Wenn man sich, zum Beispiel durch eine Internetrecherche, als interessierter Zahnarzt mit dem Thema beschäftigt, stellt man schnell fest, dass es offenbar eine Vielzahl von unterschiedlichen Bewertungsmethoden gibt. Die Zahl der kursierenden Bewertungsmethoden wird dann allerdings noch deutlich von der Zahl der (meist selbsternannten) Experten übertroffen, die „professionelle“ Praxisbewertungen anbieten. Insbesondere Dentaldepots, Finanzdienstleister und Steuerberater offerieren hier ihre Dienstleistungen, häufig mit dem Hinweis, dass sie natürlich auch „den Markt“ in- und auswendig kennen. Bei näherer Betrachtung stellt man dann jedoch häufig sehr schnell fest, dass die angewandten Bewertungsmethoden betriebswirtschaftlicher Unfug sind und es den meisten Bewertern nicht darum geht, eine neutrale und objektive Bewertung zu erstellen. In der Regel wird eine solche „Schätzung“ als ergänzende Dienstleistung zum eigentlichen Verkaufsinteresse des Bewerters erstellt, sei es die Vermittlung von Praxen, der Verkauf von Versicherungen, die Finanzierungsvermittlung oder der Verkauf von Dentalausstattungen. Die nachfolgenden Fakten sollen insbesondere „jungen“ Zahnärztinnen und Zahnärzten, die in der Regel keine nennenswerten betriebswirtschaftlichen Kenntnisse besitzen, als Orientierung und Hilfestellung dienen.
Bewertungsmethoden: Nur eine macht Sinn!
Um es ganz klar und unmissverständlich zu sagen: Die einzige Methode zur Bewertung einer Zahnarztpraxis, die betriebswirtschaftlich fundiert ist, stellt die modifizierte Ertragswertmethode dar. Auf der Basis einer sorgfältigen Vergangenheitsanalyse wird eine finanzielle Praxisplanung erstellt, die insbesondere eine detaillierte Vorschau der zukünftigen Umsätze sowie der anzunehmenden Praxisausgaben bzw. -kosten umfasst. Diese Planung wird stets auf einen bestimmten Bewertungsanlass bezogen und unter Berücksichtigung der vorhandenen Praxissituation vorgenommen. So macht es natürlich einen Unterschied, ob man eine Praxis übernimmt, die in den letzten Jahren deutlich unterdurchschnittliche Umsätze und Gewinne erzielt hat, oder in eine florierende Vierer-Gemeinschaftspraxis als fünfter Gesellschafter einsteigt.
Mit der modifizierten Ertragswertmethode wird letztlich der finanzielle (Nachsteuer-)Vorteil berechnet, den ein Zahnarzt durch einen Praxiserwerb im Vergleich zu einer üblichen Anstellung hat. Allerdings wird dieser Vorteil nicht bis zum Karriereende berechnet, sondern aufgrund der Tatsache, dass es sich bei Zahnarztpraxen um personenbezogene Unternehmen handelt, zeitlich befristet. Der sogenannte Ergebniszeitraum gibt an, wie lange der Käufer den zukünftigen Praxisgewinn, der über den Verdienst bei einer normalen Anstellung hinausgeht, erzielen muss, um den ideellen Wert der Praxis zu erwirtschaften. Bewerten heißt also (wirtschaftlich) vergleichen, nämlich die Alternative „Anstellung“ mit der Alternative „Selbstständigkeit“. Bei den meisten Praxisbewertungen werden Ergebniszeiträume von 3–6 Jahren zugrunde gelegt, bei besonders großen Praxen (oder MVZ) mit vielen Gesellschaftern werden diese aber auch gelegentlich überschritten. Die Planung in einer Bewertung mit der modifizierten Ertragswertmethode stellt, wenn man so will, einen „normalisierten“ Businessplan aus der Sicht eines Erwerbers dar. Die modifizierte Ertragswertmethode wird übrigens bereits seit 1994 von der Bayerischen Landeszahnärztekammer ihren Mitgliedern zur Anwendung empfohlen. Inzwischen hat sie sich sowohl in der professionellen Bewertungspraxis als auch in der Rechtsprechung fest etabliert. Vom BGH wurde die Methode gegenüber anderen Bewertungsmethoden sogar als „generell vorzugswürdig“ bezeichnet (vgl. BGH vom 02.02.2011 – XII ZR 185/08 und 09.02.2011 – XII ZR 40/09).
Licht und Schatten
Die korrekte Anwendung der modifizierten Ertragswertmethode stellt allerdings hohe Anforderungen an die betriebswirtschaft‧lichen Qualifikationen des Bewerters. Viel einfacher ist es natürlich, die drei letzten Gewinnermittlungen einer Praxis herzunehmen, die dort verbuchten Umsätze und Kosten zu mitteln und das Ergebnis als „übertragbaren“ Gewinn zu titulieren. Dann wird noch ein pauschaler „kalkulatorischer Arztlohn“ abgezogen und das Ergebnis mit einem nicht nachvollziehbaren Faktor multipliziert. Das Rezept für so eine Bewertung ist also denkbar einfach, allerdings schmeckt das Ergebnis mit einer derartigen Methode (z. B. Abwandlungen der Bundesärztekammermethode) meist nicht so richtig. Auch andere Methoden, die in der Bewertungspraxis herumgeistern (oft als Umsatz-, Gewinn- oder Marktmethoden bezeichnet), sind ähnlich einfach gestrickt. Kein Wunder, dass es so viele Experten gibt, da sich die mathematischen Anforderungen an eine solche Bewertung auf Grundschulniveau bewegen. Weshalb aber ist so eine „quick and dirty-Bewertung“ abzulehnen?
1. Bevor man Aussagen über die Weiterentwicklung einer Praxis treffen kann, muss stets eine sorgfältige Analyse der Praxis erfolgen. Insbesondere die bisherigen Erfolgsfaktoren (Qualifikationen, Leistungen, Personal, Wettbewerb, Arbeitszeiten, Umfeld, Abrechnung etc.) müssen auf ihre Beständigkeit hin untersucht werden. Richtige Praxisbewertung bedeutet im Regelfall 95 Prozent Analyse und 5 Prozent rechnen!
2. Man muss aus Nachfolgersicht stets hinterfragen, ob der Umsatz des Vorgängers auch zukünftig erzielt werden kann. Vorsicht: Je höher der Umsatz und je spezieller der Leistungskatalog des Vorgängers ist, desto eher ist zu erwarten, dass es zu einer Umsatzverminderung kommen wird! Auch sollte berücksichtigt werden, dass die Forderungen gegenüber den Patienten normalerweise bei Verkäufer bleiben. Der Käufer hat also zunächst einen time-lag zwischen Leistungserbringung und Zahlungseingang auf seinem Konto zu erwarten.
3. Die künftigen Betriebsausgaben sind auf einer Vergangenheitsanalyse unbedingt neu zu kalkulieren. Klassische Beispiele, die den Vergangenheitsgewinn verfälschen können:
- Beschäftigung von Verwandten, bei denen das bezahlte Gehalt nicht der tatsächlichen Arbeitsleistung entspricht
- Personalwechsel: Haben die langjährige Erstkraft oder der Techniker gerade gekündigt?
- Mietkosten: Sind Mietsteigerungen zu erwarten, ist die Standortsicherheit gewährleistet?
- Versicherungen: Kann die Prämienhöhe weitergeführt werden?
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