Für drei Wochen wollte unser sechsköpfiges Team, bestehend aus den Zahnärzten Dr. Hans Lohr, Anja Stengele und Nina Sickenberger, sowie den Assistenten und Organisatoren Angie Lohr, Dominik Biehler und Matthias Schmitt, zahnärztliche Hilfe in eines der ärmsten Länder der Welt bringen. Mit vielen zahnärztlichen Instrumenten und Materialien und voller Vorfreude und Neugierde im Gepäck machten wir uns auf den Weg. Zwei Stationen für zahnmedizinische Behandlungen lagen vor uns.
Zu Beginn der Reise behandelten wir im St. Gabriel’s Hospital in Namitete, etwa 50 km westlich von der malawischen Hauptstadt Lilongwe entfernt. Das Krankenhaus wurde 1959 mitten im „Busch“ gegründet und über die Jahre mit Unterstützung aus Luxemburg und Deutschland immer wieder vergrößert.
Ungeahnte Patientenströme
Mittlerweile gibt es einige gut funktionierende Stationen. Trotz einiger Versuche, auch Zahnmedizin für die arme umliegende Dorfbevölkerung anzubieten, ist dies bisher noch nicht gelungen. Auf die Ankündigung, dass deutsche Zahnärzte für eine Woche kostenlose Zahnbehandlungen anbieten würden, machten sich deshalb zahlreiche Patienten aus der Umgebung auf den Weg zu uns. Täglich warteten ungefähr einhundert Menschen auf eine Behandlung.
Obwohl wir morgens früh mit der Arbeit begonnen und erst bei Dämmerung Feierabend machten, mussten wir am Abend viele der wartenden Patienten auf den nächsten Tag vertrösten. Unsere malawische Helferin und Übersetzerin Chiwemi hatte aufgrund des großen Andrangs die Idee, eine Liste anzufertigen, um die Reihenfolge der am nächsten Tag zu behandelnden Patienten festzulegen. Der Tumult, der dabei entstand - jeder wollte unbedingt auf der Liste stehen - ging buchstäblich unter die Haut.
Viele hatten einen weiten Weg auf sich genommen und übernachteten in der Nähe des Krankenhauses, um am nächsten Morgen wieder früh vor unserem Behandlungsraum bereitzustehen, so dass uns bei Arbeitsbeginn schon eine große Menschenmenge erwartete. Es sollten im Laufe des Tages noch mehr werden!
Die Behandlungen fanden auf einfachen Liegen statt, die wir am Fenster platzierten, um neben unseren Stirnlampen noch etwas mehr Licht zu haben. Wir richteten unser Augenmerk auf Schmerzpatienten mit nicht erhaltungswürdigen, beherdeten Zähnen. Indem wir uns auf die Extraktion schmerzender Zähne fokussierten, hofften wir, möglichst viele Patienten behandeln und sie so von ihren Schmerzen befreien zu können.
Frauen stillen während der Extraktion
Viele Frauen kamen mit ihren kleinen Kindern zur Behandlung und legten kurzer Hand das Baby zum Stillen an die Brust, während wir gerade mit Hebel und Zange in ihrem Mund am Werk waren. Ein solches Bild bietet sich wohl in keiner deutschen Zahnarztpraxis!
Am meisten bleibt uns eine etwa 40 Jahre alte Patientin im Gedächtnis, die mit hohem Fieber, Schüttelfrost und einem eigroßen Abszess im Oberkiefer zu uns kam. Die Frau wog nur noch 37 kg, weil sie aufgrund heftiger Zahnschmerzen schon seit längerem nichts mehr essen konnte. Nach Inzision des Abszesses und Antibiotikaeinnahme konnten wir an den folgenden Tagen eine deutliche Verbesserung des Gesundheitszustandes der Patientin beobachten. Nachdem wir ihr am letzten Tag noch die „Übeltäter“ extrahierten, bedankte sie sich herzlich bei uns. Diese Krankheits- beziehungsweise Genesungsgeschichte war eines der gravierendsten und schönsten Erlebnisse zugleich!
Ein Zahnarzt auf 450.000 Einwohner
In der kurzen Zeit hat sich gezeigt, dass die Nachfrage nach zahnärztlichen Behandlungen in dieser abgelegenen Region riesig ist. In Malawi versorgt ein Zahnarzt statistisch gesehen 450.000 Einwohner, in Deutschland sind es zum Vergleich 1.200 Einwohner. Die wenigen Zahnärzte, die es in Malawi gibt, arbeiten hauptsächlich in den drei großen Städten Lilongwe, Blantyre und Mzuzu. So sehen wir eine große Notwendigkeit, im St. Gabriel’s Hospital eine zahnmedizinische Abteilung aufzubauen.
Ein Raum dafür ist bereits vorhanden. Das Interesse seitens des Klinikpersonals ist groß, es fehlen lediglich ein Behandlungsstuhl und ein Zahnmediziner, der dort dauerhaft arbeiten möchte. Nach Gesprächen mit dem Klinikdirektor Dr. Mbeya und dem Generaldirektor der luxemburgischen Stiftung Zitha, Dr. Goetzke, werden wir das Vorhaben, eine Zahnstation aufzubauen, mit „Planet Action – Helfende Hände e.V.“ unterstützen und einen Zahnarztstuhl per Schiffscontainer nach Malawi senden. Außerdem haben wir das Ziel, regelmäßig Zahnärzte und Zahnmedizinstudenten aus Deutschland nach Malawi zu schicken.
Untergebracht waren wir in einem Gästehaus auf dem Campus des Krankenhauses. Bis auf die vielen Stromausfälle und das kalte Wasser zum Duschen waren wir dort fast auf europäischem Standard beherbergt. Wir hatten eine Küche, um uns selbst zu versorgen oder konnten die Klinikkantine nutzen, in der man bei Vorbestellung ein warmes malawisches Gericht zum Mittagessen bekam. Wir fühlten uns sehr wohl und herzlich vom ganzen Klinikpersonal aufgenommen, so dass uns die Abreise schwerfiel.
Keine Kommentare