Die Gesundheitsportale Onmeda und NetDoktor verzeichnen beispielsweise monatlich schon Millionen Besucher. Hier klären Experten möglichst laienverständlich über Symptome und Therapien verschiedener Krankheiten auf. Dabei erwähnen sie aber oft alle erdenklichen Komplikationen, so dass sich viele Menschen verunsichert fühlen.
Die Weisheit der Vielen
Bei CrowdMed, einer relativ frisch gegründeten Internetplattform, wird einem die Diagnose gestellt. Allerdings nicht durch einen Arzt, sondern durch die Internetgemeinschaft. Crowdsourcing nennt man das noch relativ junge Konzept, bei dem Unternehmen Internetnutzern eine Aufgabe übertragen (crowd = Menge, outsourcing = auslagern). Dahinter verbirgt sich die Überzeugung, dass die Meinung vieler Individuen die Qualität einer Expertenmeinung erreichen oder gar übertreffen kann, was auch als „Weisheit der Vielen“ bekannt ist. Bei CrowdMed kann sich also jeder als sogenannter Medical Detective registrieren lassen, der berufliche Hintergrund spielt keine Rolle.
Das bekannteste Beispiel für Crowdsourcing ist das 2001 gegründete Onlinelexikon Wikipedia. Anfangs noch belächelt, entwickelte es sich zu einer der erfolgreichsten Internetseiten. Doch kann Crowdsourcing in einem so sensiblen Bereich wie dem Gesundheitswesen funktionieren? Wer stellt seine Symptome lieber einer Gruppe Unbekannter vor als seinem Hausarzt?
Seltene Krankheiten aufspüren
Menschen mit einer seltenen Krankheit, sagt der Gründer von CrowdMed, Jared Heymann. Menschen, die Monate oder gar Jahre an unklaren Beschwerden leiden und Hilfe suchend von Arzt zu Arzt laufen. Allein in Europa leiden 30 Millionen Menschen an seltenen Krankheiten, die entsprechend schwer zu diagnostizieren sind. Laut der Organisation Eurordis warten ein Viertel dieser Patienten fünf bis 30 Jahre lang auf die richtige Diagnose.
Die Medical Detectives
Wer bei CrowdMed Hilfe sucht, bezahlt 200 Dollar und macht Angaben zu seinen Symptomen, seiner Krankheitsgeschichte und stellt bereits vorhandene Untersuchungsergebnisse zur Verfügung. CrowdMed setzt etwa 100 Medical Detectives auf den Fall an, wertet die Ergebnisse der Crowd aus und erstellt Konsensdiagnosen. Der Patient erhält eine Liste der drei Top-Diagnosen, die er gemeinsam mit seinem Arzt überprüfen kann.
Bevor CrowdMed im April 2013 startete, wurden 20 Fälle getestet. Die 24-jährige Sarah Sheridan war einer von ihnen. Die junge Amerikanerin lief drei Jahre von einer Praxis zur nächsten, bis eine Freundin schließlich auf Borreliose tippte und Recht behielt. Sheridans Fall wurde mithilfe der Medical Detectives in einer Woche gelöst. „Hätte CrowdMed damals schon existiert, hätte ich mir drei Jahre Umherirren gespart“, sagt Sheridan. Seit April haben sich 4.800 Menschen als Medical Detectives bei CrowdMed registrieren lassen. „Wir haben bislang 93 Fälle bearbeitet, wovon wir 61 Fälle gelöst haben“, sagt Heyman.
Wie im echten Leben
„CrowdMed überträgt eine Struktur ins Internet, die sich auch im echten Leben wiederfinden lässt: Menschen, die an rätselhaften Symptomen leiden, erzählen darüber, suchen Hilfe“, sagt Effy Vayena vom Institut für Biomedizinische Ethik der Universität Zürich. „Eine solche Plattform kann für Patienten und deren Ärzte durchaus hilfreich sein.“ Wie alle Internetangebote berge sie aber auch Risiken. „Wie gut sichern sie die Daten der Patienten? Was passiert mit den Daten der Medical Detectives? Wie gut ist der Algorithmus, mit dem sie die Konsensdiagnosen erstellen?“, fragt Vayena. Andere Kritiker bemängeln, dass solche Internetangebote das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient gefährden können.
Check durch den Arzt
„Wir versuchen nicht den Arzt zu ersetzen”, sagt Heyman, „Patienten sollen mit unseren Diagnosen ihren Arzt aufsuchen.“ Die Qualität der Diagnosen möchte CrowdMed durch ein Punktesystem sichern. Für korrekte Diagnosen, die im Nachhinein vom Arzt eines Patienten bestätigt werden, erhalten die Medical Detectives eine Belohnung in Form von Punkten, die sie später gegen Geld und Sachpreise eintauschen können. Die meisten von ihnen sind allerdings nicht an einem monetären Gewinn interessiert. Sie begründen ihre Teilnahme bei CrowdMed mit dem Wunsch, anderen Menschen helfen zu wollen.
Wer an rätselhaften Symptomen leidet, kann auch die Suchmaschine FindZebra zu Rate ziehen. Dänische Forscher entwickelten das kostenlose Internetangebot speziell für Ärzte. Vor allem junge Mediziner konsultierten bei unklaren Beschwerden eines Patienten selbst „Dr. Google“ und verschwendeten dabei viel Zeit. In Tests fand FindZebra die korrekte Krankheitsdiagnose besser und schneller als Google.
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