Studentenkurs: Das Acht-Augen-Prinzip

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Zahnmedizin
Vom Phantomkopf zur ersten Behandlung - die meisten Zahnmedizinstudenten haben bei "ihrem" ersten Patienten ganz schön Muffensausen. Oder war es bei Ihnen anders? Ein Blick in den Studentenkurs.

Sie kennen sich seit zwei Semestern: Zahnmedizinstudent Andreas Graf und "seine Patientin" Inge Glaser. Vor rund einem Jahr ließ sie sich zum ersten Mal in der Zahnklinik 2 - Zahnärztliche Prothetik des Universitätsklinikums Erlangen untersuchen. Damals entwarf der zuständige Oberarzt einen Behandlungsplan für die erforderlichen zahntechnischen Arbeiten. Ob sie sich auch im Studentenkurs behandeln lassen würde, fragte er die Patientin, als sie damals auf seinem Stuhl saß. „Warum nicht?“, antwortete sie - seitdem ist Andreas Graf zuständig.

Im Wartebereich der Prothetik sieht es aus wie in jeder normalen Praxis: bequeme Stühle, Zeitschriften und Kunst an den Wänden. An der Rezeption wird jeder Patient begrüßt und angemeldet. „Wollen wir gleich nach nebenan gehen?“, fragt Andreas Graf.

Jahrelang, erzählt Inge Glaser, habe sie Angst vor dem Zahnarztbesuch gehabt. „Ein Nachbar hat mir schließlich geraten, in die Zahn-Mund-Kieferklinik des Uni-Klinikums zu gehen. Er war dort schon jahrelang in Behandlung und hat mir von der guten Betreuung im Studentenkurs berichtet." Noch kritisch, aber neugierig meldete sie sich darauf in der zahnärztlichen Hochschulambulanz an.

Von wegen Versuchskaninchen

„Der Patient ist bei uns alles andere als ein Versuchskaninchen", versichert Oberärztin Dr. Nina Moore. Im Gegenteil: "Allein gelassen werden hier weder der Patient noch der Student und sein assistierender Kommilitone - für Fragen oder wenn eine Behandlung doch mal komplizierter wird, sind immer direkt ein Kursbetreuer oder ein Oberarzt ansprechbar.“

Moore betreut seit drei Jahren den Studentenkurs an der Zahnklinik  und weiß, wie in der Lehre die richtige Balance zwischen Selbstständigkeit und Unterstützung aussehen muss, damit beide Seiten - Patient und Student - den größten Mehrwert aus der Behandlung ziehen. „Damit sie optimal lernen können, lassen wir die Studenten möglichst eigenständig arbeiten, stellen dabei aber immer sicher, dass die prothetische Behandlung und das Endergebnis, mit dem der Patient letztlich nach Hause geht, qualitativ der Arbeit eines ausgelernten Zahnarztes entspricht."

"Unsere Patienten haben sogar zusätzliche Vorteile“, erklärt die Oberärztin weiter. "Dadurch, dass jeder Patient sowohl von zwei Studenten als auch vom Kursassistenten und schließlich von einem Oberarzt betreut wird, erfolgt die Arbeit bei uns nach dem Acht-Augen-Prinzip. Das sind vier Augen mehr als gewöhnlich.“

###more### ###title### Ruckzuck ist nicht ###title### ###more###

Ruckzuck ist nicht

Neben der aufmerksamen zahnmedizinischen Versorgung profitieren die Patienten des Studentenkurses auch von einer deutlich persönlicheren Betreuung, für die sich alle Beteiligten viel Zeit nehmen. „Durchschnittlich dauert die Behandlung bei uns länger als in einer normalen Zahnarztpraxis“, sagt Kursassistent Dr. Mirko Christian, der auch für Andreas Graf der Ansprechpartner ist.

„Das liegt zum einen daran, dass die Studenten für einzelne Behandlungsschritte natürlich noch etwas mehr Zeit benötigen als ein Zahnarzt, der seit Jahren praktiziert. Zum anderen legen wir viel Wert auf die Gespräche zwischen Patient, Student, Kursassistent und Oberarzt. Unterm Strich bedeutet das, dass wir keine Ruckzuck-Behandlung bieten, sondern eine sehr ausführliche und persönliche Betreuung mit viel Raum für die Fragen und Anmerkungen aller Beteiligten."

Inge Glaser stimmt zu: „Weil ich die Studenten und die Zahnärzte über die Dauer der Behandlung näher kennengelernt habe, fühlte ich mich immer gut aufgehoben und konnte sogar meine Angst vor dem Zahnarztbesuch verlieren.“

Patienten gesucht!

Auf Menschen, die den Weg in die Studentenkurse wählen, sind die jungen Zahnärzte in Ausbildung angewiesen. „Nach dem Lernen am Modell, das heißt, wenn alle Griffe und Behandlungsschritte sitzen, ist die Arbeit mit dem Patienten ab dem siebten Semester sehr wichtig“, erklärt Christian. „Ein qualitativ hochwertiges Endergebnis stellen wir außerdem sicher, indem wir die technischen Arbeiten, also Brücken und Kronen, von den gleichen Laboren anfertigen lassen, wie niedergelassene Zahnärzte oder unsere Abteilungskollegen.“

Ein weiterer Anreiz: „Das Studiendekanat der medizinischen Fakultät fördert die studentische zahnmedizinische Ausbildung durch einen Zuschuss in Höhe von zehn Prozent auf den vom Patienten zu zahlenden Eigenanteil“, verdeutlicht Moore. „Dieser Betrag ist als Ausgleich für den etwas höheren Zeitaufwand gegenüber der Behandlung in der Praxis gedacht.“

„Nach jahrelangem Lernen am Modell ist die Behandlung eines richtigen Patienten natürlich erst einmal ungewohnt“, sagt Zahnmedizinstudent Andreas Graf, „aber man findet sich schnell ein und lernt, das Zuhören und Erklären in die Behandlung aufzunehmen."

Der Betreuer ist immer da

Vor allem am Anfang sei es gut zu wissen, dass erfahrenere Kursbetreuer in der Nähe sind, sagt Graf. "Irgendwann braucht man ihn immer weniger, das ist dann ein gutes Zeichen.“

Für Inge Glaser war es vorläufig die letzte Sitzung, ihre Behandlung ist abgeschlossen. Für Andreas Graf noch nicht ganz: Er wird ihren - und seinen - Fall noch auf einem Kolloquium vor Oberärzten und dem Klinikdirektor vorstellen, erläutern, wie die Versorgung verlief, und Rückmeldungen erhalten.

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