Wie viele Schlösser Ulrich Lohr auf dem Weg zur Arbeit auf- und hinter sich wieder zusperren muss, hat er nicht gezählt. Es sind viele. Zwei- bis dreimal die Woche praktiziert er in der Justizvollzugsanstalt Heidering, die derzeit als modernste Haftanstalt Europas gilt.
Hinter den Horizont geht's nur im Kreis
Der 2013 eröffnete Gebäudekomplex bei Großbeeren in Brandenburg hat ungefähr 600 Haftplätze und ist fast voll belegt. Durch die ländliche Lage zwischen viel Grün und sich langsam drehenden Windrädern wirkt die Anstalt auf den ersten Blick fast idyllisch. Vor dem Eingang kreist eine meterhohe Skulptur um die eigene Achse: „Hinterm Horizont“ heißt das Kunstprojekt mit der goldenen Figur, die durch ein Fernglas ins Weite schaut. Dahinter allerdings beginnt der mehrreihige Metallzaun mit der Stacheldrahtkrone.
Über eine lange, glasumbaute Magistrale, die den Blick auf die Innenhöfe und die Arbeitsbetriebe freigibt, erreicht Ulrich Lohr nach dem Passieren vieler Türen die Arztgeschäftsstelle der JVA. Hier werden die Inhaftierten von verschiedenen Fachärzten medizinisch versorgt. Und hier befindet sich auch der zahnmedizinische Behandlungsraum.
Die Praxis innerhalb der JVA Heidering hat einen speziellen Vorteil: Sie wird regelmäßig modernisiert. Allgemein sind die Behandlungseinheiten in den Berliner Justizvollzugsanstalten nicht viel älter als sechs Jahre. Zur Ausstattung in Heidering gehören ein digitales Röntgengerät und eine intraorale Kamera. Das gesamte Instrumentarium wird vom Unfallkrankenhaus Berlin (UKB) zertifiziert aufbereitet. Zusätzlich gibt es am Behandlungsplatz Geräte, um die Turbinen, die Hand- und Winkelstücke selbst aufzubereiten.
Wegen der Chirurgie im Knast
Ulrich Lohr ist einer von sechs Zahnärzten, die die Insassen der verschiedenen Berliner Justizvollzugsanstalten zahnmedizinisch versorgen. Seit 1984 praktiziert er in diversen JVAs - den Beginn machte damals eine Frauenhaftanstalt. Nach seiner Approbation war der Zahnarzt besonders daran interessiert, seine chirurgischen Kenntnisse zu erweitern. Ein Oberarzt riet ihm: Bei den zahnärztlichen Behandlungen im Justizvollzug ist der Bereich der Chirurgie besonders wichtig. „Daher habe ich mich schon während meiner Assistententätigkeit in einer niedergelassenen Praxis bei der Justiz beworben.“
Zurzeit betreut Lohr drei JVAs: die Jugendstrafanstalt Berlin (JSA), die JVA Heidering und eine Teilanstalt der JVA Plötzensee. Zusätzlich arbeitet er seit 1989 als niedergelassener Kassenzahnarzt in seiner eigenen Praxis. Dorthin werden teilweise auch Patienten des Offenen Vollzuges Berlin überwiesen, wenn eine Zahnbehandlung nötig ist.
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