurgie
Universitätsklinikum Rostock
Schillingallee 35, 18055 Rostock
Michael.Dau@med.uni-rostock.de

 

Literatur:

 

  • Banerjee, R., G. V. Rao, et al. "Button battery ingestion." Indian J Pediatr 2005  72(2): 173-174.

  • Committee, A. S. o. P., S. O. Ikenberry, et al. "Management of ingested foreign bodies and food impactions." Gastrointest Endosc 2011  73(6): 1085-1091.

  • Kay, M. and R. Wyllie "Pediatric foreign bodies and their management." Curr Gastroenterol Rep 2005  7(3): 212-218.

  • Laugel, V., J. Beladdale, et al. "Accidental ingestion of button battery." Arch Pediatr 1999  6(11): 1231-1235.

  • Litovitz, T. and B. F. Schmitz "Ingestion of cylindrical and button batteries: an analysis of 2382 cases." Pediatrics 1992  89(4 Pt 2): 747-757.

  • Litovitz, T., N. Whitaker, et al. "Preventing battery ingestions: an analysis of 8648 cases." Pediatrics 2010  125(6): 1178-1183.

  • Madsen, L. P. "Button batteries. Treatment of children who have swallowed button batteries." Ugeskr Laeger 1989  151(49): 3316-3318.

  • National Capital Poison Center (2015). Available at www.poison.org/battery/stats.asp. Accessed August 6, 2015. National Capital Poison Center.

  • Yardeni, D., H. Yardeni, et al. "Severe esophageal damage due to button battery ingestion: can it be prevented?" Pediatr Surg Int 2004  20(7): 496-501.

 

 

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