Frau Ullmann, worüber lachen Sie gerne?
Eva Ullmann: Ich finde gern Humor in ganz alltäglichen Situationen. Wenn auf einer Fußgängerampel steht "Bitte drücken", dann schnappe ich mir schon mal die nächste Fußgängerin und drücke sie.
Was macht einen Witz lustig?
Ein Witz ist lustig, weil uns die Pointe überrascht. Eine unerwartete Wendung, eine neue Perspektive, eine Doppeldeutigkeit - all das sind Überraschungsmomente. Und wenn wir überrascht sind, lachen wir.
Nicht jeder kann über das gleiche lachen. Warum gibt es verschiedene Humortypen?
So wie Menschen verschiedene Geschmäcker und Charaktereigenschaften haben, so hat eben auch jeder seinen ganz eigenen Humor. Und das ist auch gut so. Was der eine zum Brüllen findet, lässt den anderen kalt.
Die unterschiedlichen Humorstile werden sogar wissenschaftlich erforscht, zum Beispiel von Dr. Tabea Scheel, die auch mit uns vom Deutschen Institut für Humor zusammenarbeitet. Man hat vier verschiedene Humorstile definiert: selbstaufwertend, selbstabwertend, sozial und aggressiv. Die lassen sich natürlich auch kombinieren. Ich finde es immer wieder interessant, verschiedene Humortypen kennenzulernen.
Muss man Grenzen überschreiten, um lustig zu sein?
Nicht unbedingt. Das hat mit den verschiedenen Humorgeschmäckern zu tun. Mancher braucht vielleicht eine Grenzüberschreitung, um etwas witzig zu finden. Ein anderer empfindet gerade Tabu-Themen oder Witze unter der Gürtellinie als unangenehm. Generell raten wir beim Humor aber: Mut zum Risiko. Es gibt nie eine Garantie, dass jemand lacht. Man muss es einfach ausprobieren.
Was ist die Superioritätstheorie?
Diese Theorie haben schon Platon und Aristoteles formuliert. Die Idee dahinter ist, dass wir lachen, wenn wir uns überlegen fühlen. Diese Überlegenheit, oder Superiorität, hilft uns, damit wir uns stärker fühlen. Zum Beispiel, indem wir uns über unsere Feinde lustig machen. Dadurch wirken sie kleiner und nicht so gefährlich. Mit Humor können wir uns aber auch von Situationen oder Missgeschicken distanzieren. Lachen hilft manchmal, von etwas Abstand zu nehmen und kann so als Ventil dienen.
Ist Schadenfreude ein Zeichen von Humor oder Gehässigkeit?
Das kommt ein bisschen auf die Situation an. Schadenfreude kann man ja auch liebevoll rüberbringen. Wir unterscheiden in der Humorwissenschaft zwischen aufwertendem und abwertendem Humor. Wenn ich mit einem Menschen über sein Missgeschick lache, dann kann das eine Situation auch entschärfen.
Wenn ein Mitarbeiter geistesabwesend den Mundspiegel und die Pinzette verwechselt, dann kann man ihn oder sie auslachen. Oder durch Körpersprache und Tonfall zeigen, dass wir nur liebevoll necken: "Na, da ist wohl jemand noch nicht ganz wach ..." Das nennen wir sozialen, aufwertenden Humor. Wenn ich allerdings über einen anderen lache, dann ist der Humor eher aggressiv und abwertend. Das kommt auf meine Einstellung an.
Der kleine Unterschied in Sachen Humor
Unterscheidet sich der Humor von Männern und Frauen?
Ganz verallgemeinern lässt sich das natürlich nicht, aber häufig sind Männer richtige Rampensäue. Ihr Humor ist manchmal lauter, und sie stellen sich gern in den Vordergrund. Frauen haben hingegen oft kein Problem damit, sich selbst auf die Schippe zu nehmen. Aber Frauen dürfen natürlich auch gern Rampensäue sein, wenn sie wollen. Wir vom Humorinstitut helfen da gern beim Training. Auch für Männer, die sich vielleicht etwas mehr Empathie, also Einfühlungsvermögen, in ihrem Humor wünschen.
Haben Witze eine Halbwertszeit?
Wir lachen zum Beispiel vielleicht nicht immer über dieselben Sachen wie unsere Eltern. Zu Zeiten von Heinz Erhardt war es lustig, wenn man den Nachbarn mit dem Gartenschlauch abspritzte. Das reicht heute oft nicht mehr. Aber gewisse Konstanten gibt es trotzdem. Die Humorgrundlagen bleiben dieselben. Übertreibungen funktionieren immer noch. Oder auch Inkongruenzen, dass heißt, wenn zwei Sachen nicht zusammenpassen und wir dadurch überrascht sind und lachen.
Die Welt rückt durch das Internet und den globalen Handel immer näher zusammen. Welche Auswirkungen hat das auf den Humor?
Zum Beispiel, dass die Engländer sich darüber kaputt lachen, dass es in Deutschland ein Institut für den Humor gibt, wie die Zeitschrift The Economist letztes Jahr schrieb. Ich finde es spannend, wie verschiedene Humorarten sich unterscheiden oder auch gut zusammenpassen. Bei Missverständnissen gibt es zum Glück noch die Universalsprache: ein einfaches Lächeln.
Und das Internet macht unsere Witzkultur vielleicht etwas kurzlebiger und schneller - aber auch internationaler. Witze bleiben nicht mehr unbedingt landesspezifisch. Wir teilen vieles mit vielen Menschen, in recht kurzer Zeit - aber häufig elektronisch. Das ist keineswegs negativ zu beurteilen, nur eben vielleicht etwas anderes, als vor 20 oder 30 Jahren.
Es ist auch interessant, wie durch die traurigen Ereignisse um "Charlie Hebdo" plötzlich Comiczeichner und Comics weltweit ins Rampenlicht gerückt sind.
Die gelernte Pädagogin Eva Ullmann leitet seit 2005 das Deutsche Institut für Humor in Leipzig. | Deutsches Institut für Humor
Worüber werden wir in zehn Jahren lachen?
Heute hat Humor immer mehr mit Show zu tun. Comedians füllen ganze Fußballstadien, die Programme bieten Feuerwerk und Knalleffekte. Auch Filmformate ändern sich. Alles ist schnell, laut und bunt. Das wird über die nächsten Jahre vielleicht noch stärker werden. Und bei Animationsfilmen, die ja auch immer populärer werden, haben die Figuren auch immer eine gewisse Komik - auch wenn der Film vielleicht keine Komödie ist. Aber trotzdem werden wir auch weiter über dieselben Dinge lachen: Dauerbrenner wie Slapstick, Inkongruenz und komische Figuren.
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