Die Prognosen standen 1991 schlecht: Gute Behandlungsmethoden wie heutzutage gab es nicht. "Nachdem ich mich nach dem ersten Schock wieder berappelt hatte, wurde mir schnell klar: Ich möchte die Zeit, die mir bleibt, nutzen. Ich möchte noch so lange Menschen helfen, bis ich selbst einmal Hilfe brauchen würde“, erzählt der 44-Jährige, während er aus verschiedenen Dosen bunte Tabletten entnimmt und sie für einen Bewohner in drei kleine Döschen verteilt.
Manny begann damals eine Ausbildung zum Altenpfleger. Seitdem betreut er pflegebedürftige Senioren in drei verschiedenen Wohnheimen. "Die erste Zeit war schwierig. Es ging mir zwar noch relativ gut. Aber bei jedem Bluttest hatte ich schreckliche Angst, dass sich meine Werte verschlechtern würden. Ich habedamals nicht daran geglaubt, älter als 30 zu werden“, erinnert er sich und hält einen Moment inne.
Nachdenklich nimmt er eine kleine, rote Tablette und dreht sie zwischen Zeigefinger und Daumen. "Als es dann irgendwann endlich wirksame Medikamente gab, nahm diese Angst ein bisschen ab. Aber bis heute ist sie nicht ganz weg. Und so klein wie diese hier waren die Tabletten auch nicht! Das waren richtige Brummer“, sagt Manny und verzieht bei "Brummer“ angeekelt sein Gesicht. Aber schon strahlt er wieder. Überhaupt ist Manny ein vergnügter Typ. Immer für einen Scherz zu haben. Doch das war nicht immer so.
Heimlich die Pillen schlucken
Auf der Arbeit setzte er sich anfangs sehr unter Druck. „Ich habe meine Pillen immer heimlich auf dem Klo genommen. Manchmal ging das aber nicht zum vorgeschriebenen Zeitpunkt, weil ich zum Beispiel gerade einen Bewohner spazieren führte - da wusste ich gar nicht, was ich machen sollte“, erzählt er.
Irgendwann brach Manny zusammen. Die Belastung war zu hoch für ihn. Manny ging zu seinem Chef und erzählte ihm alles. "Da war das Eis gebrochen“, erinnert er sich. Von diesem Zeitpunkt an war er nicht mehr allein. "Ich sollte es erst einmal für mich behalten, das haben wir zusammen beschlossen, weil wir nicht wussten wie die Kolleginnen und Kollegen reagieren würden. Ich habe es dann trotzdem einer Kollegin erzählt, und wie das so ist, hat sie es weiter getratscht - und plötzlich wussten es alle“, berichtet er und kichert.
Die Kollegen reagierten erstaunlich offen, der Chef war nicht sauer. Manny entdeckte so seine persönliche Art und Weise, mit der neuen Lebenssituation umzugehen. Er lebt absolut offen mit seiner Infektion, auch wenn er es natürlich nicht jedem Menschen erzählt, den er zufällig auf der Straße trifft.
"Wenn ich jemanden kennenlerne, mit dem ich öfter zu tun haben werde, erzähle ich es - so nehme ich den Wind aus den Segeln und es wird nicht hinter meinem Rücken geredet. Damit habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht.“
Manny erzählt, dass ihm sein ehrenamtliches Engagement für Menschen mit HIV oder Aids besonders beim Outing im Kollegenkreis geholfen hat. "Das beeindruckt viele und es ist eine Art Türöffner, um über das Thema ins Gespräch zu kommen“, weiß er aus Erfahrung.
Manny ist Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft „Posithiv Handeln NRW“ und sitzt im Vorstand des bundesweiten "Netzwerk plus“. Ende 2011 wurde ihm die Ehrennadel der lokalen Aidshilfe verliehen, worüber auch die Zeitung berichtete. Manny, der in Wahrheit Manfred heißt, muss nun los. Seine Visite beginnt, die Bewohner brauchen ihre Medikamente.
Bevor er durch die Türe ist, erzählt er noch lächelnd: "Viele Seniorinnen und Senioren sprachen mich am nächsten Morgen im Wohnheim darauf an. Und einer der Bewohner hatte den Artikel sogar extra ausgeschnitten. Er sagte, wie sehr er meinen Mut und mein Engagement bewundere - und wie froh er sei, dass ich sein Pfleger bin, das macht mich glücklich.“
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