Lachgas in der Zahnarztpraxis

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Zahnmedizin
Lachgas: Wie wirkt es, wo wird es in der Praxis eingesetzt? Experten klärten auf dem Deutschen Zahnärztetag in Frankfurt auf.

"Es ist nachweisbar, dass Lachgas als Teil einer Narkose wirkt", erklärte Prof. Prof. Dr. Jörg Weimann (Berlin), der das Thema aus Sicht der Anästhesie beleuchtete. Die klinische Anwendung in der Zahnmedizin folge dem Konzept der "titrierbaren inhalativen Sedierung": Lachgas wird demzufolge dem Bedarf entsprechend individuell titriert (maximal 50 Prozent) über eine Nasenmaske eingeatmet, wobei die Anxiolyse im Vordergrund steht. 

Ziel sei eine für Patient und damit auch für das Behandlungsteam entspannte Behandlung. Für den Einsatz in anderen Bereichen wie der Pädiatrie, Geburtshilfe oder Notfallmedizin stehe ein fixes 50/50 Lachgas-Sauerstoff-Gemisch zur Verfügung. In der Anästhesie werde Lachgas immer mit anderen Anästhetika/Analgetika kombiniert, da die Wirkstärke von Lachgas allein für die Schmerzausschaltung nicht ausreiche.

Anwendung auf maximal sechs Stunden begrenzen

Weimann wies in dem Zusammenhang auf die Interaktion von Lachgas mit Vitamin B12 (Kobalamin) hin. So komme es bei der Inhalation von Lachgas über Tage beziehungsweise repetetiv über längere Zeit zu einer (reversiblen) Hemmung der Methioninsynthetase mit den typischen Symptomen eines Vitamin B12-Mangels: diffuse neurologische Ausfälle und Anämie. Eine Lachgasanwendung sollte daher auf sechs Stunden begrenzt werden, ein nicht-behandelter Vitamin B12-Mangel gelte als Kontraindikation.(Anm. d. Red.:Die Anwendung von Lachgas über eine Zeitspanne von über sechs Stunden besitzt für die Zahnheilkunde keine Relevanz.)

Fallberichte von meist jungen Menschen belegten - teils irreversible - neurologische Defizite nach dem Missbrauch von Lachgas als Partydroge. Auch Todesfälle werden Weimann zufolge beschrieben, wobei diese am ehesten durch die Kombination mit anderen Drogen sowie durch Sauerstoffmangel eintreten. Meist werde das Lachgas aus Luftballons pur ohne Sauerstoffbeimengung inhaliert - so werde es in der Szene verkauft.

Nebenwirkungen der Lachgasanwendung: Übelkeit und Erbrechen. Bleibt die Lachgasanwendung unter zwei Stunden, komme es in geringerem Maße zu Übelkeit, sagte Weimann mit Verweis auf eine Studie.

Der Referent ging auch auf das Abortrisiko im Zusammenhang mit der Lachgasanwendung ein. Wenngleich es laut der American Society of Anesthesiologists keine Evidenz für eine Toxizität bezüglich Fertilität und Abortraten gebe, raten die deutschen Anästhesisten von einer Lachgasanwendung bei Patientinnen mit dringendem Kinderwunsch und bei Schwangeren davon ab. Aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes sollten Kinderzahnärzte auch die begleitenden Mütter in der Zahnarztpraxis fragen, ob sie schwanger sind, bevor Lachgas angewendet wird.

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Höhere Schmerzschwelle, höhere Compliance

Wie Dr. Dr. Wolfgang Jakobs (Speicher) vom Berufsverband der Oralchirurgen betonte, kommt in der Oralchirurgie den Sedierungsverfahren eine zunehmende Bedeutung zu. Angesichts älter werdender, oftmals multimorbider Patienten sei die Reduktion von Angst und Stress und die damit in Zusammenhang stehende kardiovaskulären Belastung ein wesentliches Behandlungsziel. Dies zu erreichen, gelinge auch mithilfe von Lachgas. Die Zahl der Allgemeinanästhesien sei indes aufgrund der Restriktionen in der GKV rückläufig.

Jakobs: "Wir brauchen Sedierung in der Zahn- Mund- und Kieferheilkunde. Wir haben zunehmend schwierigere Patienten mit einer verminderten Kooperationsfähigkeit." Ein Großer Vorteil der Sedierung sei eben, dass sie die Schmerzschwelle und damit auch die Compliance erhöhen kann.

Der Zahnarzt selbst sei mit der entsprechenden Ausbildung in der Lage, Lachgas im Bereich der sogenannten Minimalsedierung in der Praxis anzuwenden. Lachgas sei also eine sinnvolle Therapieoption - wichtig sei, die Patienten richtig auszuwählen. Denn gerade bei traumatisierten Patienten könne mithilfe der Minimalsedierung durch Lachgas nicht die nötige Behandlungsbereitschaft erzielt werden, um invasive Eingriffe durchzuführen.

Anxiolytische Wirkung ist belegt

Im Vergleich zum intravenösen Sedierungsverfahren könne Lachgas keine längeren Amnesie-Effekte erzeugen, die aber in der Oralchirurgie gewünscht seien. Seine anxiolytische Wirkung habe man dagegen bei Patienten mit extremer Behandlungsangst nachgewiesen.

Prof. Dr. Christian Splieth vom Lehrstuhl für Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde in Greifswald forderte einen interdisziplinären Austausch bis hin zu den Anästhesisten. In anderen europäischen Ländern wie etwa England gebe es schon länger Leitlinien zur Lachgasanwendung in der Kinderzahnheilkunde, in den USA Guidelines. Die Nebenwirkungen seien bekannt und gut erforscht: Euphorie sei mit etwa 3,5 Prozent in Studien die größte, ein Tatbestand, mit dem Kinderzahnärzte gut umgehen könnten. Übelkeit und Erbrechen lägen bei etwa 1 Prozent.

Splieth berichtete, dass er in der Greifswalder Zahnklinik ein Lachgaszimmer eingeführt hat: Wichtig seien hier vor allem bodentiefe Fenster: "Wenn das Lachgas einmal leckt, kann es über den Boden durch das Fenster abziehen." Abgesaugt wird es über einen Schlauch direkt an der Maske.

Nur mit gelernter Patientenführung

Viele in Deutschland praktizierende, aber in den USA ausgebildete Kinderzahnärzte nutzen ihm zufolge Lachgas als Standardverfahren. Ganz wichtig sei bei der Lachgasanwendung, dass der Zahnarzt den Patienten im Sinne des Behavior Managements führt - sowohl den kindlichen, als auch den erwachsenen Angstpatienten.

Wird Lachgas als Mittel zur Sedierung ausgeschlossen, müsse man eine zwingende Indikation für eine Narkose beschließen. Splieth hob auch hervor, dass Lachgas den Würgereflex ausschaltet - gerade bei Würgepatienten ein interessanter Aspekt.

Zur Qualitätssicherung der Behandlung unter Lachgassedierung bietet dieDGKiZeine Lachgaszertifizierung an.

 

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