Wir leben in einer verstädterten Gesellschaft. Drei von vier Bundesbürgern wohnen in einer Stadt oder zumindest in einem städtisch geprägten Raum. Nach dem jüngsten Trend wandert die Bevölkerung in das städtische Umland ab. Trotzdem lässt sich aber keine Pauschalempfehlung ableiten, wo man sich als Zahnmediziner niederlassen sollte: Die Standortwahl ist und bleibt eine Einzelfallentscheidung.
Das Wichtigste ist, die Anforderungen an einen künftigen Praxisstandort zu kennen. Fünf betriebswirtschaftliche Indikatoren können als Anregung für den richtigen Praxisstandort dienen - und sollten dann durch persönliche Anforderungen ergänzt werden.
Kriterien für die Standortwahl
Das Verhältnis Einwohner pro Zahnmediziner (missverständlich oft als Zahnarztdichte bezeichnet), liegt im Bundesdurchschnitt bei knapp unter 1.200 Einwohnern pro Behandler. Für einige Ballungsgebiete liegt der Wert aber auch bei lediglich 700 Einwohnern pro Behandler.
Ein niedriges Verhältnis begünstigt grundsätzlich eine hohe Wettbewerbsintensität, ein hohes Verhältnis lässt eine geringe Intensität vermuten. Als erstes Indiz ist dieses Verhältnis ein geeigneter Indikator – aber Vorsicht: Dass diese Zahl tatsächlich deinen künftigen Patientenstamm darstellt, ist unwahrscheinlich, denn sie hat einige eklatante Schwächen. Die schwerwiegendste: Sie unterstellt, dass die Gebietsgrenze quasi das Ende der Welt ist. Sowohl Einwohner als auch Kollegen hinter dieser Grenze werden ignoriert.
Der bessere Weg wäre – vor allem bei einer Neugründung – eine professionelle Standortanalyse. Dabei wird nicht ein Einzugsgebiet über eine statische Grenze definiert, sondern die Entfernung nach Fahrtzeit zwischen Praxisstandort und Patientenwohnort. Daraus lässt sich ein Gleichgewicht (Gravitationsanalyse) berechnen, das besagt, wie viele Patienten deine und die Praxis deiner Wettbewerber aufsuchen würden, sofern es außer der möglichst geringen Entfernung zum Wohnort keinerlei weitere Präferenzen auf Patientenseite gäbe.
Verhielten sich alle Marktteilnehmer rational, ließe die Zahnarztdichte einen direkten Rückschluss auf die Wettbewerbsintensität zu. Du ahnst es bereits: die menschliche Welt ist selten rational.
Die Wettbewerbsintensität lässt sich darüber hinaus schwer quantifizieren. In Unternehmensbenchmarks werden zum Beispiel häufig die Marketingausgaben als Indikator bemüht.
Um dennoch ein Gespür für die Wettbewerbsintensität auf dem zahnmedizinischen Sektor zu bekommen, empfehle ich stattdessen, Kennzahlen aus dem Onlinemarketing zu betrachten, wie etwa den Klick-Preis für AdWords-Anzeigen oder den Anteil der Jameda-Premium-Profile ins Verhältnis zum Bundesdurchschnitt von etwa zehn Prozent zu setzen.
Bis hierhin haben wir so getan, als würdest du mit jedem Patienten und jeder Patient mit dir gleichermaßen glücklich. Aber je nach Präferenzen möchtest du aufgrund deiner Spezialisierung vielleicht eine bestimmte Zielgruppe ansprechen. Daher solltest du sicherstellen, dass diese Zielgruppe auch tatsächlich am künftigen Praxisstandort verfügbar ist. Sofern sie sich durch Alter und Kaufkraft definieren lässt, lassen sich auch Daten aus regionalen Statistiken, einer Standortanalyse oder Ähnlichem ablesen. Obligatorisch bei einer Praxisübernahme ist ein Blick in den Leistungsspiegel der letzten Jahre.
Es ist eigentlich selbstverständlich, aber der Vollständigkeit halber darf nicht unerwähnt bleiben, dass du dir im Klaren darüber sein musst, welche Kostenstruktur (Miete, Personal) dein künftiger Standort bereithält, und gegebenenfalls auch, wie schwer es möglicherweise sein kann, dort geeignetes Personal zu finden.
Sei dir unbedingt im Klaren darüber, dass du in der Regel deinen Praxisstandort nicht wechseln wirst. Wir sprechen also über eine Entscheidung, die dich die nächsten 25 bis 30 Jahre begleitet. In diesem Zeitraum sollte die Tragfähigkeit deiner Praxis – durch absehbare äußere Einflüsse – nicht gefährdet werden.
Prüfe daher sorgfältig frühe Indikatoren wie etwa den Wanderungssaldo und die kommunalen und städtischen Entwicklungspläne. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass du eines Morgens in der Praxis stehst und alle Einwohner sind nach Berlin gezogen, aber langfristige Entwicklungen sind gefährlich: Sie neigen dazu, sich unserer Wahrnehmung und damit unserem Einfluss zu entziehen. Deshalb prüfe deine Entscheidungen in regelmäßigen Abständen und stets ziel- und faktenorientiert!
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