Magdalena Czapp-Zakrzewski kribbelt es in den Fingern. Aber über die neue Technologie ihres Arbeitgebers darf sie beim besten Willen noch nicht sprechen. Dabei ist sie so begeistert.
Im Juli soll es endlich soweit sein, dann wird Procter & Gamble die Neuentwicklung auf den Markt bringen. Bis dahin muss sich die 31-Jährige nicht nur tapfer auf die Zunge beißen. Sie hat auch noch jede Menge Meetings zu absolvieren.
Es ist noch gar nicht so lange her, da hat Czapp-Zakrzewski als Juniorpartnerin in einer Vier-Mann-Praxis im Hessischen Patienten in den Mund geschaut. Jetzt guckt sie auf Mappen mit neuen Studien und genießt durchs Bürofenster die schöne Aussicht auf den Taunus. Mittags geht sie in die Firmenkantine und isst mit den Kollegen. Einige Hundert arbeiten allein hier am Standort Schwalbach, weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 126.000 Mitarbeiter.
Sie muss die Experten zusammenbringen
Auf den ersten Blick könnte sich ihre neue Aufgabe von der Tätigkeit einer Zahnärztin kaum stärker unterscheiden. Ihre Berufsbezeichnung lautet: "Professional Academic Relations Manager". Was das bedeutet?
Nun, ob es sich jetzt um Zahnbürsten und Pasten, Haftcremes, Mundwasser oder Zahnseide handelt, ob es um eine neue Technologie geht oder um eine Produktinnovation - Czapp-Zakrzewski muss die Experten der Branche zusammenbringen, die Meinungsführer, Vortragsredner und Akademiker, sie muss sie informieren, an welchen Verbesserungen die hauseigenen Forscher gerade tüfteln, sie muss Studien in Auftrag geben, alle Seiten permanent auf dem Laufenden halten und um Feedback bitten.
"Ich betrachte die Zahnarztpraxis jetzt mal von der anderen Seite aus", sagt Czapp-Zakrzewski. Dort sollen die Innovationen am Ende schließlich landen, bei den behandelnden Ärzten und beim Patienten natürlich. Wie es zu dem Seitenwechsel kam? Von außen sieht es aus wie Zufall.
Hängen geblieben an einer großen blauen Annonce
Czapp-Zakrzewskis stolperte über eine Stellenanzeige in den Zahnärztlichen Mitteilungen. "Die war so schön groß und blau", erinnert sie sich. Ihre Neugier war geweckt, sie schrieb eine Bewerbung. Das Vorstellungsgespräch dauerte einen ganzen Tag lang, es gab Interviews mit drei verschiedenen Abteilungsleitern - und am Ende die Zusage.
Kurz erschrak die junge Zahnärztin, als man sie fragte, wann sie denn nun verbindlich anfangen könnte. Das heißt - noch viel mehr war es ihr Umfeld, das erschrak. "Magdalena, wie kannst du uns das antun, du bist so eine tolle Zahnärztin!", klagten Freunde und Bekannte. "Wo sollen wir denn jetzt hingehen?" Viele wunderten sich über diesen Schritt.
Kittel gegen Businessanzug
Doch wenn man etwas länger mit Czapp-Zakrewski spricht, dann wundert einen schon deutlich weniger, dass sie Ende letzten Jahres beschloss, den Kittel, den sie nun seit ein paar Jahren trug, gegen einen neuen Businessanzug einzutauschen. Denn egal von welcher Stelle ihres Berufswegs die junge Frau erzählt, ob von den ersten Semestern im Zahnmedizinstudium, ihrer Promotion, ihrer Zeit als Assistenzärztin oder später als Juniorpartnerin in einer Praxis - irgendetwas schien sie permanent anzutreiben, noch mehr zu machen als alle anderen.
Sie wollte immer noch mehr Weiterbildungen absolvieren, noch mehr neue Methoden kennenlernen, sich immer weitere Betätigungsfelder erschließen. Dass sie sich schnell langweilen würde, klänge viel zu negativ. Vielmehr: Sie sucht halt ständig nach Herausforderungen und neuen Erkenntnissen.
Mädchen mit Zahntick
Dass sie Zahnärztin werden wollte, wusste Czapp-Zakrzewski hingegen schon mit 16. Was Zähne betrifft, gesteht sie, habe sie einen regelrechten Tick. "Meine Eltern mussten mich schon als Kind ermahnen: Magdalena, du kannst den Leuten nicht immer so auf die Zähne gucken!" Aber Magdalena konnte nicht anders. Und weil nicht immer alles schön war, was sie da so sah, beschloss sie: "Ich will später dafür sorgen, dass die Menschen nicht so schiefe und kranke Zähne haben."
Als Juniorpartnerin half sie mit, neue Behandlungsmethoden in die Praxis hineinzutragen. Für Patienten, die zum ersten Mal kamen, nahm sie sich eine ganze Stunde Zeit. Mit der Digitalkamera machte Czapp-Zakrzewski Aufnahmen von den Zähnen und besprach sie anschließend am Computerbildschirm. Die Patienten sollten selbst sehen, wo die Probleme lagen.
"Natürlich hat sich das für uns als Praxis erst mal nicht rentiert", sagt sie. "Aber es ging um die langfristige Bindung." Bei ihr wurde jeder Patient behandelt als wäre er ein Privatpatient. Und jedem noch so schwierigen Fall versuchte sie zu helfen, - im Zweifel auch mit unkonventionellen Methoden.
Sie machte Weiterbildungen von der Implantologie bis hin zur Prothetik, aber auch in Homöopathie, Akupunktur und begab sich auf die Suche nach alternativen Therapiemöglichkeiten für Parodontitis, bei denen die Selbstheilungskräfte des Körpers im Fokus standen.
Sie will den technischen Fortschritt in die Welt tragen
Natürlich kann sie selbst nicht so genau sagen, warum sich Procter & Gamble unter den zahlreichen Bewerbern am Ende dann für sie entschied. "Aber auf jeden Fall haben die anhand meines Lebenslaufs gesehen, dass ich ein sehr aktiver Mensch bin." Sie würde noch viel mehr Kollegen raten, es mit einem Job in der Industrie zu versuchen. Denn sie hält es für unerlässlich, dass der technische Fortschritt in die Welt getragen werde, und genau dabei könnten die Zahnärzte helfen. "Ich hoffe, dass das Interesse daran nie abnehmen wird."
Wer für einen solchen Job im Unternehmen geeignet ist? Das ist eine Charakterfrage, sagt sie entschieden. "Man darf nicht arrogant sein." Im Büro müsse sie mit vielen verschiedenen Leuten auskommen. Das sei viel schwieriger als in der Praxis der Chef über seine kleine Truppe von Helferinnen und Auszubildenden zu sein. Aber genau das gefällt ihr auch.
Man muss den Job lieben. Wirklich.
Sie hat natürlich schon angefangen, sich mit Kursen etwa zur Teamarbeit weiterzubilden - wieder ein interessantes Feld für die neugierige, junge Medizinerin. Das Wichtigste jedoch: "Man muss den Job wirklich lieben." Denn auch im Büro kann sie nie sagen: "Ich komme um 8 und gehe um 17 Uhr - ist mir egal, ob die Kollegin aus dem Marketing dann noch ein Feedback braucht." Das ist wie in der Zahnarztpraxis. "Da hat ja auch regelmäßig nach 17 Uhr noch ein Patient mit Schmerzen angerufen, den ich nicht nach Hause schicken konnte."
Ob ihr der direkte Kontakt zum Patienten nicht fehle? Kurz kommt die redegewandte, junge Frau ins Stocken. "Wenn sich ein zufriedener Patient bedankt und einem so direkt in die Augen schaut dabei, das ist schon schwierig aufzuwiegen", gesteht sie. "Aber", schiebt sie ganz schnell nach, "in meiner neuen Aufgabe kann ich ja noch viel, viel mehr Patienten helfen!"
Freude statt Floskeln
Damit, dass sie nun Produkte statt Heilung verkaufen muss, hat sie keine Probleme. "Allerdings funktioniert das auch nur so lange, wie man selbst von deren Nutzen absolut überzeugt ist", sagt sie. Und in ihrer Abteilung gebe es kein Produkt, dass die Mitarbeiter nicht vorher selbst getestet hätten. "Sonst würde es mir auch keinen Spaß machen, damit zu meinen Kontakten zu fahren und es zu präsentieren."
Das klingt erstaunlicherweise bei ihr gar nicht nach Marketing-Gewäsch, sondern eher nach echter Freude an der Arbeit. Entweder sie beherrscht ihren Job schon so perfekt, dass man ihr einfach alles abnimmt, oder sie ist wirklich eine Überzeugungstäterin. Das ist auch etwas, was sie an ihrem neuen Job sehr mag: Fast die Hälfte des Monats kann sie durch die Lande reisen, zu ihrem Verantwortungsbereich gehört die ganze Bundesrepublik. Ständig trifft sie interessante Menschen, hat Kontakt zu jungen Leuten von der Uni und den Meinungsführern der Branche.
Auch jetzt eine Zahnärztin auf Abruf
Und was, wenn sie doch eines Tages zurück will an den Zahnarztstuhl? Das Wissen wird sie nicht verlieren, davon ist sie überzeugt. Wohl eher schon die Schnelligkeit. "Die hätte ich hoffentlich in ein paar Monaten wieder drauf."
Und dafür, dass sie nicht aus der Übung kommt, sorgen auch die vielen Kollegen und Bekannten. Für die ist sie nämlich immer noch Ansprechpartnerin Nummer eins in allen Fragen rund um Zahn und Zahnfleisch. Eigentlich könnte sie neben ihrer Bürotür noch ein zweites Schildchen anbringen. "Zahnärztin auf Abruf - Terminvergabe per Flurfunk".
Daran, dass sie bald in eine Praxis zurückkehrt, ist bis auf weiteres ohnehin nicht zu denken. "In der Industrie passiert einfach ständig etwas Neues," sagt sie. Da sei immer für so viel Abwechslung gesorgt, das reiche sogar für ihre hohen Ansprüche.
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