Verkauf nach Vorgaben
Zwar „ist der Druck nicht mehr so hoch wie noch vor Jahren, vorhanden ist er aber nach wie vor". Außerdem kann der jeweilige Vorgesetzte „wann immer er das will, prüfen, ob und in welchem Umfang Produkte verkauft worden sind, und ob die Tages-, Wochen oder Monatsziele erreicht wurden oder nicht. Dies ermöglicht die heutige Technik völlig problemlos.“
Gern erinnert sich der Insider an längst vergangene Zeiten, in denen zwar auch schon mit Vorgaben gearbeitet wurde, tatsächliche Kontrollen aber nur einmal pro Monat erfolgten. So konnten schwächere Verkaufszeiträume meist ohne Schwierigkeiten im Monatsverlauf ausgeglichen werden.
Der immense Druck der Folgejahre mit den Möglichkeiten der jederzeitigen Überprüfung fand damals noch nicht statt. Verkaufserfolge haben nach seiner Erinnerung darunter übrigens auch nicht gelitten. In jedem Fall waren „Motivation und Identifizierung mit dem Arbeitgeber größer“ als es nach den Kenntnissen des Bankmitarbeiters, der natürlich auch mit Kolleginnen und Kollegen anderer Kreditinstitute redet, heute vielfach der Fall ist.
Eine falsche "Transparenzoffensive"
Nach seiner Überzeugung bleiben die meisten Banken auch bei der ebenso oft herausgestellten „Transparenzoffensive“ noch Einiges schuldig. Vor allem bei Produktinformationen auf Flyern oder im Internet ist für den Kunden nicht sofort erkennbar, „welche Voraussetzungen tatsächlich zutreffen, um beispielsweise einen äußerst günstigen Kreditzinssatz zu erhalten, mit dem schließlich ausdrücklich geworben wird".
Hinzu kommt, dass derartige Angebote keineswegs immer für vorhandene Bankkunden („Bestandskunden“), sondern je nach Produkt lediglich für Neukunden gelten. Dass damit teilweise langjährige Kunden verärgert werden, scheint für die jeweils Verantwortlichen keine große Rolle zu spielen.
Kunden kündigen
Das gilt offenbar auch für das sprichwörtliche Kleingedruckte, ohne das Finanzdienstleister nicht auszukommen scheinen. Die in der Vergangenheit ebenso oft reklamierte Begriffsverwirrung gilt darüber hinaus nach wie vor. Bankspezifische Ausdrücke wie „Wertzuwachs“ oder „laufende Verzinsung“ sind bei Anlageangeboten immer wieder zu finden, obwohl hier ausschließlich die jährliche Rendite oder Effektivverzinsung weitaus aussagefähiger wären.
Kunden bleibt dies natürlich nicht verborgen. Sie ziehen ihre Schlüsse, kündigen die Geschäftsverbindung oder ziehen eine weitere Bankverbindung in Erwägung, mit der ein Teil der bisherigen Geschäfte abgewickelt wird. Ganz zu schweigen von einer zumindest unterschwelligen Unzufriedenheit, die auch in Gesprächen mit anderen Personen weitergetragen wird.
Betriebswirtschaftlich denken, kundenfreundlich handeln
Damit kein Missverständnis entsteht: Bankinstitute sind in erster Linie betriebswirtschaftlich organisiert und streben folgerichtig entsprechende Gewinne an. Das ist natürlich nicht zu kritisieren oder gar zu verurteilen. Was aber durchaus kritikwürdig ist, sind die offenbar nach wie vor zumindest bei einer ganzen Reihe von Banken durchgeführten kurzen Rechtfertigungszeiträume der im Kundenkontakt tätigen Mitarbeiter.
Hier bestehen durchaus Verbesserungspotenziale, um den Kunden zu verdeutlichen, dass es zumindest in erster Linie nicht ausschließlich um die Profitabilität des eigenen Hauses, sondern vor allem um Kundenzufriedenheit geht. Es müsste mittlerweile bei jedem Bankvorstand angekommen sein, dass dem enormen Vertrauensverlust während der vergangenen Jahre nur durch Transparenz und Offenheit begegnet werden kann.
Michael Vetter
Fachjournalist für Finanzen
vetter-finanz@t-online.de
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