Gemüse und Obst liefern wenig Kalorien, aber viele Vitamine, Mineralstoffe, Ballaststoffe und vor allem das große Orchester der sekundären Pflanzenstoffe. Über 10.000 verschiedene Verbindungen sind bisher bekannt. Sie färben Kirschen rot, machen Rosenkohl bitter oder lassen beim Zwiebelschneiden die Augen tränen. Seit dem Beginn ihrer Erforschung vor 25 Jahren wird ihr enormes Gesundheitspotenzial immer deutlicher. Manche hemmen die Entstehung von Krebs, andere schlagen Bakterien in die Flucht oder wirken antioxidativ. Sie senken den Blutdruck oder den Cholesterinspiegel, beeinflussen die Blutgerinnung, regulieren den Blutzucker oder stimulieren das Immunsystem..
Sekundäre Pflanzenstoffe: Konzentriert in den Randschichten
Konkrete Empfehlungen zur Aufnahme von sekundären Pflanzenstoffen kann man dennoch nicht geben: Zu riesig ist die Menge an Verbindungen, zu komplex sind ihre Wirkungen. Deshalb raten Ernährungsexperten, regelmäßig die ganze Bandbreite dieser bioaktiven Stoffe aufzunehmen. Das heißt konkret:
- Drei mal Gemüse, zwei mal Obst: Mindestens fünf Portionen sollten täglich auf den Tisch kommen. Wer das schafft, senkt das Risiko für Herz-Kreislaufkrankheiten um 20 Prozent und das Krebsrisiko um rund 10 Prozent.
- Querbeet essen: Von Obst und Gemüse inklusive Hülsenfrüchten, Salaten und Nüssen bis zu Vollkornprodukten, Gewürzen und Kräutern. Je größer die botanische Vielfalt, desto stärker die Schutzeffekte.
- Nicht schälen: Pflanzenstoffe ballen sich meist im Bereich der Schale beziehungsweise in den Randschichten. Deshalb Äpfel, Birnen, Tomaten einfach nur waschen und reinbeißen. Bei Orangen, Grapefruits und Mandarinen sitzen Flavonoide in der weißen Haut; diese darum nicht ganz entfernen.
- Augen auf beim Kauf: Gemüse und Obst muss reif sein, schmecken und gut aussehen. Dann kann man davon ausgehen, dass viele sekundäre Pflanzenstoffe drin sind. Das gilt für alle Produkte - ob konventionell, bio oder regional erzeugt.
Käse zum Wein schont die Zähne
So gesund Gemüse und Obst sind - für die Zähne gilt das nicht unbedingt. Fruchtsäuren setzen dem Zahnschmelz zu und können dentale Erosionen verursachen. Das gilt für saures Obst wie zum Beispiel Zitronen, Orangen, Kiwi, Äpfel oder Grapefruits, für Fruchtsäfte, Smoothies, Hagebuttentee, Sauerkonserven oder Salatsoßen. Ein bewusster Umgang mit säurehaltigen Lebensmitteln ist daher entscheidend. Das heißt konkret:
- Säurehaltige Speisen und Getränke auf möglichst wenige Mahlzeiten pro Tag verteilen.
- Ab und zu kann ein Glas reiner Frucht- oder Gemüsesaft eine der fünf empfohlenen Portionen Obst und Gemüse pro Tag ersetzen. Dabei gilt: Die Kontaktzeit mit den Zähnen möglichst kurz halten - entweder das Glas in einem Zug leeren oder mit dem Strohhalm trinken.
- Vorsicht Erfrischungsgetränke: Sport-, Energydrinks, Limonaden oder Mineralwasser mit Zitronengeschmack haben ebenfalls einen sauren pH-Wert und bergen auch ein hohes Erosionsrisiko.
- Saure Lebensmittel mit Milchprodukten kombinieren; ihr hoher Gehalt an Kalzium und Phosphat puffert die Säure ab und fördert die Remineralisation des Zahnschmelzes: Salatdressing mit Joghurt anrühren, Obst zusammen mit Quark essen oder zum Buttermilchshake mixen, zum Wein ein Stück Käse essen.
Sekundäre Pflanzenstoffe im Überblick
Carotinoide sind Farbstoffe in orangem, gelbem und rotem Gemüse und Obst wie Aprikosen, Honigmelonen, Tomaten. Sie finden sich außerdem in dunkelgrünem Gemüse, etwa in Spinat oder in Grünkohl. Sie wirken stark antioxidativ und stimulieren das Immunsystem. Eine hohe Aufnahme senkt das Herzinfarkt- und Krebsrisiko.
Flavonoide sind Farbstoffe. Über 6.500 verschiedene Flavonoid-Verbindungen sind bekannt, darunter rote, blaue und gelbe Farbstoffe, Bitterstoffe und Substanzen mit adstringierender Wirkung. Sie kommen in sehr vielen Lebensmitteln vor - in Zitrus- und Beerenfrüchten, Zwiebeln, Grünkohl, Äpfeln, Kirschen, Nüssen, Kakao, Rotwein, schwarzem und grünem Tee, Sellerie, Petersilie Thymian. Sie wirken antioxidativ, antimikrobiell und stärken das Immunsystem. Eine hohe Aufnahme senkt das Risiko für Krebs und Herz-Kreislaufkrankheiten.
Glucosinolate geben allen Kohlgemüsen den typischen Geruch und Geschmack und sorgen in Rettich, Radieschen, Senf, Kresse, Meerrettich oder Wasabi für Schärfe. Glucosinolate sind Vorläufer der eigentlichen Wirkstoffe, der Senföle. Sie wirken antioxidativ, als natürliche Antibiotika und senken das Krebsrisiko.
Monoterpene sind leicht flüchtige Aromastoffe in Zitrusfrüchten, Kräutern und Gewürzen. Ein Beispiel ist das Menthol in Pfefferminze. Sie wirken vermutlich krebshemmend.
Phytoöstrogene wirken wie weibliche Sexualhormone, nur viel schwächer. Man unterscheidet Isoflavonoide, und Lignane. Isoflavonoide sind vor allem in Sojabohnen und daraus hergestellten Produkten wie Tofu enthalten, Lignane stecken in Leinsamen, Kürbiskernen und den Randschichten von Getreide. Sie hemmen vermutlich die Entstehung hormonabhängiger Krebsarten, etwa Brust- oder Prostatakrebs, und schützen möglicherweise vor Herz-Kreislauf-Krankheiten und Osteoporose.
Phytosterine sind pflanzliche Botenstoffe, sie kommen in Sonnenblumenkernen und Sesamsaaten, in Nüssen, Pflanzenöl und Gemüsen wie Rosenkohl oder Brokkoli vor. Sie hemmen im Darm die Aufnahme von Cholesterin aus der Nahrung, senken die Cholesterinkonzentration im Blut und damit das Risiko für Herz-Kreislaufkrankheiten.
Protease-Inhibitoren heften sich an eiweißspaltende Enzyme und hemmen diese in ihrer Aktivität. Sie kommen in Hülsenfrüchten, einigen Getreidearten und Kartoffeln vor und wirken antikanzerogen, antioxidativ und entzündungshemmend.
Sulfide sind schwefelhaltige Duft- und Aromastoffe in Zwiebelgewächsen wie Knoblauch, Lauch und Zwiebeln. Sie werden freigesetzt, wenn die Zellen zerstört werden, etwa beim Zwiebelschneiden. Sie wirken antimikrobiell, antioxidativ und entzündungshemmend, hemmen die Krebsentstehung und stärken das Immunsystem,
Dorothee Hahne
Diplom-Oecotrophologin / Medizin- und Wissenschaftsjournalistin
Mozartstraße 9, 50674 Köln
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