zm-online: Laut Sachverständigenrat muss man das Image des Landarztes aufpolieren. Leider nannten die Experten nur wenig konkrete Maßnahmen. Was macht das Landleben für junge Mediziner - abgesehen von einer besseren Vergütung - attraktiv?
Dr. Alexis Michael Müller-Marbach: Wir brauchen flexiblere Arbeitsmodelle, die mehr dem aktuellen Zeitgeist und einer modernen flexiblen und weniger sesshaften Lebensweise entsprechen. Das Modell einer lebenslang geführten Landpraxis entspricht dem nicht mehr, weil viele Kollegen sich nicht mehr durch eine eigene Praxis und einen eigenen Kredit über 20 bis 30 Jahre an einen Ort binden möchten. Auch die Vorstellung, als Einzelkämpfer in einem Landkreis für die Versorgung verantwortlich zu sein, kann junge Kollegen abschrecken.
Ein Modell mit der Bildung von Zentren mit mehreren Ärzten, die auf Zeit dort effizient und vernetzt gemeinsam arbeiten, wäre eine gute Alternative. Attraktiv wäre auch die Möglichkeit einer Festanstellung mit Gewinnbeteiligung und die Bereitstellung von Assistenzpersonal in dem Zentrum - also Arzthelfern, Sozialarbeitern, Schwestern und Pflegern, die auch zu den Patienten vor Ort fahren und Hilfe bei der Versorgung vor Ort leisten können. Ferner müssen klare Urlaubs- und Freizeitregelungen bestehen. Eine Quasi-Rufbereitschaft in der Freizeit und häufige Notdienste schrecken ab.
Eine weitere Grundvoraussetzung, um Ärzte auf das Land zu locken, ist eine gute Infrastruktur - neben einer Verkehrsanbindung insbesondere auch eine High-Speed-Internetanbindung. Wichtig wäre dann auch die Bildung von EDV-basierten Praxisnetzwerken, um schnell und zentrumsübergreifend Zugriff auf radiologische Bilder und Patientendaten zu haben, wie das in Kliniknetzwerken als Standard etabliert ist.
Der Rat schlägt vor, Lokale Gesundheitszentren (LGZ) zu errichten, die die ländliche Versorgung sicherstellen. Arbeiten in einer Gemeinschaftspraxis, relativ geregelte Arbeitszeiten und sogar eine hauseigene Kinderbetreuung sollen dort realisiert werden. Für wie realistisch und attraktiv halten Sie diese Vorschläge?
Ich kenne viele junge Fachärzte, die eine Arbeit abseits der großen Kliniken suchen, aber die Übernahme oder Gründung einer eigenen Praxis aufgrund der finanziellen Risiken und der langfristigen Bindung scheuen und stattdessen eine Tätigkeit in einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in einer Stadt wählen.
Für diese wären solche Modelle sicherlich eine attraktive Perspektive - zumindest für den Zeitraum einiger Jahre. Eine adäquate und gesicherte Bezahlung mindestens auf dem Niveau eines Oberarztes in einer Klinik muss aber gewährleistet sein. Für die Kollegen, die sich dann vor Ort wohl fühlen und fest dort bleiben möchten, müssten dann flexible Möglichkeiten zur finanziellen Beteiligung in diesen Zentren geboten werden, wodurch eine langfristige Bindung bei Interesse möglich wäre.
Schließlich kann man das größte Interesse an dem Erfolg eines Zentrums dadurch fördern, wenn man die Ärzte dort entsprechend ihren Wünschen auch betriebswirtschaftlich einbindet und beteiligt. Wichtig ist, dass die Unabhängigkeit und Freiheit des ärztlichen Berufes durch solche Systeme nicht marginalisiert und gefährdet werden, sondern dies als Erweiterung der Optionen für junge Ärzte verstanden wird.
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