Angeborenes Immunsystem speichert Entzündungsprozesse

Parodontitis verändert das Immungedächtnis

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Kerstin Albrecht
Zahnmedizin
Chronische Entzündungen wie Parodontitis können offenbar eine fehlgeleitete Immunantwort induzieren. Ein Forscherteam hat den Zusammenhang von Parodontitis und Arthritis im Tierversuch nachgewiesen.

Das Immunsystem wird durch Kontakte zu Bakterien und Viren trainiert und erlangt ein immunologisches Gedächtnis, um bei erneuten Kontakten mit pathologischen Keimen sofort gegensteuern zu können. Dieser Mechanismus gilt nicht nur für T- und B-Zellen des adaptiven Immunsystems, sondern auch für die myeloischen Zellen des angeborenen Immunsystems, wie zum Beispiel Neutrophile und Makrophagen.

Auch dieser Teil des Immunsystems „erinnert” sich an Bedrohungen und wird entsprechend reaktionsfähiger. Vorläuferstudien zu der hier vorgestellten Studie haben das gezeigt. Diese „trainierte Immunität” kann im Tiermodell über eine Knochenmarkspende von einem Tier auf ein anderes übertragen werden.

Parodontitis verändert die Genexprimierung im Kontakt mit neuen Erregern

Es ist schon länger bekannt, dass Parodontitis das Risiko für Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht und dass umgekehrt Menschen mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung zum Beispiel eine erhöhte Prävalenz von Parodontitis aufweisen. Bislang konnte kein einheitlicher Mechanismus diese Bidirektionalität erklären. Daher suchten die Forscher nach dem Prinzip, das den Assoziationen zwischen verschiedenen Komorbiditäten zugrundeliegen könnte.

Im Tiermodell konnten die Forscher zeigen, dass bei einer Maus, bei der experimentell eine Parodontalerkrankung hervorgerufen wurde, innerhalb einer Woche die myeloischen Zellen des Tieres und ihre Vorläuferzellen im Knochenmark expandierten.

Zellen hatten die Entzündung auswendig gelernt

Nachdem die Forscher die Parodontitis nach einigen Wochen wieder beseitigt hatten, zeigten die Zellen zwar keine signifikanten Veränderungen im Aussehen oder Verhalten, doch sie enthielten epigenetische Veränderungen, so als hätten sie „die Entzündung auswendig gelernt”. Diese aufgrund der Entzündung ausgelösten Veränderungen modifizierten auch die Art und Weise der Genexprimierung nach neuen Kontakten mit Erregern.

Im Tiermodell entwickelten Mäuse, die das Knochenmarktransplantat von Artgenossen mit Parodontitis erhielten, eher eine schwerere Arthritis als Mäuse, die eine Spende von Stammzellen von parodontal gesunden Mäusen erhielten. Die stärkere Gelenkentzündung bei den Empfängermäusen führten die Forscher auf Entzündungszellen aus den von der Parodontitis trainierten Stammzellen zurück. Der Signalweg über den Rezeptor für Interleukin-1 spielt bei der Entstehung dieses Entzündungsgedächtnisses offenbar die entscheidende Rolle.

Die Ergebnisse dieser Studie könnten zukünftig dazu führen, über die Auswahl von Knochenmarkspendern noch einmal anders nachzudenken. Grundsätzlich ist jeder passende Spender für eine Knochenmarktransplantation ein Gewinn. Doch offenbar können Spender, deren Immungedächtnis aufgrund einer zugrundeliegenden entzündlichen Erkrankung verändert wurde, die Empfänger einem höheren Risiko für weitere entzündliche Erkrankungen aussetzen.

Li X, Wang H, Yu X, Saha G, Kalafati L, Ioannidis C, Mitroulis I, Netea MG, Chavakis T, Hajishengallis G. Maladaptive innate immune training of myelopoiesis links inflammatory comorbidities. Cell. 2022 May 12; 185(10): 1709-1727.e18. <link url="https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0092867422003932" import_url="https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0092867422003932 _blank external-link-new-window" follow="follow" seo-title="" target="new-window">doi: 10.1016/j.cell.2022.03.043.

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