Freitagmorgen, 9 Uhr. Sabine Pauly parkt ihren blauen Pick-up vor dem ersten Einsatzort des Arbeitstags, einer Pferdepension am Rand des Eifelstädtchens Wittlich. Sie steigt aus und öffnet die Klappe zur Ladefläche, dort hat sie ihr Werkzeug verstaut. „Equine Dentist“ steht in knallorangen Buchstaben auf dem Rücken ihrer schwarzen Jacke. Auf ihrer Website nennt sie sich auch die Pferdezahnfee. So hat sie ein Kunde einmal genannt. Das gefiel ihr.
Das Werkzeug: Eine bohrmaschinengroße Feile
Sie sucht alle Instrumente zusammen, die sie für die Behandlung braucht, packt sie in eine große schwarze Plastikwanne und trägt sie in den Stall. Neben einer Nierenschale voll kleiner Instrumente wie Zangen und Löffel nimmt sie auch die 50 Zentimeter langen Handfeilen und eine bohrmaschinengroße maschinelle Feile mit. Tierärztin Sabrina Mayer, die die Pferdezahnpflegerin heute begleitet, packt mit an.
Als Pauly schwer beladen den Stall betritt, macht sich sofort Hengst Otto bemerkbar. Er scharrt mit den Hufen und streckt den Kopf so weit es geht aus seiner Box. Otto will Aufmerksamkeit. Doch dafür hat die Pferdedentistin keine Zeit. Wie an den meisten Arbeitstagen ist ihr Terminplan voll.
Es kommt vor, dass sie an einem Tag bis zu zehn Pferde behandelt und dafür 250 oder mehr Kilometer fährt. Kein Wunder, denn ihr Einsatzgebiet reicht von Belgien und Luxemburg über das Saarland und die Eifel bis ins Rheinland nach Köln. Die 25-Kilometer-Anreise von ihrem Wohnort Deudesfeld bis nach Wittlich war im Vergleich zu anderen Routen ein echter Katzensprung.
Die natürliche Zahnpflege funktioniert heute nicht mehr
Sabine Paulys erste Patientin an diesem Vormittag ist Sira. Die 18-jährige Warmblutstute wartet schon an der Seite ihrer Besitzerin in der Box. „Sira hat ein Rittigkeitsproblem. Wenn sie das Gebiss ins Maul bekommt, zieht sie den Kopf hoch und verwirft sich beim Reiten“, erklärt die Dentistin. Ursache dafür könnten die Zähne sein.
Pferdezähne treiben jedes Jahr drei bis vier Milimeter aus dem Kiefer heraus. Diesen Zuwachs glichen die Tiere früher durch Grasen aus. „Wildpferde haben circa 16 Stunden am Tag grob strukturiertes Steppengras gefressen und so ihr Gebiss selber reguliert. Diese natürliche Zahnpflege funktioniert heute nicht mehr. Unser Weidegras entspricht nicht dem harten Steppengras und die Fütterung ganzer Körner wie Hafer, Mais und Gerste sowie Pellets kann eine unnatürliche Abnutzung der Zähne verursachen“, sagt Sabine Pauly.
Scharfe Spitzen und Kanten sind die Folge. Diese Gefahrenzonen machen das Anlegen eines Gebisses, das die Zunge in die Zähne drückt, zu einer schmerzhaften Angelegenheit für Pferde. „Mein Job ist es, sämtliche Störfaktoren zu beseitigen und wieder ein gesundes Gleichgewicht zwischen den Zahnreihen herzustellen. Dazu gehört beispielsweise alles zu entfernen, was erhaben ist, im Sinne von zu lang“, führt die Eiflerin aus.
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