Dieser Zahnarzt geht gerne in die Luft. Wolfgang Carl ist Fallschirmspringer und liebt den freien Fall. Mittlerweile hat er mit seinem luftigen Hobby die ganze Familie angesteckt.
Wolfgang und Regine Carl sind ein Team: beruflich, privat und in der Freizeit. Unter dem Namen "Midlife Crisis reloaded" nimmt das Zahnarztehepaar aus dem saarländischen St. Ingbert regelmäßig an Wettbewerben im Fallschirmspringen teil. Mit Erfolg. Bei den Meisterschaften im Fallschirmspringen 2013 in Bad Sulgau gewannen die beiden die Bronzemedaille in der Disziplin Artistik-Freestyle.
Laut Wolfgang handelt sich bei dieser Disziplin um eine Art "Ballett der Lüfte'“. Regine ist hierbei für die Figuren in der Luft zuständig. Wolfgang filmt als Cameraflyer. Die Auswertung erfolgt per Videoanalyse, Jury und Zuschauer verfolgen die Performance live am Boden auf großen Bildschirmen. Regine beschreibt diese ein bis zwei Minuten in der Luft "wie in Zeitlupe" und "Leben in höchster Intensität."
Roland im freien Flug. | W. Carl
Wolfgang schätzt an der Sportart das dreidimensional tänzerische Element der Performance. Der größte persönliche Gewinn sei für ihn der respektvolle Umgang mit dem Risiko und der eigenen Angst. Als erfahrene Turnerin ist Regine für die Artistik in der Luft prädestiniert. Stolz berichtet Wolfgang, dass seine Frau 2012 Vizemeistern der Senioren im Geräteturnen wurde. Er selbst fühlt sich in der Funktion des Kameramanns am wohlsten.
Seit 1990 betreiben die Carls gemeinsam eine reine Prophylaxe-Zahnarztpraxis in St. Ingbert. Seine Erfahrungen vom Fallschirmspringen kann Wolfgang hier täglich nutzen. "Ich kann viel besser auf die Ängste meiner Patienten eingehen", sagt er. Einen Tandemsprung, bei dem ein Fortgeschrittener gemeinsam mit einem Anfänger springt, könne er sich nicht vorstellen: "Das wäre für mich kein Hobby. Das mache ich im übertragenen Sinn jeden Tag."
Regine mit ihrem einjährigen Sohn Martin unmittelbar nach einem Fallschirmsprung. | W. Carl
Seinen ersten Sprung wagte Wolfgang bei der Luftlandebrigade. "Aufgrund meiner Abiturnote hatte ich vor dem Studium etwas mehr Zeit für die Bundeswehr", erzählt er. Regine hörte im Studium zum ersten Mal vom Fallschirmsport. "Ich klinkte mich damals wissbegierig in die Unterhaltung ein", erinnert sie sich, "der fallschirmspringende Student von damals ist heute mein Zahnarzt - und Ehemann." Darum sei es auch nur eine Frage der Zeit gewesen, bis auch die heute 20 und 18 Jahre alten Söhne Martin und Roland mit dem Springen anfingen.
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"Ich bin am Sprungplatz aufgewachsen", sagt Martin und erinnert an die Sprünge seiner schwangeren Mutter: "So gesehen bin ich schon vor meiner Geburt aus dem Flieger gefallen." Mit acht Jahren machten die Brüder ihren ersten Tandemsprung, heute besitzen beide eine Sprunglizenz. Direkt vor seinem ersten eigenen Sprung habe er sich schon "ein wenig mulmig" gefühlt, beschreibt Martin das Gefühl. Doch nach dem Absprung "habe ich mich erinnert, dass mir nichts passieren kann und mich auf mein Programm konzentriert".
Martin mit acht Jahren nach seinem ersten Tandemsprung. | Privat
Die Frage, ob sich die Angst vor dem Sprung beherrschen lässt, beantworten die Familienmitglieder unterschiedlich. Regine empfiehlt den Sprung "etappenweise zu analysieren", dann bleibe am Ende statt Angst nur noch ein "beherrschbares Unbehagen". Martin glaubt hingegen an die Routine: "Mit jedem erfolgreichen Sprung wird die Angst geringer." Um trotz Angst Erfolg zu haben, gelte der Spruch: "Plane den Sprung und springe den Plan." Sein jüngerer Bruder Roland nimmt es mit Humor: "Die Schmetterlinge im Bauch wird man niemals los, aber man kann ihnen beibringen in Formation zu fliegen."
Wer Lust hat, sich seinen Ängsten zu stellen, sollte laut Regine "Gefahrenbewusstsein, Konzentration und Lebenslust" mitbringen. Die Vereinsstrukturen seien zwar ausgereift, verglichen mit einem Golfclub jedoch eher einfach, dafür aber "sehr herzlich", sagt Wolfgang. Der Erwerb einer Sprunglizenz koste in etwa so viel wie ein Auto-Führerschein und ein eigenes Fallschirmsystem noch einmal etwa 6.000 Euro. Einen Tandemsprung gibt es hingegen schon ab 200 Euro.
Nesthäkhen Roland beim "Exit". | W. Carl
Mehr Informationen gibt es beim Deutschen Fallschirmsprung Verband (DFV).
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