Frau Prof. Dr. Bärbel Kahl-Nieke, Präsidentin der DGZMK und Direktorin der Poliklinik für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, kann als langjährige Dozentin auf fast zwei Jahrzehnte der Entwicklung in der zahnmedizinischen Ausbildung zurückblicken.
Im Interview spricht sie über Freiheit und Verantwortung im Studium und darüber hinaus, die zunehmenden Einschränkungen bei der Ausübung der Freiberuflichkeit und die Chance für den Nachwuchs, das Bild des Zahnarztes in der Gesellschaft wieder ins rechte Licht zu rücken.
Frage: Ihre Lehrtätigkeit üben Sie bereits seit 1998 aus. Hat sich seitdem Ihrer Meinung nach die Einstellung der Studenten – oftmals zusammengefasst unter dem Begriff Generation Y – verändert, ggf. auch vor dem Hintergrund der „Feminisierung“? Und falls ja, in welcher Form?
Prof. Dr. Bärbel Kahl-Nieke: In diesen 18 Jahren habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Studierenden emanzipierter geworden sind. Damit meine ich, dass sie viel weniger eine undefinierte und sich nicht artikulierende Gruppe sind, sondern dass sie sich orientieren, definieren und mitteilen. Dies ist sicher auch eine Folge der Lehrevaluation – der quantitativen, aber auch der qualitativen. Aber auch darüber hinaus haben die Studierenden gelernt, mit uns zu reden und ihre Bedürfnisse so zu präzisieren, dass man gerne darüber redet. Zusammengefasst: Sie sind offener geworden, in der Regel im Sinne einer konstruktiven Offenheit. Ausnahmen gibt es natürlich auch, aber über die „schwierigen Fälle“ möchte ich hier nicht reden.
Feminisierung: Ohne dass ich das nun mit eigenen Zahlen belegen kann, würde ich sagen, ja, damit hat es auch etwas zu tun, also mit der typisch weiblichen Eigenschaft, sich eher transparent und engagiert für die eigenen Belange einzusetzen. Das mag jetzt unemanzipiert klingen, aber dieses „Die-Dinge-zum-richtigen-Zeitpunkt-mit-angemessenen-Worten-auf-den-Tisch-Bringen“ ist bei Studentinnen etwas ausgeprägter.
Frage: Vor welchen Herausforderungen steht die aktuelle Generation der Zahnmedizinstudenten? Und was können Sie den Studenten raten, wie sie diesen begegnen sollen?
Kahl-Nieke: Die Herausforderung für den Nachwuchs ist meines Erachtens wunderbar in unserem erst kürzlich kommunizierten Leitbild zur Zukunft der zahnärztlichen Berufsausübung abgebildet. Ganz übergeordnet würde ich hier gerne mit den Schlagworten Freiheit und Verantwortung beginnen.
Die Freiheit in der Freiberuflichkeit, selbst niedergelassen oder angestellt, die ist ein kostbares Gut, das es würdevoll zu leben und zu stabilisieren gilt. Die Facetten des Zahnarztberufs sind großartig und umfassend, da sollte für jeden etwas dabei sein, und damit meine ich zunächst einmal die Identitätsfindung bezüglich einer Spezialisierung oder eben nicht. Als Kieferorthopädin weiß ich, wovon ich rede, und ich habe meine diesbezügliche Entscheidung – noch im Studium – nie bereut. Und apropos Verantwortung: Diese inkludiert ein optimales Qualitätsmanagement unter erschwerten Bedingungen. Denn trotz Freiberuflichkeit wird „frei“ inzwischen immer kleiner geschrieben. Damit meine ich die Kontrollinstanzen, die über die eigenen Regeln hinaus boomen. Damit es nicht zu politisch wird, nenne ich hier bewusst keine Beispiele. Aber definitiv ist der Freiheitsgrad für unseren Berufsstand im Vergleich zu früher erheblich eingeschränkter. Und damit diese Entwicklung nicht noch anstrengender wird, ist meine Empfehlung nicht nur an dieser Stelle maximale Qualität (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität), maximale Transparenz und maximale Partizipation unserer Patientinnen und Patienten.
Frage: Was würden Sie sich von der aktuellen Generation der Studenten wünschen?
Kahl-Nieke: Mehr Interesse am Zahnarztberuf in der Gesellschaft im Sinne der Verbesserung des nicht wirklich „guten Rufs“ des Zahnarztes. Denn der sogenannte Ruf ist zwar nicht ruiniert im krassesten Sinne des Wortes, aber sehr wohl angeknackst. Zitate dazu sind „Murks im Mund“ und „Millionen für ein Lächeln“. Diesbezüglich habe ich gelegentlich den Eindruck, dass sich der Nachwuchs ein wenig ignorant darüber hinwegsetzt und einfach „sein Ding macht“. Daher mein Appell: Nur gemeinsam, also die jungen und die erfahrenen Kolleginnen und Kollegen im Verbund, werden wir es schaffen, das Bild des Zahnarztes wieder ins „richtige Licht“ zu rücken. Ich habe jetzt in meiner Funktion als Präsidentin der DGZMK fast drei Jahre daran gearbeitet und bin froh, dass wir nun das oben bereits erwähnte Leitbild haben, denn dies ist eine wesentliche Grundausrüstung für dieses Anliegen. Ich erlaube mir an dieser Stelle daraus einen ausbildungsrelevanten Passus zu zitieren:
„Die zahnärztliche Ausbildung gewährleistet einen theoretisch-wissenschaftlich und praktisch ausgebildeten Zahnarzt, der zur eigenverantwortlichen und selbstständigen Ausübung der Zahnheilkunde befähigt ist. Die Ausbildung vermittelt grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in allen Fächern, die für die zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung erforderlich sind. Die Ausbildung zum Zahnarzt erfolgt sowohl theoretisch-wissenschaftlich als auch klinisch-praktisch stets unter Wahrung absoluter Integrität seitens der Ausbildungsstätten und ihrer Dozentinnen und Dozenten (Null-Toleranz gegenüber Interessenkonflikten). Dabei werden bevölkerungs-, praxis- und patientenbezogene Gesichtspunkte berücksichtigt. Dieses – durch stetige Fortbildung gesicherte und ständig erweiterte – Kompetenzniveau garantiert ein hohes Maß an Professionalität bei der zahnmedizinischen Beratung, Behandlung und Betreuung der Patienten. Die sozioepidemiologische Forschung zur Mundgesundheit und Gesundheit der gesamten Bevölkerung sowie die Wahrnehmung gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse werden von der Zahnärzteschaft zu einer aktiven Entwicklung des freien Berufs des Zahnarztes und zur Entwicklung bedarfsgerechter Versorgungskonzepte genutzt.“
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