Die neuen Parodontitis-Verursacher

Dr. Jan H. Koch
Zahnmedizin
Neben typischen Leitkeimen scheint es viele pathogene Mikroorganismen zu geben, die Parodontitis verursachen. Die Veränderungen im Bakterienstoffwechsel sind ein Zeichen für einen parodontalen Erkrankungsschub.

Seit Ende der 1990er Jahre werden in der Zahnmedizin mikrobiologische Methoden eingesetzt, um orale Mikroorganismen zu bestimmen. Dazu gehören Polymerase-Kettenreaktion (PCR), DNA-Hybridisierung und Genchips. Die Methoden sind deutlich rationeller als traditionelle Kulturen. Und sie haben zur Identifikation zahlreicher weiterer Mikroorganismen geführt, die an Entstehung oder Verlauf einer Parodontitis beteiligt sein könnten (1).

Zentral sind metabolische Veränderungen

Erstmals wurde jetzt versucht, die Rolle dieser neu entdeckten Mikroorganismen systematisch auszuwerten (1). Laut Studien bis September 2013 ließ sich von ihnen noch keiner eindeutig als Krankheitsverursacher überführen. Das heißt, dass für 17 Arten und Phylotypen maximal eine moderate Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie Parodontitis maßgeblich mit verursachen. Klar ist aber, dass es zahlreiche wahrscheinliche Kandidaten dafür gibt, sich neben die üblichen Verdächtigen einzureihen.

Für eine höhere Evidenz ist einerseits die Zahl der Studien noch zu gering. Andererseits fehlen Studien, die zwei grundlegende Bedingungen erfüllen (2): Der Mikroorganismus liegt bei Krankheit in höherer Zahl vor als bei Gesundheit. Bei Elimination oder wesentlicher Reduzierung wird die Erkrankung gestoppt oder in ihrem Verlauf aufgehalten. Dieser Zusammenhang kann nur in "Assoziationsstudien" geklärt werden. Das sind Untersuchungen, die durch Risikodiagnostik oder therapeutische Effekte eine krankheitsursächliche Rolle belegen (1).

Virulenz als entscheidender Faktor?

Neben den bekannten scheinen also viele weitere Bakterienarten an parodontaler Entzündung und Gewebeabbau beteiligt zu sein. In einer aktuellen Studie berücksichtigten brasilianische Forscher mehr als 250 Spezies und Phylotypen, das sind noch nicht zuordnungsfähige Organismen (3). Durch Abgleich der Mikroflora konnten mikrobielle Profile für gesunde und parodontal erkrankte Probanden unterschieden werden.

Bei aggressiven Parodontitisformen waren zum Beispiel A. actinomycetemcomitans, aber auch Peptostreptokokken-Arten vorhanden. Andere typischerweise mit Parodontitis in Verbindung gebrachte Arten, wie zum Beispiel Fusobakterien, waren dagegen nicht nachweisbar. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die ermittelten Profile hilfreich sein könnten, das individuelle Parodontitisrisiko eines Patienten zu erkennen.

Eine weitere neue Studie beleuchtet einen Faktor, der aus der Kariologie bekannt ist: So scheinen typische Veränderungen im Bakterienstoffwechsel einen parodontalen Erkrankungsschub anzuzeigen (4). Demnach könnten metabolische Veränderungen entscheidend sein, die den Biofilm als Ganzes betreffen. Das bloße Vorhandensein bestimmter „Leitkeime“ wäre nur sekundär bedeutsam. Aktuelle diagnostische und therapeutische Konzepte sollten entsprechend hinterfragt werden.

Literatur1. Perez-Chaparro PJ, Goncalves C, Figueiredo LC, Faveri M, Lobao E, Tamashiro N, et al. Newly identified pathogens associated with periodontitis: a systematic review. Journal of dental research 2014;93:846-858.2. Socransky SS. Criteria for the infectious agents in dental caries and periodontal disease. J Clin Periodontol 1979;6:16-21.3. Lourenco TG, Heller D, Silva-Boghossian CM, Cotton SL, Paster BJ, Colombo AP. Microbial signature profiles of periodontally healthy and diseased patients. J Clin Periodontol 2014;41:1027-1036.4. Yost S, Duran-Pinedo AE, Teles R, Krishnan K, Frias-Lopez J. Functional signatures of oral dysbiosis during periodontitis progression revealed by microbial metatranscriptome analysis. Genome medicine 2015;7:27.  

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