Bei unserer Abfahrt regnet es - ungewöhnlich um diese Jahreszeit. Aber es ist für drei Wochen die letzte Feuchtigkeit, die von oben kommt. Meist kommt sie von innen und nennt sich Schweiß. Nur gut, dass der zahnärztliche Behandlungsraum kürzlich mit einer Klimaanlage nachgerüstet wurde.
Den ersten Tag benötigen wir, um von Yangon aus tiefer ins Delta vorzudringen. Wir werden Dörfer im Gebiet zwischen Pyapon und Kyaiklat anlaufen. Ich nutze die Zeit, um mich mit meinem Team bekannt und es mit einigen der von mir mitgebrachten Utensilien vertraut zu machen. Dr. Sith Thu ist ein stets fröhlicher junger Kollege aus Yangon mit einem Lausbubengesicht und Pumuckelfrisur, zudem für einen Burmesen ungewöhnlich groß. Wie alle Burmesen ist er sehr kinderlieb.
Über seine wahre Motivation, für die Swimming Doctors tätig zu sein, bin ich mir bis zum Schluss im Unklaren, scheint er mir doch eher in die Großstadt Yangon zu passen. Da ihm sein Arztkittel zu warm ist, hängt dieser seit einem halben Jahr im Schrank und blockiert dringend benötigten Stauraum. Stattdessen trägt er bei der Arbeit meist Designerhemden und - wie alle anderen Männer an Bord - den traditionellen Longhi als Beinkleid.
Wir üben noch ein wenig mit dem Kapselmischgerät, das offensichtlich Anklang findet. Ich habe ausreichend Kapselamalgam, Glasionomerzemente in Kapseln und Composite-Cavifils mit. Genug für den ersten Tag gelernt - wir nähern uns Village 1. Von einem Empfangskomitee aus freudig winkenden Kindern begrüßt legen wir am Klosterlandungssteg an.
Die Patienten kommen teilweise von weiter entfernt liegenden Dörfern oder fahren uns hinterher, wenn sich ihre Behandlung über mehrere Tage hinzieht. An Bord gelangen sie, indem sie entweder über einen schmalen Laufsteg balancieren, wenn nötig assistiert von den Schiffsjungen, oder sie klettern direkt aus ihren Booten an Deck. Die Behandlungszeit erstreckt sich über den ganzen Tag, manchmal geht es bis spät in die Nacht, manchmal ist eher wenig zu tun. Sieben Tage die Woche.
Die Behandlung gibt es nicht kostenlos. Für jede Behandlung müssen die Patienten 1.000 Kyat bezahlen, umgerechnet knapp ein Euro, den Rest trägt die Stiftung. Die Brieftaschen, aus denen die Patienten das Geld hervorholen, sehen alle gleich aus: durchsichtige Plastiktüten. Wer nicht bezahlen kann, wird trotzdem behandelt, auch die Mönche sind von einer Zuzahlung befreit.
Viele dieser armen Menschen sind so dankbar für die medizinische Hilfe, dass sie Geschenke für uns mitbringen, deren Wert die Behandlungsgebühr oft übersteigt: Eier, Bananenstauden, Kokosnüsse, Klebreis, Maiskolben, Prawns, Trockenfisch und andere Köstlichkeiten. Über Einnahmen und Behandlungen wird akribisch Buch geführt und am Ende der Mission eine Statistik erstellt. Die Patienten erhalten ein Patientenheft, in dem die durchgeführten Behandlungen dokumentiert sind und das sie zu späteren Terminen wieder mitbringen.
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