Idiopathische Gesichtsschmerzsyndrome

Keine zahnärztliche Behandlung trotz Schmerzen?

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Zahnmedizin
Idiopathische Gesichtsschmerzsyndrome sind selten und werden häufig nicht als solche erkannt. Für Zahnärzte ist es wichtig, die charakteristische Schmerzsymptomatik zu kennen.

Viele Patienten mit Gesichtsschmerzen werden zunächst in einer zahnärztlichen Praxis vorstellig. Liegen die Schmerzursachen im dento-alveolären Bereich, werden diese häufig schnell von der Zahnärztin oder dem Zahnarzt erkannt und adäquat behandelt. Auch Patienten mit Schmerzsensationen, die andere medizinische Fachbereiche betreffen, können zumeist eingegrenzt und an die entsprechende Fachrichtung überwiesen werden, wie zum Beispiel bei Sinusitiden.

Schwieriger wird es, wenn Patienten zwar Schmerzsymptome aufweisen, aber intra- oder extraoral keine somatische Ursache gefunden werden kann. In einer aktuellen Übersichtsarbeit thematisieren Wissenschaftler des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf die häufige Fehlinterpretation von idiopathischen Gesichtsschmerzen, aus der zuweilen invasive Behandlungen erfolgen, die schlimmstenfalls zu einer Chronifizierung beitragen können [Ziegeler et al., 2021].

Klare Diagnosekriterien gibt es erst seit 2020

2020 wurde erstmalig eine internationale Klassifikation für Gesichtsschmerzen erarbeitet, die helfen soll, in einem definierten anatomischen Gebiet, in dem es Überschneidungen vieler Fachbereiche gibt, klare Diagnosekriterien zu formulieren und so Fehldiagnosen und folglich Fehlbehandlungen zu vermeiden. Der Gesichtsschmerz wird in sechs Hauptgruppen unterteilt (siehe Kasten).

Die erste Hauptgruppe bezieht sich auf den Schmerz, dessen Ursache im Zahnbereich oder in den umliegenden Strukturen lokalisiert ist. Die zweite und die dritte Gruppe umfassen myofasziale Strukturen des Gesichts sowie das Kiefergelenk – fallen also auch primär ins zahnärztliche Behandlungsfeld. Die Gruppen vier bis sechs umfassen Gesichtsschmerzen ohne eine im weitesten Sinne zahnmedizinische Ursache. Die Hamburger Wissenschaftler haben aus diesen Hauptgruppen einige der am häufigsten vorkommenden Gesichtsschmerzsyndrome aufgegriffen und diese, insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung für zahnärztliche Maßnahmen, näher beleuchtet.

Internationale Gesichtsschmerzklassifikation

1. Gesichtsschmerz aufgrund von Störungen des Zahnhalteapparats sowie anatomisch benachbarter Strukturen

1.1   Zahnschmerzen

1.2   Schmerzen der Mundschleimhaut, der Speicheldrüsen sowie Kieferknochen

2. Myofasziale Gesichtsschmerzen

2.1   primäre myofasziale Gesichtsschmerzen

2.2   sekundäre myofasziale Gesichtsschmerzen

3. Schmerzen des Kiefergelenks

3.1 primäre Schmerzen des Kiefergelenks

3.2 sekundäre Schmerzen des Kiefergelenks

4. Gesichtsschmerzen aufgrund von Läsionen oder Erkrankungen der Hirnnerven

4.1 Gesichtsschmerzen aufgrund von Läsionen oder Erkrankungen des Nervus trigeminus

4.2 Gesichtsschmerzen aufgrund von Läsionen oder Erkrankungen des Nervus glossopharyngeus

5. Gesichtsschmerzen, die an Präsentationen primärer Kopfschmerzen erinnern

5.1 faziale Migräne

5.2 spannungsartiger Gesichtsschmerz

5.3 trigemino-autonome Gesichtsschmerzen

5.4 neurovaskuläre Gesichtsschmerzen

6. Idiopathische Gesichtsschmerzen

6.1 „burning mouth syndrome“ (BMS)

6.2 persistierender idiopathischer Gesichtsschmerz

6.3 persistierender idiopathischer dento-alveolärer Schmerz

(Quelle: international classification of orofacial pain (ICOP), Ziegeler et al., 2021)

Ziegeler C, Beikler T, Gosau M, May A., "Idiopathic Facial Pain Syndromes". Dtsch Arztebl Int. 2021 Feb 12;118(6):81-87.doi: 10.3238/arztebl.m2021.0006. PMID: 33827748

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