Kostenangst und Hexenglaube
Unsere zweite Station führte uns in die 600 km nördlich von Lilongwe, direkt am imposanten Malawisee gelegene Küstenstadt Karonga, nahe der tansanischen Grenze. Auch hier boten wir unsere Hilfe in einem kleinen Krankenhaus, der Hope Clinic, an. Ärzte und gut ausgebildetes Personal gibt es hier jedoch keines, weshalb auch keinerlei Diagnostik oder Behandlungen angeboten werden können. Lediglich Medikamente werden für einen geringen Preis an die Patienten verkauft.
Obwohl der zahnärztliche Bedarf auch in dieser armen Region enorm hoch ist, hatten wir hier dennoch einen sehr überschaubaren Patientenandrang. Die beiden angestellten Schwestern, die uns mit Rat und Tat zur Seite standen, vermuteten, dass sich viele Patienten nicht trauten zu kommen, da sie Kosten für die Extraktionen und Behandlungen befürchteten.
Eine andere interessante Erklärung war der „Hexenglaube“, der in Malawi stark verbreitet ist. Vergleichbar mit dem Aberglauben bei uns in Deutschland, dass sieben neue graue Haare für ein herausgerissenes nachwachsen, glauben einige Menschen in Malawi, dass für jeden gezogenen Zahn ein anderer Zahn kaputt geht. So versuchen die von Zahnschmerzen geplagten Menschen, sich dann selbst mit Heilpflanzen & Co. zu therapieren.
Amoxicillin, Metronidazol und Ciprofloxacin- verabreicht in einem halben Jahr
Was uns hier sehr erschreckte, ist der Umgang mit Medikamenten, insbesondere mit Antibiotika. Beispielhaft dafür steht die Krankengeschichte eines jungen Mannes. Er kam zu uns und berichtete von entzündetem und teilweise blutendem Zahnfleisch. Bei Inspektion zeigte sich eine typische Gingivitis. Der Blick in sein „Medical Book“ (eine Art Patientenakte, die der Patient aber selbst bei sich trägt) verriet, dass er im letzten halben Jahr Amoxicillin, Metronidazol und Ciprofloxacin erhalten hatte. Dieses freizügige, grob fahrlässige Verteilen von Antibiotika ist sicher der unzureichenden Ausbildung des Klinikpersonals zuzuschreiben, die dringend verbessert werden müsste.
Auch an dieser Station kamen wir in einem Gästehaus, dessen Träger die Diözese Karonga ist, unter. Von Angestellten der kirchlichen Einrichtungen – dazu zählen auch Schulen, Waisenhäuser, Ausbildungsstätten – wurden wir täglich auf das Köstlichste bekocht. Wir erfuhren eine warmherzige Gastfreundschaft und wurden liebevoll umsorgt.
Asche und Holzkohle als Zahnputzmittel
Sowohl in Namitete als auch in Karonga haben wir eine Primary School besucht, um den Schülern mithilfe unserer großen Zahnputzmodelle das richtige Zähneputzen zu zeigen. Außerdem klärten wir die Kinder über Zahngesundheit, Entstehung von Karies und die Wichtigkeit der Zähne auf. Auf unsere Nachfrage erzählten uns die Kinder, dass sie zur Reinigung ihrer Zähne Holzstöckchen oder den Finger und dazu Wasser, Asche oder Holzkohle benutzen.
Zahnbürste und Zahnpasta kosten in Malawi zusammen rund 1 Euro – das sind bei einem monatlichen Einkommen der Eltern von 10 bis 30 Euro echte Luxusartikel. Wenn man dann noch bedenkt, dass malawische Familien aus 5 bis 12 Kindern bestehen und viele Familien ohne Vater zurechtkommen müssen, wird es unmöglich, Zahnhygieneartikel zu nutzen. Deshalb war es umso schöner, dass wir insgesamt 1.500 Zahnbürsten und -pasten verteilen konnten. An dieser Stelle ein ganz herzliches Dankeschön an alle Spender, die dies ermöglicht haben!
Zuckerrohr und Lollis
Malawi ist ein sehr rohstoffarmes Land und kann aufgrund dessen keine lukrativen Güter exportieren. Da es praktisch keine einheimische Industrie gibt, ist Malawi darüber hinaus stark von Importen abhängig. Nahezu alle Güter müssen aus dem Ausland eingeführt werden. Die meisten Menschen leben von der Hand in den Mund und versuchen als Selbstversorger durch Landwirtschaft, Viehzucht oder Fischerei ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
So sieht man viele kleine Felder, die von Kleinbauern bewirtschaftet werden. Herden von Ziegen und Zeburindern sowie frei umherlaufende Hühner prägen das Alltagsbild. Die ländliche Bevölkerung ist sehr arm und ernährt sich hauptsächlich von Maisbrei (Nsima). Umso erstaunter waren wir über den schlechten Mundgesundheitszustand der Menschen, so dass wir uns die Frage der Kariesherkunft immer häufiger stellten. Klein und Groß nagt und nuckelt genüsslich am Zuckerrohr und auch Lollis erfreuen sich großer Beliebtheit. So bekamen wir die Antwort im Laufe unserer Reise durch das bloße Beobachten der Menschen geliefert.
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