Genderaspekte bei nicht-kariösen Zahnhalsdefekten

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Zahnmedizin
Der einzige Posterpreis auf dem Kongress der International Society of Gender Medicine (IGM) ging an die Zahnärztinnen PD Dr. Dr. Christiane Gleissner und ihre Doktorandin Ulrike Uhlmann: In ihrer Dissertation untersucht Uhlmann, inwieweit Studien zu nicht-kariösen Zahnhalsdefekten geschlechterspezifische Aspekte berücksichtigen.

Vermutlich waren PD Dr. Dr. Christiane Gleissner, Präsidentin von der Fachgesellschaft Gender Dentistry International (GDI), und ihre Doktorandin Ulrike Uhlmann die einzigen Zahnärzte unter den Teilnehmern. Sie hatten eine Posterpräsentation angemeldet - und sie waren es auch, die am 21. September den einzigen Posterpreis der IGM erhielten.

"Wir waren schon bei der Vorstellung unserer Forschungsarbeit über das große Interesse bei den Teilnehmern überrascht“, berichtet Gleissner. Obwohl die Diskussion der rund 45 Poster weitgehend parallel verlief, fanden sich Gleissner zufolge beim zahnmedizinischen Thema zahlreiche Kongressbesucher ein und baten um die Erlaubnis zur Nutzung des vorgestellten Indexes.

Uhlmanns Dissertation wirft einen Blick auf die wissenschaftliche Literatur und untersucht, inwieweit die rund 400 ausgewerteten Studien geschlechterspezifische Aspekte zu nicht-kariösen Zahnhalsdefekten berücksichtigt haben. Bei der Präsentation wurde nur ein Teil der Ergebnisse vorgestellt, weil die Dissertation  noch nicht abgeschlossen ist und - bis auf das Abstract im Kongressheft - noch nicht publiziert wurde. Wir stellen Ihnen hier eine Kurzzusammenfassung der Arbeit vor:

Nichtkariöse Zahnhalsdefekte - eine systematische Evaluation der geschlechtsspezifischen Analyse in der zahnmedizinischen Forschung mithilfe eines neuen Punktesystems

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Ziel der Untersuchung war ein Review der Literatur über nichtkariöse Zahnhalsdefekte (NCCL) in Bezug auf mögliche geschlechtsspezifische Unterschiede in allen Bereichen (Epidemiologie bis Therapie). Um quantifizieren zu können, wie umfassend Geschlechteraspekte in Untersuchungen zu NCCL eingeschlossen wurden, wurde ein Punktesystem entwickelt, das auf dem Fragebogen zur Vermeidung von Gender Bias von Eichler (2000) basiert. Dieser Index soll genutzt werden können, um medizinische und zahnmedizinische Fachliteratur im Hinblick auf ihre Geschlechterspezifität zu untersuchen und zu bewerten.

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Material und Methode

Vier große Datenbanken sowie Google und die Bibliografien einzelner Publikationen wurden mithilfe von bestimmten Suchbegriffen („keilförmige Defekte“, „wedge shaped lesion“, „non-carious cervical lesion“, „sex“, „gender“, „gender specific“, „sex specific“, „male“, „female“) durchsucht. Alle auf diese Weise gefundenen Artikel in deutscher und englischer Sprache wurden in die Literaturauswertung einbezogen. Eine zeitliche Begrenzung wurde nicht vorgenommen. Alle Artikel wurden einem ersten Screening unterzogen (Abstract und Volltext); alle Artikel, die irgendeinen geschlechtsspezifischen Bezug erkennen ließen, wurden in die engere Auswertung einbezogen.

Diese Artikel wurden im Detail analysiert und mithilfe des neu entwickelten Index kategorisiert und bewertet. In einem dritten Schritt sollen diejenigen Artikel, die Informationen zu geschlechtsspezifischen Aspekten enthielten, noch inhaltlich ausgewertet werden (diese Analyse ist noch nicht abgeschlossen).

Ergebnisse

Mithilfe der Suchstrategie wurden 392 Artikel identifiziert; davon ließen 73 einen geschlechtsspezifischen Bezug vermuten. Sie wurden mit dem Index evaluiert. Letztlich behandelten nur 17 Publikationen zu NCCL geschlechtsspezifische Aspekte in einer angemessenen Art und Weise. Sie können in die inhaltliche Analyse einbezogen werden.

Bereits jetzt lässt sich feststellen, dass nur Artikel zur Epidemiologie und Ätiologie der NCCL geschlechtsspezifische Daten enthalten. Sie deuten darauf hin, dass es Geschlechterunterschiede bei der Prävalenz von nichtkariösen Zahnhalsdefekten gibt, aber die Anzahl der Studien ist zu gering, als dass signifikante Aussagen oder definitive Schlussfolgerungen möglich wären. Das neue Punktesystem lieferte aussagekräftige Informationen darüber, in welchem Maß geschlechtsspezifische Aspekte in den untersuchten wissenschaftlichen Publikationen berücksichtigt wurden.

###more### ###title### Schlussfolgerungen ###title### ###more###

Schlussfolgerungen

Zu Geschlechterunterschieden bei nichtkariösen Zahnhalsdefekten existieren nur wenig Daten, hauptsächlich aufgrund eines unzureichenden Studiendesigns und einer unzureichenden Datenanalyse. Das Punktesystem erwies sich als ein nützliches Instrument bei der Auswertung von wissenschaftlichen Publikationen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Geschlechts im Studiendesign und der Interpretation der Ergebnisse. Es wird in zukünftigen Studien zum Status quo der Integration der Geschlechterperspektive in die zahnmedizinische Fachliteratur eingesetzt werden.    

Als Schlussfolgerung aus dem ursprünglichen Projekt (Literaturanalyse NCCL) haben wir folgende Hypothese aufgestellt: Die geschlechterspezifische Forschung in der Zahnmedizin muss verbessert werden, und zwar in Bezug auf Quantität und Qualität. Dazu werden neue Richtlinien gebraucht. Der zu entwickelnde Index soll zum einen die Auswertung der bereits vorhandenen Literatur beschleunigen und erleichtern, zum anderen eine Richtschnur für zukünftige Forschungsprojekte und wissenschaftliche Publikationen darstellen. 

Der auf dem Kongress vorgestellte Index erlaubt eine quantitative Erfassung der Geschlechterspezifität wissenschaftlicher Publikationen. Wir haben ihn vorläufig wie folgt genannt: Gender Sensitivity in Scientific Publications Index (GSSPI). Er besteht aus insgesamt sechs standardisierten Fragen zu den wichtigsten Elementen einer Publikation: Abstract, Hypothese, Studiendesign, Datenanalyse, visuelle Darstellung,  Sprache, die jeweils eine Ja-/Nein-Entscheidung erfordern, und so gewichtet sind, dass maximal ein Summenwert von 100 (Prozent) erreicht wird, wenn alle Fragen mit „ja“ beantwortet werden.

Anhand des Ergebnisses wird die Publikation in eine von fünf Kategorien eingeordnet, die von „kein geschlechtsspezifischer Bezug in der Publikation erkennbar“ bis „geschlechtsspezifischer Bezug vollständig oder überwiegend berücksichtigt“ reichen. Die einzelnen Items können auch getrennt voneinander analysiert werden, so dass erkennbar wird, in welchen Bereichen Defizite bestehen. Die oben genannten 17 Publikationen, die in die inhaltliche Auswertung aufgenommen wurden, erreichten einen Wert von über 50 Prozent."

Rund 350 Wissenschaftler, Ärzte und Soziologen aus Japan, Israel, Südafrika, den USA und Europa kamen vom 21. bis 23. September zum 7. Congress of the International Society of Gender Medicine (IGM) nach Berlin. 

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