Und das ist auch völlig okay. Intuitive Entscheidungen stehen in vielen Fällen den analytisch rationalen in nichts nach. Die neuronalen Prinzipien dahinter sind allerdings noch nicht hinreichend genau bekannt. In jedem Fall scheint die Erfahrung maßgeblich mit der Entscheidungsqualität zu korrelieren.
Es gibt aber auch Entscheidungen, bei denen wir uns schwer tun – nicht sofort eine Intuition haben. Oder die Entscheidung ist so tiefgreifend oder gar riskant, dass wir uns rational absichern möchten. Dazu hat die Betriebswirtschaftslehre im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Werkzeuge und Verfahren entwickelt, die Hilfestellungen leisten. Einen möglichen Entscheidungsprozess möchte ich dir anhand eines konkreten Beispiels vorstellen:
Der Terminbuchvorlauf in unserem Beispiel ist mit über 12 Wochen nach unserer Auffassung zu lang. Ursächlich machen wir dafür die geringe Zahl an Behandlungszimmern verantwortlich. Als Möglichkeit, diesen Engpass zu beseitigen, bieten unsere Räumlichkeiten die Option, ein weiteres Behandlungszimmer auszubauen. An die Einrichtung werden durchschnittliche Anforderungen gestellt (keine komplexen chirurgischen Eingriffe, kein Endo-Mikroskop etc.). Als Gesamtinvestition inkl. medizinisch-technischer Ausstattung werden in etwa 50.000 Euro veranschlagt. Weitere Daten unserer Praxis sind: 35 Betriebsstunden pro Woche auf insgesamt 3 Behandlungszimmern, mit zwei Ärzten und 1,5 Prophylaxekräften.
Die Frage ist nun: Wäre das eine gute Entscheidung für unsere Praxis?
Schritt 1: Problem beschreiben, Ursache(n) bestimmen
Noch bevor über Maßnahmen nachgedacht wird oder voreilige Schlüsse gezogen werden, was die tatsächliche Ursache ist, müsste zunächst eine intensive Problemrecherche betrieben werden. Gut möglich, dass obige Situation nicht oder nicht allein durch die Zimmerkapazität, sondern auch durch ein schlecht organisiertes Terminbuch oder zu lange Rüstzeiten zwischen den Behandlungen verursacht wird. Allein die „Ursachenforschung“ würde ganze Bände füllen und ist nicht Gegenstand dieses Artikels. Daher nehmen wir vereinfacht an, dass es tatsächlich die Zimmerkapazität ist, die uns derzeit daran hindert, „weiter zu wachsen“.
Schritt 2: Anforderungen an die Entscheidung
Als Nächstes definieren wir, welche Anforderungen an die Entscheidung gestellt werden müssen. Für unser Beispiel könnte das vielleicht folgendermaßen aussehen:
- Der Terminvorlauf muss sich durch die Investition von 12 auf höchstens 9 Wochen reduzieren.
- Die Investition muss sich spätestens nach 3 Jahren amortisieren.
- Die Investition muss sich positiv auf die Patientenbindung auswirken.
Schritt 3: Sammle alle Alternativen
Dabei geht es darum, sich abzusichern, für ein spezifisches Problem auch tatsächlich die „beste“ Lösung zu finden. Oft neigt der „Entscheider“ dazu, die erste Idee als alternativlos zu betrachten – meistens ist sie es nicht! Für unser Problem „12 Wochen Terminvorlauf aufgrund einer zu geringen Zimmerkapazität“ gäbe es beispielsweise folgende Alternativen:
- Einen Schichtplan einführen, um die Betriebszeit der Praxis zu erhöhen
- Weniger Behandlungen durch Überweisung einiger Tätigkeiten an Spezialisiten
- Keine PZR anbieten
- Kürzere Behandlungszeiten
- Alles belassen, wie es ist – das Problem löst sich von allein.
Natürlich sind einige dieser Alternativen Blödsinn. Es geht hierbei primär um den Kreativprozess zur Problemlösung. Einstein hat die Notwenigkeit dazu sehr treffend formuliert: Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
Deshalb ist es wichtig, erst einmal alle Ideen wertungsfrei zu sammeln. Jetzt ist übrigens auch der perfekte Zeitpunkt, dein Team am Entscheidungsprozess zu beteiligen. Den Input kannst du gut gebrauchen. Darüber hinaus wird es für dich oft leichter, die Veränderung später umzusetzen, wenn diejenigen, die es betrifft, an der Entstehung beteiligt waren und nicht einfach nur „dagegen“ sind. Natürlich musst du trotzdem mit Widerständen rechnen. Das ist menschlich und meist kein böser Wille!
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